Deutschland gehört zu den größten Tierproduzenten Europas und zu den größten Abnehmern von Antibiotika, die in der Tierproduktion eingesetzt werden. Die Abgabe von Antibiotika nimmt gegenwärtig ab. Seit 2011 hat sich der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung mehr als halbiert. Am höchsten ist die Abgabe in Regionen im Nordwesten, wo auch die höchsten Tierdichten zu finden sind.
Keine zentrale Erfassung des Verbrauchs aller Tierarzneimittel
Bisher gibt es keine zentrale Erfassung der Abgabe- und Verbrauchsmengen aller Tierarzneimittel in Deutschland (Stand 2024). Abgabemengen an tierärztliche Hausapotheken werden für die Gruppe der Antibiotika von Großhändlern und pharmazeutischen Unternehmen seit 2011 verpflichtend dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bzw. usprünglich dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zu melden (1). Hingegen müssen Verbrauchsmengen bei antibiotischen Behandlungen ab einer bestimmten Bestandsgröße in der Mast von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten seit 2014 und seit 2023 auch in weiteren Produktionsrichtungen z.B. bei Milchkühen in der staatlichen Antibiotikadatenbank durch die bestandbetreuende Tierarztpraxis erfasst werden. Die Bestandsgröße je Tierart sowie das Meldeverfahren legt die Verordnung über die Verwendung antibiotisch wirksamer Arzneimittel (AntibAMVV)(2)fest.
Auch wenn es außer für Antibiotika keine Abgabe- und Verbrauchsmengen gibt, liefern die Marktanteile der Arzneimittel eine grobe Abschätzung der Bedeutung anderer Tierarzneimittel. Der Bundesverband für Tiergesundheit, welcher die führenden deutschen Tierarzneimittel- und Futterzusatzstoffhersteller vertritt, veröffentlicht jährlich eine Abschätzung des deutschen Tierarzneimittelmarktes auf Basis seiner Mitglieder. Der Markt wird hierbei in vier Arzneimittelgruppen gegliedert. Der größte Anteil entfällt auf sogenannte pharmazeutische Spezialitäten, welche z. B. entzündungshemmende Mittel, Herz-Kreislaufpräparate, Vitamine und Hormone umfasst. Auf Biologika – Impfstoffe und andere Produkte zur Steigerung der Immunabwehr des Körpers – entfällt der nächstgrößere Marktanteil. Der Umsatz durch den Verkauf von Antiparasitika und Antiinfektiva war bis 2019 annähernd gleich hoch. Seitdem ist der Anteil der Antiinfektiva etwas gesunken, wohingegen der Anteil pharmazeutischer Spezialitäten gestiegen ist. Antiinfektiva umfassen neben Antibiotika auch Arzneimittel zur Bekämpfung viraler und mykotischer Infektionskrankheiten. Da in jeder Klasse unterschiedliche Faktoren den Preis bestimmen, wie z.B. auch die abgenommene Menge, können aus dem Marktanteil keine Rückschlüsse auf die eingesetzten Mengen gezogen werden. Die Abbildung erlaubt lediglich eine Übersicht über die Art der eingesetzten Tierarzneimittel.
Die Abgabe von Antibiotika in der Tierhaltung nimmt ab
Deutschland war 2022 der zweitgrößte Tierproduzent Europas und viertgrößter Abnehmer von Antibiotika, die in der Tierproduktion eingesetzt werden(3). Wird die Menge der abgenommenen Antibiotika auf die Anzahl der gehaltenen Tiere bezogen, liegt Deutschland auf dem elften Platz (69,9 mg/Population Correction Unit (4)). 2017 lag Deutschland im europäischen Vergleich von 31 Ländern auf dem zwölften Platz (89,0 mg/Population Correction Unit).Es ist eine Reduktion der Abgabe von Antibiotika an die Tiermedizin um 22,4 % über die letzten 5 Jahre zu verzeichnen. Die eingesetzte Gesamtmenge der Antibiotika in der Humanmedizin lag im Jahr 2021 nach Auswertung des Umweltbundesamtes bei 576 Tonnen, über die letzten 5 Jahre sind dies minus 13,5%(5).
