Altfahrzeuge in Deutschland
Jährlich fallen in Deutschland rund eine halbe Million Pkw und leichte Nutzfahrzeuge als Altfahrzeuge an. Im Jahr 2010 waren es 500.193 Altfahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 516.128 Tonnen. In 2009 – dem Jahr der Abwrackprämie – gab es einmalig 1,78 Millionen Altfahrzeuge.
Recycling und Verwertung
Die Verwertung der Altfahrzeuge erfolgt in Deutschland meist zweistufig. Zuerst legen Fachkräfte das Fahrzeug in einem der rund 1.300 zertifizierten Demontagebetriebe trocken. Das heißt sie entfernen die Betriebsflüssigkeiten wie Motoröl und Kältemittel, demontieren schadstoffhaltige Bauteile wie die Starterbatterie, Ersatzteile und Wertstoffe wie Reifen und Katalysator. Die Restkarossen werden anschließend maschinell geschreddert. Hierbei entsteht Schredderschrott aus Eisen beziehungsweise Stahl sowie buntmetallhaltiger, schwerer Schredderschrott, der unter anderem Aluminium und Edelstahl enthält (sogenannte Schredderschwerfraktion). Dieser Schrott wird - teilweise nach einer weiteren Aufbereitung - an Metallhütten verkauft. Dort werden die Schrotte eingeschmolzen, um die Metalle wieder zu gewinnen. Insgesamt werden etwa 97 Prozent der im Altfahrzeug enthaltenen Metalle recycelt.
Daneben fallen Schredderrückstände zur Entsorgung an (so genannte Schredderleichtfraktion). Die Schredderleichtfraktion setzt sich aus Kunststoffen, Gummi, Glas, Restmetallen und weiteren Materialien zusammen und enthält Schadstoffe. Im Jahr 2010 fielen insgesamt 436.000 Tonnen dieser Schredderleichtfraktion an. Circa ein Drittel davon stammte aus der Verwertung von Restkarossen (138.500 Tonnen).
Verwertungsquoten für Altfahrzeuge
Die EG-Altfahrzeugrichtlinie schreibt folgende Verwertungsquoten vor: 80 Prozent für Wiederverwendung und Recycling beziehungsweise 85 Prozent für die Verwertung insgesamt. Ab 2015 steigen die Quoten auf 85 Prozent beziehungsweise 95 Prozent an. Datenbasis für die Bestimmung dieser Verwertungsquoten bilden die Abfallstatistiken. Die statistischen Landesämter und das Statistische Bundesamt erheben diese flächendeckend bei den Verwertungsbetrieben für Altfahrzeuge nach dem Umweltstatistikgesetz. Aus den aggregierten Daten ermittelt das Umweltbundesamt die nationalen Verwertungsquoten für Altfahrzeuge und bereitet den deutschen Bericht an die EU-Kommission vor.
Deutschland übertraf in den letzten Jahren stets die EU-weit vorgegebenen Verwertungsquoten. Im Jahr 2008 wurden 89,2 Prozent wiederverwendet beziehungsweise recycelt und insgesamt 92,9 Prozent verwertet. 2009 wurden wegen der Abwrackprämie mehr als dreimal so viele Fahrzeuge wie üblich bei den Demontagebetrieben abgegeben. Das waren mehr als im selben Jahr noch behandelt werden konnten. Daher sanken die Recycling- und die Verwertungsquote in Deutschland im Jahr 2009 auf 82,9 Prozent beziehungsweise 86,7 Prozent. Im folgenden Jahr stiegen sie aus dem gleichen Grund einmalig auf über 100 Prozent an. Im Jahr 2010 wurden durch den Lagerabbau aus der Abwrackprämie mehr Altfahrzeuge verwertet als anfielen. 95,5 Prozent des Gesamtgewichts wurden stofflich verwertet. Weitere 10,7 Prozent wurden energetisch verwertet.
