Der Abbau von mineralischen Rohstoffen am Tiefseeboden ist seit etwa fünf Jahren wieder stärker in den Fokus gerückt. Das liegt vor allem an der verstärkten Erprobung von Abbautechniken vor Ort und auch dem wachsenden Bedarf an mineralischen Rohstoffen, unter anderem für die klimapolitisch notwendige Energiewende.
Die wichtigsten Rohstofftypen sind Manganknollen (polymetallische Knollen), kobaltreiche Eisen- und Mangankrusten sowie Massivsulfide und Erzschlämme. Die im Fokus stehenden Rohstoffvorkommen befinden sich in 2.000 bis 6.000 m Tiefe, an den Hängen von Seebergen, auf Mittelozeanischen Rücken, am Tiefseeboden sowie am Boden des Roten Meeres.
Die Ökosysteme am Tiefseeboden mit ihren an die extremen Lebensbedingungen angepassten Arten sind sehr empfindlich. Eingriffe sind kaum reversibel, die Folgen, z.B. beim Abbau der Manganknollen, wären noch nach vielen Tausend Jahren zu beobachten. Das Wissen über die Ökologie der Tiefsee ist äußerst begrenzt. Die Lebensräume mit ihren Artengemeinschaften sind oftmals einzigartig. Bergbauliche Vorhaben könnten die seltenen Arten und Habitate unwiederbringlich zerstören.
Das Internationale Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (im Folgenden SRÜ) von 1982 erklärt den Tiefseeboden außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete sowie die mineralischen Ressourcen zum „Gemeinsamen Erbe der Menschheit“. Dieses Prinzip verbietet vor allem, dass Staaten Hoheitsrechte am Tiefseeboden erheben. Das SRÜ hat die internationale Meeresbehörde (IMB) eingerichtet, die für die Erkundung und den Abbau der mineralischen Ressourcen Regeln aufstellen und kontrollieren soll. Nach dem SRÜ müssen ferner negative Effekte auf die Meeresumwelt vermieden werden. Schließlich müssen Erlöse und weitere Vorteile aus bergbaulichen Vorhaben gerecht mit anderen Staaten geteilt werden („Vorteilsausgleich“).
Vor dem Hintergrund der ökonomischen, ökologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen soll die Internationale Meeresbodenbehörde angemessene Regelungen für die Erkundung und den Abbau von mineralischen Rohstoffen erarbeiten („Mining Codes“) und auf dieser Grundlage Erkundungs- und Abbauvorhaben kontrollieren. Regelwerke für die Erkundung liegen bereits vor, das Regelwerk für Abbauvorhaben von Manganknollen wird seit 2017 diskutiert und verhandelt.
Seit März 2020 ruht dieser Prozess weitgehend wegen der Covid-19 Pandemie.
Im Frühjahr 2021 haben einige große Unternehmen, wie BMW, Volvo, Samsung und Google den „Call for a Moratorium“ veröffentlicht, dass sie für ihre Produktion auf Metalle aus der Tiefsee verzichten wollen. Einige Monate später haben sehr viele Wissenschaftler:innen einen internationalen Aufruf „to pause deep seabad mining“ unterzeichnet. Sowohl die Unternehmen als auch die Forscher*innen begründen ihre Aufruf mit den Wissenslücken und den möglichen irreversiblen Umweltschäden.
Stand der Erkundung und des Abbaus
Im Grundsatz ist für Erkundungs- und Abbauvorhaben eine Genehmigung durch die Internationalen Meeresbehörde (IMB) erforderlich. Auf der Grundlage dieser Genehmigung werden zwischen der IMB und dem Vorhabenträger („Contractor“) jeweils Verträge geschlossen.