Spätestens seit 2014 die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes in Kraft trat (siehe: Politische Diskussion zu Tierarzneimitteln und Umwelt), ist ein Rückgang des Antibiotikaeinsatzes zu beobachten. Schon 2015 hat sich der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung seit 2011 mehr als halbiert. Ein Grund für diese Verringerung ist die zunehmende Sensibilisierung von Tiermedizin, Landwirtschaft und Gesellschaft für die Antibiotikaresistenzproblematik. Die Gesellschaft fordert zunehmend Maßnahmen, um diesem Problem zu begegnen. Daher werden statt Gruppenbehandlungen verstärkt antibiotische Einzeltierbehandlungen auch in Kombination mit entzündungshemmenden Arzneimitteln durchgeführt(6). Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch die Arzneimittelgesetznovelle unterstützt. Seit 2014 mussten Landwirte/-wirtinnen, seit 2023 die Hoftierärzt/-innen die Therapiehäufigkeit für antibiotische Wirkstoffe ermitteln und melden (siehe BVL „Betriebliche Therapiehäufigkeit“ und BMEL „Tierarzneimittel“). Liegt die Therapiehäufigkeit über dem Median aller Betriebe, ist der/die Landwirt/-wirtin verpflichtet, Maßnahmen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes mit Unterstützung des/der Tierarztes/-ärztin zu ergreifen (siehe: Reduktion des Keimdrucks).
Die Wirkstoffe, die in 2022 am häufigsten eingesetzt wurden, gehören zur Klasse der Penicilline (43 %) und Tetrazykline (19 %). Danach folgen die Wirkstoffklassen Makrolide (11,1 %), Polypeptid-Antibiotika (9,3 %), Sulfonamide (6,3 %) und Aminoglykoside (4,6 %). Auch wenn sich seit 2011 die Gesamtabgabemengen der Antibiotika verringert haben, war zwischenzeitlich ein kritischer Trend der Abgabe bestimmter Antibiotika zu verzeichnen, die Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Humanmedizin sind. Die Abgabe von Antibiotika wie Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation hatte zwischen 2011 und 2014 zugenommen. Durch verschiedene Maßnahmen (z.B. das separate Monitoring dieser Wirkstoffe durch QS und seit 2023 mit einer höheren Gewichtung auch in den Therapiehäufigkeit) konnte diesem Trend bei den Fluorchinolonen zügig entgegengewirkt werden, was in den Abgabezahlen seit 2015 deutlich wurde.
Regional betrachtet zeigen die Abgabemengen von Antibiotika in Deutschland einen deutlichen Schwerpunkt in der südlichen Weser-Ems-Region, wo die höchsten Tierdichten Deutschlands und auch viele tierärztliche Praxen zu finden sind. Die Verteilung ist in den meisten Regionen deckungsgleich mit den Viehdichten.
Im Rahmen der VetCab Studie(7) des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) wurden Indikationen für den Antibiotikaverbrauch erfasst. Daraus wurde ein unterschiedliches Verschreibungsverhalten von Tierärzten und Tierärztinnen identifiziert. Auswertungen von Maßnahmenplänen(8), sowie das unterschiedliche Verschreibungsverhalten von Tierärzten und Tierärztinnen deuten auf Wissenslücken im Hinblick auf präventive Gesundheitsmanagementmaßnahmen hin (siehe: Erweitertes Gesundheitsmonitoring in der Tierproduktion), woraus sich ein weiteres Einsparpotenzial von Tierarzneimitteln ergibt. Im Projekt VetAMR wird großes Potenzial gesehen, Daten zu Antibiotikaeinsatz und Resistenzen in den Zusammenhang mit dem Produktionszyklus bzw. dem Alter der Tiere zu bringen. So sollen besonders sensible Perioden in der Aufzucht und Mast identifiziert und diese anschließend mit gezielten präventiven Maßnahmen adressiert werden.
Weingarten, C., Petersen, B., Steinhoff-Wagner, J. (2017). Reduktion des Antibiotika-Verbrauchs in Deutschland durch Maßnahmenpläne – eine Analyse. Masterarbeit, Rheinische Friedrichs-Wilhelm-Universität, Bonn
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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