GE-R-4: Einsendungen zum Mückenatlas

Das Bild zeigt die Finger zweier Hände in Gummihandschuhen, die tote Stchmücken mit einer Pinzette auf ein Deckglas aufbringen, um diese zu mikroskopieren.zum Vergrößern anklicken
Mit der wissenschaftlichen Bestimmung der eingeschickten Mücken verbessern sich die Datengrundlagen.
Quelle: moxumbic / stock.adobe.com

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GE-R-4: Einsendungen zum Mückenatlas

Seit 2012 können interessierte Bürger*innen gefangene Stechmücken für den „Mückenatlas“ einschicken. Die Daten werden genutzt, um die Verbreitung von Stechmückenarten in Deutschland zu analysieren. Gleichzeitig sensibilisiert das Instrument die Bevölkerung für die Problematik. Im Jahr 2016 hat rege Pressearbeit zur Zika-Epidemie in Südamerika zur Zeit der Olympischen Spiele für hohe Aufmerksamkeit in Deutschland gesorgt.

Das Säulendiagramm GE-R-4 "Einsendungen zum Mückenatlas" zeigt die jährliche Anzahl der postalischen Einsendungen zum Mückenatlas ab 2012. Im Jahr 2016 war die Anzahl der Einsendungen mit über 7.000 Einsendungen besonders hoch, war anschließend rückläufig und stieg seit 2019 von damals etwa 2.500 auf zuletzt knapp 3.000 Einsendungen im Jahr 2021. Ein signifkanter Trend liegt nicht vor.
GE-R-4: Einsendungen zum Mückenatlas
Quelle: FLI / ZALF (Mückenatlas)

Mückenatlas – Bürger*innen werden aktiv

Die Verbreitung von Stechmückenarten, die für den Menschen gefährliche Erreger übertragen können, ist ein relevantes Gesundheitsrisiko. Noch gibt es in Deutschland – von autochthonen Fällen des West-Nil-Fiebers abgesehen – keine Hinweise auf heimisch erworbene Infektionskrankheiten im Zusammenhang mit Stechmücken wie Dengue, Zika oder Chikungunya. Allerdings steigt die Gefahr mit der Ausbreitung von Stechmücken, die als Vektoren dieser Erreger fungieren können (siehe ⁠IndikatorGE-I-5), und der gleichzeitigen Präsenz der Erreger unter anderem durch rückkehrende Fernreisende. Die Sammlung von Daten und Informationen zur Ausbreitung der Mücken ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um präventive Maßnahmen ergreifen zu können. Hierzu gehört neben der Bekämpfung der Mücken – wie es beispielsweise im Oberrheingebiet bereits geschieht – insbesondere die Aufklärung der Bevölkerung, sodass individuelle Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Es muss vor allem darum gehen, Stiche zu verhindern und im Falle einer Infektion dem behandelnden ärztlichen Fachpersonal entsprechende Hinweise geben zu können.

Ein systematisches, bundesweites Stechmückenmonitoring mit spezifischen Lockstofffallen kann wegen begrenzter Ressourcen nicht umgesetzt werden. Mit dem „Mückenatlas“ haben das ZALF und das FLI daher im Jahr 2012 ein Citizen-Science-Projekt ins Leben gerufen55. Citizen Science ist eine Form der beteiligungsoffenen Wissenschaft, bei der interessierte Laien – häufig in Zusammenarbeit mit hauptamtlich Forschenden – zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt beitragen. Durch diese Kooperationen entsteht eine „Win-win-Situation“: Die Forschung erhält in der Breite erhobene Daten, und bei den beteiligten Bürger*innen wächst das Bewusstsein für aktuelle Themen- und Problemstellungen sowie das Gefühl, selbst aktiv und wirksam werden zu können. Vor allem in Bereichen, in denen – wie im Gesundheitsbereich – Eigenvorsorge eine große Rolle spielt, sind solche Ansätze wertvoll.

Im Falle des Mückenatlas können Bürger*innen per Post Stechmücken an die Forschenden schicken, die diese dann wissenschaftlich bestimmen und Auswertungen zur Verbreitung durchführen.

Im Vergleich zu einem systematischen wissenschaftlichen ⁠Monitoring⁠ der Stechmückenverbreitung hat der Citizen-Science-Ansatz Vor- und Nachteile. Der Fokus der Citizen-Science-Fänge auf das Alltagsumfeld schränkt die Repräsentativität der Funde ein und führt dazu, dass die Funde nur einen Ausschnitt aus der tatsächlichen Verbreitung widerspiegeln. Fast zwei Drittel der eingesendeten Mücken wurden bisher in eher städtischen Gebieten oder auf Sportplätzen gefangen. Ländlich geprägte Räume sind hingegen unterrepräsentiert. Verzerrte Ergebnisse können auch dadurch entstehen, dass die Bürgerwissenschaftler*innen eher nach außergewöhnlichen Mücken suchen und solche auch vermehrt einsenden. Relevante Vorteile des Ansatzes sind, dass sehr viel stärker in der räumlichen Breite erfasst wird und auch Mücken auf Privatgelände gefangen werden, das von Forschenden nicht einfach zu erreichen wäre.

Zwar kann Citizen Science allein die deutsche Mückenpopulation nicht überwachen, der „Mückenatlas“ ist aber eine wichtige Ergänzung zur Überwachung mithilfe von spezialisierten Lockstofffallen.

Der Indikator bildet die Anzahl der postalischen Objekte ab. Das bedeutet, dass jede Einsendung zum Mückenatlas gleich gezählt wird, unabhängig davon, wie viele Mücken die Einsendung enthält. Die meisten Teilnehmenden schicken nur eine bis wenige Mücken pro Sendung. Es gibt aber auch Einsendungen, in denen die über ein ganzes Jahr – auch mit privaten Fallen – gesammelten Mücken auf einmal übermittelt werden.

Die Zeitreihe zu den Mücken-Einsendungen macht deutlich, dass die Bevölkerung für die Thematik und Problematik der Einschleppung und Ausbreitung von nichtheimischen Mücken bereits sensibilisiert ist. So ist der deutliche Sprung bei den Einsendungen im Jahr 2016 nach Einschätzung von Fachleuten im ZALF und FLI wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Zika-Epidemie in Südamerika in den Jahren 2015 und 2016 große Aufmerksamkeit auch in Europa erlangt hat. Vor allem im zeitlichen Zusammenhang mit den in 2016 in Brasilien abgehaltenen Olympischen Sommerspielen gab es intensive Presseaktivitäten zur Problematik, die offensichtlich dazu geführt haben, dass die Bevölkerung ein sehr offenes Auge für das Vorkommen potenziell gefährlicher Mücken auch in Deutschland hatte. Dies äußerte sich in einer außerordentlich hohen Anzahl von Einsendungen.

Das Zika-Virus war bis dahin in Europa nahezu unbekannt. Es wird vor allem von der Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) verbreitet, aber auch andere Arten der Gattung Aedes wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) können das Zika-Virus übertragen. Bei erwachsenen Infizierten löst das Zika-Virus häufig nur grippeähnliche Symptome aus. Doch bei Ungeborenen, deren schwangere Mütter infiziert waren, kann es schwere Schädigungen (Schädelfehlbildung) und Behinderungen nach sich ziehen kann. Nach Angaben der ⁠WHO⁠ gab es im Zeitraum Oktober 2015 bis Juli 2016 in Brasilien geschätzte 1,5 Mio. Zika-Fälle. Es gab europaweit Reisewarnungen für Schwangere.

Die Zeitreihe zu den Einsendungen zum Mückenatlas wird voraussichtlich auch in Zukunft durch solche und ähnliche Ereignisse entweder in Deutschland oder im globalen Maßstab beeinflusst sein. Der Indikator erfüllt aber trotzdem oder gerade deshalb seinen Zweck: Das Thema der Ausbreitung von Mücken und gefährlichen Erregern bedarf einer größeren Aufmerksamkeit, damit aktives Handeln möglich wird.

 

55 - Früh B., Koßmann M., Roos M. 2011: Frankfurt am Main im ⁠Klimawandel⁠. Eine Untersuchung zur städtischen Wärmebelastung. Berichte des Deutschen Wetterdienstes, Band 237. Dt. Wetterdienst. Offenbach am Main, 68 S. https://www.dwd.de/DE/leistungen/pbfb_verlag_berichte/pdf_einzelbaende/237_pdf.pdf.

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