Seit 2001 hat die IMB insgesamt 31 Erkundungsverträge mit einer Laufzeit von je 15 Jahren geschlossen. 19 Verträge betreffen die Erkundung von Manganknollen in Gebieten mit jeweils 75.000 Quadratkilometern Fläche, davon 17 im tropischen Nordost-Pazifik und je einer im Indischen Ozean und im Nordwest-Pazifik. Sieben Verträge ermöglichen die Erkundung von Massivsulfiden an Hydrothermalquellen auf Mittelozeanischen Rücken im Atlantik und im Indischen Ozean in Teilgebieten mit insgesamt 10.000 Quadratkilometern Fläche pro Vorhabensträger. Die übrigen fünf Verträge betreffen die Erkundung von polymetallischen Krusten an Seebergen im Nordwest Pazifik in jeweils insgesamt 3.000 Quadratkilometer umfassenden Gebieten.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat seit 2006 einen Vertrag zur Erkundung von Manganknollen im östlichen Pazifik und seit 2015 einen Vertrag zur Erkundung von Massivsulfiden im südwestlichen Indischen Ozean. Der Vertrag verpflichtet die BGR u.a. zu umfangreichen Umweltuntersuchungen.
Unterscheiden lassen sich staatliche und private Vorhabenträger. Staatliche Vorhabenträger sind etwa das Institut Francaise de Recherche pour l'Exploitation de la Mer, IFREMER (Frankreich), die BGR sowie die Regierungen Südkoreas und Indiens. Als private Vorhabenträger sind zu nennen: Global Sea Mineral Resources (GSR; mit Sitz in Belgien), Seabed Resources, UK (zusammen mit Lockheed Martin, USA), the metals company (mit Sitz in Kanada; vormals deepgreen).
Abbauvorhaben hat die IMB noch nicht genehmigt, da die rechtlichen Grundlagen fehlen. Einige private Vorhabenträger, wie zum Beispiel Global Sea Mineral Resources, the metals company und UK Seabed Resources Ltd. gehen davon aus, dass erste Abbauvorhaben infünf bis zehn Jahren durchgeführt werden.
Wirtschaftliche und technologische Aspekte
Die Gewinnung von Manganknollen, Mangankrusten und Massivsulfiden am Tiefseeboden könnte wirtschaftlich interessant werden, weil sie im Vergleich zu den derzeit genutzten Landlagerstätten hohe Gehalte an Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink aufweisen.
Die Rentabilität von bergbaulichen Vorhaben am Tiefseeboden hängt von vielen Faktoren, unter anderem von der Preisentwicklung dieser Mineralien und konkurrierenden Förderoptionen an Land ab. Insgesamt ist mit steigenden Preisen zu rechnen, weil der Bedarf – wegen der zunehmenden Digitalisierung und der Energiewende – zunehmen dürfte.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass die landseitigen Vorräte noch sehr lange reichen werden, weil sich auch dort die Abbautechniken fortentwickeln werden. Außerdem könnte auch eine intensivierte Wiederverwendung jedenfalls zum Teil die Entnahme weiterer Mineralien ersetzen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass bergbauliche Aktivitäten am Tiefseeboden dazu führen können, dass dadurch andere potenziell ökonomisch ebenfalls interessante Nutzungen, z.B. die Nutzung von genetischen Ressourcen für die Entwicklung von Arzneimitteln, ausgeschlossen werden. Der Vergleich der Nutzungsoptionen unter Berücksichtigung der Nicht-Nutzung (Null-Alternative) erfordert eine gesamtökonomische Betrachtung der Folgen für den Erhalt des Naturkapitals und die Einbeziehung der ökologischen und ökonomischen Kosten.
Von einigen Rechtswissenschaftlern wird vorgetragen, dass der große Vorteil des Tiefseebergbaus ist, dass er nur mit einer Genehmigung der IMB möglich ist, während es in einzelnen Ländern bei bergbaulichen Vorhaben zu gravierenden Verletzungen von Menschenrechten und dramatischen Umweltverschmutzungen kommt, weil eben die Kontrollmechanismen fehlen. Dieser Hinweis ist nur scheinbar richtig. Denn die Annahme, landseitiger Bergbau würde nicht mehr benötigt, wenn es genügend Tiefseebergbau gibt, ist nicht zutreffend. Der Bergbau an Land wird, die Rentabilität vorausgesetzt, in jedem Fall fortgeführt werden. Denn es sind sehr viele unterschiedliche Unternehmen mit eigenen ökonomischen Interessen involviert.
Techniken für einen kommerziellen Abbau der drei Rohstoffkategorien sind noch nicht entwickelt. Es sind verschiedene technische Abbaukonzepte in der Diskussion und in der Vorbereitung. Einzelne Komponenten dieser Abbautechniken werden seit Mitte der 2010er Jahre in Feldversuchen getestet. Zu nennen ist der Versuch Japans, die nationale Rohstoffversorgung durch Tiefseebergbau in nationalen Gewässern unabhängiger zu machen. Unternehmen wie Global Sea Mineral Resources sind dabei, erste Kollektor-Vor-Prototypen zu testen. Wann eine ausgereifte Technik zur Verfügung stehen wird, kann derzeit nicht sicher prognostiziert werden.
Risiken für die Umwelt
Erkundungsvorhaben haben in aller Regel nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt, da eben nur untersucht wird, ob Bergbau in einem bestimmten Gebiet technisch durchführbar ist und ökonomisch sinnvoll betrieben werden kann. Kommerzielle Abbauvorhaben bedürfen hingegen oft enormer Flächen. Ferner haben die Verträge in der Regel eine Laufzeit von 30 Jahren. Mit solchen Vorhaben würde erstmalig großflächig in Ökosysteme eingegriffen, die bislang weitgehend unberührt sind.
Im Wesentlichen lassen sich drei Formen von Umweltbeeinträchtigungen unterscheiden:
- kann die Entnahme der mineralischen Rohstoffe nachteilige Wirkungen auf die Biodiversität haben, da z.B. die Manganknollen selbst die Grundlage einzigartiger Lebensräume sind.
- wird durch den Abbau Sediment aufgewirbelt und verteilt, dass zu einer Trübung des ansonsten kristallklaren Wassers führt und nach dem Absinken Bodenlebewesen bedecken kann. Auch wird die Nahrungsaufnahme der hochsensiblen Lebewesen am Tiefseeboden und in der Wassersäule beeinträchtigt.
- wird nach einer Erstbearbeitung der gewonnenen Erze das veruneinigte Produktionswasser wieder in die Meere eingeleitet und kann in der Wassersäule zu Verschmutzung und Schädigungen führen. Weitere mögliche nachteilige Effekte können durch Lärm- und Lichtemissionen verursacht werden.
Kommerzieller Tiefseebergbau wird mit großer Wahrscheinlichkeit zu Artensterben führen. Die Publikationen von Holly J. Niner et al. (2018) und Van Dover et al. (2017) sind verlinkt.
Zu berücksichtigen ist, dass der Kenntnisstand über die Ökosysteme der Tiefsee sehr gering ist und dass die dort lebenden Arten sehr empfindlich sind, da u.a. alle Lebensprozesse in der Tiefsee sehr langsam ablaufen. Um schwerwiegende Folgen von Tiefseebergbau für die Umwelt zu vermeiden oder mindestens zu begrenzen, sind möglichst konkrete technische Anforderungen und Umweltqualitätsnormen (Umweltstandards) erforderlich. Umweltstandards sollten möglichst quantifiziert werden, damit sie überprüft werden können. Die IMB bereitet derzeit solche Umweltstandards vor.
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Völkerrechtlicher Rahmen: Teil XI Seerechtsübereinkommen
Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ von 1982 in Verbindung mit dem Durchführungsübereinkommen zum XI. Teil des SRÜ von 1994 bildet die völkerrechtliche Grundlage zur Steuerung des Tiefseebergbaus. Teil XI des SRÜ gilt nur für das Gebiet („the Area“), also den Tiefseeboden jenseits der Küstenmeere und der Ausschließlichen Wirtschaftszonen.
Das „Gebiet“ einschließlich der mineralischen Rohstoffe wird in Teil XI des SRÜ zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt. Die Kontrolle und das Management unterstehen der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB). Nach dem Prinzip „Gemeinsames Erbe der Menschheit“ dürfen sich Staaten das Gebiet oder Teile davon nicht als Hoheitsgebiet aneignen. Das SRÜ fordert, negative Effekte auf die Meeresumwelt zu vermeiden. Schließlich müssen Erlöse aus bergbaulichen Vorhaben gerecht mit anderen Staaten geteilt werden („Vorteilsausgleich“).
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Die internationale Meeresbehörde (IMB): Organe, Entscheidungsabläufe und Arbeitsweise
Durch das SRÜ wurde die internationale Meeresbodenbehörde (IMB) (engl.: International Seabed Authority – ISA) eingerichtet. Das Prinzip „Gemeinsames Erbe der Menschheit“ verlangt eine internationale Verwaltung der bergbaulichen Vorhaben am Tiefseeboden. Die IMB hat fünf Organe: die Versammlung, den Rat, das IMB Sekretariat sowie die „Legal and Technical Commission“ (hiernach LTC) und das „Finance Committee“ (FC). Die Versammlung, in der alle Vertragsstaaten vertreten sind, ist das oberste Organ der IMB. Der Rat ist das ausführende Organ der IMB. Im Rat sind 36 Vertragsstaaten vertreten, die nach regionalen sowie wirtschaftlichen Aspekten ausgewählt werden. LTC und FC sind im Wesentlichen Beratungsgremien des Rates, allerdings mit viel Einfluss. Dem IMB Sekretariat mit dem derzeitigen Generalsekretär Michael Lodge an der Spitze obliegt vor allem das interne Management der IMB.
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Vorteilsausgleich („Benefit Sharing“)
Aus dem Prinzip „Gemeinsames Erbe der Menschheit“ folgt auch, dass erlangte finanzielle und sonstige wirtschaftliche Vorteile gerecht geteilt werden sollen. Der Vorteilsausgleich soll verhindern, dass nur die technologischen Vorreiter von der Nutzung profitieren. Die Vorteile, die sich aus der Nutzung der am Meeresboden befindlichen mineralischen Ressourcen ergeben, sollen allen zu Gute kommen – so der Grundgedanke des „Gemeinsamen Erbes“. Dies ist offenkundig vor allem im Interesse der weniger entwickelten Staaten. Viele Details sind noch ungeklärt, weil die Wirtschaftlichkeit von Vorhaben bei zu hoher Abgabelast ggf. in Frage stehen könnte. Seit einigen Jahren verhandelt eine „Open ended working group“ bei der IMB über die konkrete Ausgestaltung des „payment mechanism“ und des Verteilungssystems.
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Der „Mining Code“ der IMB
Der Mining Code der IMB enthält das Regelwerk für alle bergbaulichen Vorhaben am Tiefseeboden, von der Prospektion über die Gebietserkundung bis hin zum eigentlichen Rohstoffabbau. Für die Erarbeitung und für die Verabschiedung des Mining Code ist die IMB zuständig. Während die IMB für die Prospektion und Erkundung entsprechende Vorschriften verabschiedet hat, werden die rechtlichen Vorgaben für Abbauvorhaben derzeit diskutiert und verhandelt.
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Regionale Umweltmanagementpläne
Die IMB hat sich verpflichtet, für alle Regionen des „Gebiets“, in denen bergbauliche Vorhaben von der Erkundung bis zum Abbau durchgeführt werden oder geplant sind, sogenannte regionale Umweltmanagementpläne („Regional Environmental Management Plan“ = REMP) aufzustellen. Diese Pläne sind der Genehmigung einzelner Vorhaben vorgelagert und sollen bei den Entscheidungen über konkrete Vorhaben zumindest berücksichtigt werden. Ob sie zwingend einzuhalten sein sollten, ist streitig. Zweck dieser Pläne ist es, die bergbauliche Nutzung mit Umweltschutzbelangen in Übereinstimmung zu bringen, Wissenslücken zu schließen, kumulative Effekte zu identifizieren und zu lösen sowie Konkurrenzen mit anderen legitimen Nutzungen (z.B. Fischerei, Kabelverlegung) zu adressieren. 2012 wurde ein solcher Plan für die Clarion Clipperton Zone beschlossen. Weitere sind in Vorbereitung. Verhandelt wird auch eine Standardisierung der Erstellung sowie der Inhalte solcher REMP. Deutschland, die Niederlande und Costa Rica hatten dazu im Februar 2020 entsprechende Eingaben gemacht.
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