Im Gegensatz zur Dossierbewertung, mit der die Europäische Chemikalienagentur ECHA die Vollständigkeit der Registrierungsdossiers überprüft, ist die Stoffbewertung (Substance Evaluation) Aufgabe der Mitgliedstaaten. Bei der Stoffbewertung gibt es immer einen Anfangsverdacht für einen Stoff. Ihr Ziel ist es zu klären, ob die Herstellung oder Verwendungen dieses Stoffes tatsächlich zu einem Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt führt. Dafür überprüfen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates alle Registrierungen und Stoffsicherheitsbewertungen, die von den verantwortlichen Unternehmen für den verdächtigen Stoff eingereicht wurden. Auch zusätzliche Informationen, die nicht von den Unternehmen eingereicht wurden, werden berücksichtigt. Die Behörden entscheiden anschließend, ob zur Bewertung der Risiken weitere Informationen erforderlich sind, ob die von den Unternehmen beschriebenen Risikomanagementmaßnahmen angemessen sind und ob weitere Regulierungsmaßnahmen zum Schutz von Umwelt oder Gesundheit notwendig sind.
In Deutschland teilen sich diese Aufgabe drei Bundesoberbehörden, wobei die Koordinierung der Bundesstelle für Chemikalien bei der BAuA obliegt:
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Schutz am Arbeitsplatz
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Gesundheitsschutz
- Umweltbundesamt (UBA): Umweltschutz
In dem gemeinsamen Aktionsplan zur Stoffbewertung (Community Rolling Action Plan, CoRAP) legen die ECHA und die EU-Mitgliedstaaten jährlich zu Frühjahrsbeginn fest, welche Stoffe welche Behörden der Mitgliedstaaten in den nächsten drei Jahren bewerten werden und was jeweils der Anfangsverdacht ist. Mit der Veröffentlichung des CoRAP erhalten die registrierungspflichtigen Unternehmen die Gelegenheit, mit den Bewertungsbehörden in Dialog zu treten und den Besorgnisgründen nachzugehen, z.B. durch ergänzende Studien oder Maßnahmen zur Minimierung der Umweltemissionen. Lässt sich die Besorgnis nicht entkräften, ist die gesetzliche Regulierung der letzte Schritt auf dem Weg zur Minderung der Risiken für Mensch und Umwelt.
Zur Aufstellung des gemeinsamen Aktionsplans nominiert das UBA Stoffe, für die Hinweise auf persistente, bioakkumulierende und toxische Eigenschaften (PBT-Stoffe), hormonähnliche Wirkungen (endokrine Disruptoren) oder andere Umweltrisiken vorliegen.
Für die Stoffbewertung haben die Behörden ein Jahr Zeit. Dann ist der ECHA ein Entscheidungsentwurf vorzulegen, der beurteilt, ob der Anfangsverdacht weiterhin besteht. Mit dem Entscheidungsentwurf kann der Mitgliedstaat auch die Notwendigkeit einer Regulierung oder weitergehende Prüfungen (über die Standarddatenanforderungen hinaus) begründen. Bestätigt die Stoffbewertung die Risiken, sind weitergehende Maßnahmen zur Minderung erforderlich. Wenn sich beispielsweise zeigt, dass die Kriterien als besonders besorgniserregender Stoff (Substance of very high concern, SVHC) der REACH-Verordnung erfüllt sind, schlägt das UBA eine Aufnahme in die Kandidatenliste vor, die in eine Zulassungspflicht münden kann. Eine weitere Option kann zum Beispiel der Vorschlag für eine Beschränkung sein.
Die ECHA veröffentlicht auf ihrer Homepage ein Factsheet zur Stoffbewertung, Tipps für Registranden und nachgeschaltete Anwender sowie den CoRAP. Das PACT (Public Activities Coordination Tool) gibt jederzeit einen Überblick über alle REACH- und CLP-Aktivitäten der Behörden für einen bestimmten Stoff.