Gesetzliche Grundlagen
Die ordnungsgemäße Behandlung von Altfahrzeugen vermeidet eine direkte Gefährdung der Umwelt und ermöglicht das Recyceln von Wertstoffen. Den rechtlichen Rahmen dafür setzt auf EU-Ebene die Altfahrzeugrichtlinie 2000/53/EG. Sie wurde 2002 in Deutschland durch die Altfahrzeugverordnung umgesetzt. Die Altfahrzeugverordnung gilt für Personenkraftwagen (Fahrzeugklasse M1), leichte Nutzfahrzeuge (N1) und dreirädrige Kraftfahrzeuge (ohne dreirädrige Krafträder).
Im Rahmen der Produktverantwortung verpflichtet die Verordnung die Fahrzeughersteller unter anderem zur kostenlosen Rücknahme der Altfahrzeuge über ein flächendeckendes Netz. Darüber hinaus begrenzt sie den Einsatz der Schwermetalle Quecksilber, Cadmium, Blei sowie sechswertigen Chroms in Fahrzeugen. Die Verordnung gibt Verwertungsquoten vor und stellt technische Anforderungen an die Altfahrzeugbehandlung. So darf die Demontage und Behandlung nur durch Betriebe erfolgen, die nach Altfahrzeugverordnung zertifiziert sind. Eine vollständige Liste aller anerkannten Betriebe veröffentlicht die Gemeinsame Stelle Altfahrzeuge.
Aktuelle Herausforderungen
Hochwertige Verwertung von Glas und Kunststoffen
Bei der Entsorgung der Schredderleichtfraktion bestehen noch Potenziale für eine bessere Wertstoffrückgewinnung. Ein besonderes Spannungsfeld besteht zwischen den beiden grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten von Altfahrzeugen: der manuellen Demontage von wertstoffhaltigen Bauteilen und Materialien sowie der Post-Schredder-Behandlung. Aus Umweltsicht steht hier die Frage der Hochwertigkeit der Verwertungsverfahren im Vordergrund. Diese Frage stellt sich insbesondere für die Materialströme Kunststoffe, Glas sowie die Wertstoffe der Schredderleichtfraktion. Kunststoffe und Glas können, wenn sie demontiert werden, grundsätzlich recycelt werden. Letztlich hängt dies vom notwendigen Aufwand für Demontage und Sortierung ab. Aufbereitungskapazitäten für Glas aus Altfahrzeugen und ausgebauten Kunststoffteilen bestehen. Die Altfahrzeugverordnung fordert den Ausbau von Glas zur stofflichen Verwertung. Ebenso vorgeschrieben ist der Ausbau von großen Kunststoffteilen, wenn nicht nach dem Schreddern eine Trennung der Materialien erfolgt, die eine stoffliche Verwertung ermöglicht.
Hochwertige Verwertung der Schredderleichtfraktion
Zur Aufbereitung und Verwertung der Schredderleichtfraktion sind mechanische Sortierverfahren oder die energetische Verwertung möglich. Die geschredderten Teile werden in Abfallverbrennungsanlagen eingesetzt. Auch im Deponiebau oder als Bergversatz (Füllmaterial zur Stabilisierung untertägiger Hohlräume) kommen sie zum Einsatz. Zum Januar 2006 wurden Altfahrzeug-Verwertungsquoten eingeführt. Seit dem 16. Juli 2009 gilt das Deponieverbot für heizwertreiche beziehungsweise behandelbare Materialien. Seit diesen gesetzlichen Anforderungen nimmt die Post-Schredder-Behandlung zur Verwertung der Schredderleichtfraktion zu.
Die mechanische Post-Schredder-Behandlung separiert drei Arten von Fraktionen: Restmetallgehalte für die Verwertung, mineralische Fraktionen (Feinkorn) mit geringem Organikgehalt, die beispielsweise im Bergversatz oder im Deponiebau verwertet werden können, und organikreiche Fraktionen. Derzeit gibt es sowohl betriebsinterne Post-Schredder-Behandlungen als auch zentrale Anlagen. Ein Beispiel für eine betriebsinterne Anlage betreibt die LSH Lübecker Schrotthandel GmbH. Sie errichtete mit Unterstützung des Umweltinnovationsprogramms eine Sortieranlage in Containerbauform. Diese gewinnt mit Sensortechnik den Großteil der wieder verwertbaren Metalle aus den anlageneigenen Schredderrückständen zurück. Gleichzeitig erhält sie eine nahezu metallfreie Schredderleichtfraktion. Die Scholz AG betreibt zum Beispiel eine großtechnische Post-Schredder-Anlage mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr für Shredderleichtfraktion und 120.000 Tonnen pro Jahr für Schredderschwerfraktion im sächsischen Espenhain. Ein weiteres Beispiel für Post-Schredder-Verfahren ist das so genannte VW-Sicon-Verfahren, das in Deutschland jedoch bisher nicht zum Einsatz kommt.
Recycling von Fahrzeugelektronik
Ein klares Zukunftsthema ist die Separation und das Recycling von Fahrzeugelektronik. Moderne Autos enthalten immer mehr solcher Bauteile. Elektrische Fensterheber, verstellbare Sitze – für all diese Funktionen werden kleine Elektromotoren benötigt. Diese sind im ganzen Fahrzeug verteilt. Darüber hinaus werden in den Fahrzeugen mehr Steuergeräte eingesetzt. Während der VW Golf 2 (1983-1992) noch fünf elektronikhaltige Steuergeräte enthielt, waren es im Golf 5 (2003-2008) bereits 28 Stück.
Verwertung von Elektrofahrzeugen
Ebenfalls mittelfristig an Bedeutung zunehmen wird die Verwertung von Elektrofahrzeugen. Die Produktion von Elektrofahrzeugen erfordert eine Reihe von Bauteilen und Rohstoffen, die bisher nicht in diesem Umfang für den Fahrzeugbau erforderlich waren. Dies betrifft beispielsweise Elektromotoren, zusätzliche Leistungselektronik und große Traktionsbatterien, die bei reinen Elektrofahrzeugen über 200 Kilogramm wiegen können. Für diese Bauteile werden zu einem großen Teil Rohstoffe benötigt, deren kurz-, mittel- oder langfristige Verfügbarkeit unsicher ist. Dies betrifft sogenannte kritische Rohstoffe, wie zum Beispiel Seltene Erden, Gallium, Kobalt und Lithium. Bisher ist für die meisten dieser kritischen Metalle und auch für neue Leichtbaumaterialien wie kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) noch kein ausreichendes Recycling etabliert. Die Demontage und Verwertung der Lithium-Ionen-Batterien stellt außerdem wegen des hochreaktiven Lithiums eine Herausforderung dar.
Daher fördert die Bundesregierung schon jetzt Forschungs- und Entwicklungsprojekte für die zukünftig benötigten Recyclingtechniken, beispielsweise in den Bereichen Elektromotoren, Lithium-Ionen-Batterien und CFK.
Export von Alt- und Gebrauchtfahrzeugen
Jedes Jahr wird über eine Million Gebrauchtwagen aus Deutschland exportiert. Der überwiegende Teil dieser Fahrzeuge geht in Länder der EU. Die wichtigsten Zielländer außerhalb der EU sind Westafrika und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Ein Teil der Fahrzeuge ist noch gut erhalten, ein Teil jedoch in eher schlechtem Zustand. Die Abgrenzung zu Altfahrzeugen ist oft fließend und teilweise schwierig vorzunehmen. Um sie zu erleichtern, haben die Mitgliedstaaten der EU die Anlaufstellen-Leitlinien Nummer neun zur Verbringung von Altfahrzeugen vereinbart. Diese sind nicht rechtsverbindlich, stellen aber eine wichtige Handlungshilfe für die Vollzugsbehörden dar. Diese kontrollieren den Export von Gebraucht- und Altfahrzeugen und möchten unterbinden, dass Altfahrzeuge – als Gebrauchtwagen getarnt – in andere Länder (vor allem außerhalb der EU) exportiert und dort dann unsachgemäß entsorgt werden. Denn bei nicht fachgerechter Demontage und Verschrottung bestehen Gefahren für die Gesundheit und die Umwelt. Darüber hinaus gehen dabei wertvolle Rohstoffe verloren.
Der Export von Gebrauchtwagen ist dagegen grundsätzlich sinnvoll. Die Fahrzeuge werden weiter genutzt. Dadurch werden Energie und Rohstoffe eingespart, die sonst für die Herstellung eines neuen Fahrzeuges verbraucht worden wären. Auch machen preisgünstige Fahrzeuge die Bevölkerung mobiler und stellen für viele Länder einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar.