WW-I-10: Wassertemperatur von Fließgewässern

Das Bild zeigt ein flaches, langsam fließendes Gewässer bei sonnigem Wetter und wolkenlosem Himmel. Durch das klare, rotbräunlich schimmernde Wasser des Flusses ist das steinige Gewässerbett zu sehen, einige Steine ragen im Vordergrund über die Wasseroberfläche hinaus. Die Ufer sind von Mischwäldern gesäumt.zum Vergrößern anklicken
Die Wassertemperaturen der Flüsse steigen, mit Folgen für die Gewässerökologie.
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Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

WW-I-10: Wassertemperatur von Fließgewässern

Die Wassertemperaturen der Fließgewässer stiegen in allen ⁠Fischregionen⁠ in den zurückliegenden Dekaden signifikant an. Lediglich in der Äschenregion ergibt sich bisher noch kein signifikanter Trend. Diese Zeitreihe ist allerdings zu kurz, um Aussagen über langzeitige Trends treffen zu können. Bei den extrem hohen Temperaturen im Jahr 2018 und dem damit verbundenen Sauerstoffmangel starben Fische in vielen deutschen Gewässern, unter anderem am Hochrhein.

 WW-I-10 "Wassertemperatur von Fließgewässern" zeigt die jährlichen Abweichungen der Wassertemperaturen in verschiedenen Fischregionen im Sommer, indexiert auf 2017. Alle Regionen zeigen einen signifikanten Anstieg der Temperaturen, außer der Äschenregion. Besonders auffällig ist das Jahr 2018, das von extrem hohen Temperaturen geprägt war.
WW-I-10: Wassertemperatur von Fließgewässern
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Flüsse werden wärmer

Wie in den Seen führt auch bei den Fließgewässern eine Erhöhung der Lufttemperatur zu erhöhten Wassertemperaturen. Es spielen zwar auch direkte anthropogene Beeinflussungen wie Einleitungen von Kühl- und Abwasser, die Beseitigung von Ufergehölzen sowie die zunehmende Verstädterung eine Rolle, aber gezielte Untersuchungen am Rhein haben deutlich gemacht, dass sich die Wassertemperatur trotz einer Reduzierung der Wärmeeinleitungen erhöht64. Erhöhungen der Wassertemperatur stehen auch im Zusammenhang mit der Wasserführung der Gewässer. Bei Niedrigwasser (siehe ⁠IndikatorWW-I-6) ist das Risiko einer übermäßigen Erwärmung aufgrund des verminderten Wasservolumens zusätzlich erhöht.

Die Gewässertemperatur steuert und synchronisiert viele Lebensvorgänge im Gewässer und ist daher von besonderer Bedeutung für dessen ökologische Funktionen. Sie bestimmt unmittelbar die Lebensbedingungen von Gewässerorganismen, die zu einem erheblichen Teil wechselwarm sind. Außerdem steht die Gewässertemperatur in einem komplexen Wirkgefüge mit der Gewässerchemie. Unter anderem verschlechtert die bei steigender Temperatur sinkende Sauerstofflöslichkeit im Wasser die Atmungsbedingungen.

In ihrem Verlauf werden die Fließgewässer in verschiedene Zonen eingeteilt, die sich nach dem Vorkommen charakteristischer Fischarten unterscheiden. Man spricht daher auch von ⁠Fischregionen⁠. Die in der Regel kühle Forellenregion befindet sich am Oberlauf, wo zumeist eine sehr starke Strömung herrscht und das Wasser über Kies und größere Steine umgewälzt und mit Sauerstoff angereichert wird. Es folgen dann im weiteren Verlauf die Äschenregion mit ähnlichen Verhältnissen, aber einem schon intensiveren Pflanzenbewuchs, und die Cyprinidengeprägte Region. In der Barbenregion ist das Fließgewässer dann schon breiter und die Strömung ist schwächer. Die Brachsenregion am Unterlauf ist die artenreichste Fischregion, die sich auch durch einen üppigen Pflanzenbewuchs auszeichnet. Die Kaulbarsch-Flunder-Region zählt bereits zum Brackwasserbereich und ist die letzte Fischregion. Durch ihre Lage im Mündungsdelta zum Meer liegt sie bereits im Einflussbereich von Ebbe und Flut.

Vergleichbar den unterschiedlichen Seentypen sind Mittelungen über alle Fließgewässer und Fischregionen hinweg nicht sinnvoll. Daher stellt der Indikator die Auswertungen für die einzelnen Fischregionen separat dar.

Dem Indikator liegen Temperaturmessdaten von 43 ⁠Gewässergüte⁠- und 34 Pegelmessstellen zugrunde, die sich deutschlandweit über die Fischregionen verteilen. Wichtige Kriterien bei der Messstellenauswahl waren möglichst lange, lückenlose und auf täglichen Erhebungen basierende Zeitreihen. Zudem wurden Messstellen im direkten Einflussbereich von Stauanlagen sowie von anthropogenen Wärmeeinleitungen, beispielsweise von Kühlwasser, Prozesswasser und Abwasser, ausgeschlossen.

Wie bei den Indikatoren zum Wasserstand von Seen (siehe Indikator WW-I-7) und zur Wassertemperatur von Seen (siehe Indikator WW-I-8) wird auch dieser Indikator in Form indexierter Werte dargestellt. Eine Mittelung absoluter Temperaturwerte ist nicht sinnvoll, da die einzelnen Messstellen auch innerhalb der Fischregionen in Abhängigkeit von den gewässermorphologischen, naturräumlichen und klimatischen Voraussetzungen unterschiedliche Temperaturniveaus anzeigen. Bei der Indexierung werden für jede Messstelle die Abweichungen vom Indexjahr 2017, dessen Temperaturwert auf „0“ gesetzt wird, ermittelt. Die Werte dieser Abweichungen werden dann über alle Messstellen der jeweiligen Fischregion gemittelt. Das Jahr 2017 ist das am weitesten zurückliegende Jahr, für das von allen berücksichtigten Messstellen Daten zur Verfügung stehen.

In allen Fischregionen steigen die Wassertemperaturen statistisch signifikant an. Lediglich in der Äschenregion gibt es derzeit noch keinen klaren Trend. Dies ist aber vermutlich in der bisher nur kurzen Zeitreihe begründet.

Die relativ niedrigen Werte in den Jahren 2010 und 1996 lassen sich auf die vergleichsweise kühle ⁠Witterung⁠ zurückführen. So lag die Jahresmitteltemperatur in 2010 mit 7,8 °C deutlich unter der im Jahr 2011 mit 9,6 °C. Das Jahr 1996 war mit 7,2 °C Jahresmitteltemperatur das kälteste in der Dekade 1991–2000. Für die hohen Werte in den Jahren 2018 und 2019 spielte neben den hohen Sommertemperaturen auch Niedrigwasser eine Rolle.

Der Indikator erlaubt in seiner aktuellen Konstruktion noch keine Aussagen zur Überschreitung kritischer (beispielsweise fischverträglicher) Temperaturen. Die Oberflächengewässerverordnung hat – differenziert für die Fischregionen – Orientierungswerte für maximale Fließgewässertemperaturen zur Erreichung eines guten und sehr guten ökologischen Zustands erlassen. Zur Einhaltung des sehr guten ökologischen Zustands gelten in der Forellen- und Äschenregion 18 °C als sommerliche Maximaltemperatur, in der Cyprinidengeprägten Region und Barbenregion 20 °C, in der Brachsen- und Kaulbarsch-Flunder-Region 25 °C. Im Jahr 2018 wurden diese kritischen Temperaturen vielerorts überschritten. So hatte sich der Rhein im August 2018 stellenweise auf 28 °C aufgeheizt. In vielen deutschen Gewässern wie etwa am Hochrhein starben Fische infolge von Sauerstoffmangel. Beim massiven Fischsterben in der Oder von Ende Juli bis August 2022 haben neben der plötzlich angestiegenen Salzkonzentration die Sonneneinstrahlung und die hohen Temperaturen zu dem rasanten Wachstum der giftigen Brackwasseralge Prymnesium parvum beigetragen. Das Beispiel macht deutlich, zu welchen fatalen Kettenreaktionen es in Ökosystemen kommen kann.

Besonders kritisch ist die Situation bei Erhöhung der Wassertemperatur in Gewässern, wenn diese zusätzlich deutlich ⁠anthropogen⁠ beeinflusst sind und wenn ihnen Strukturen und Schatten fehlen. In natürlichen oder naturnahen Gewässern können Fische tiefere und schattige Gewässerabschnitte aufsuchen. Zudem wird in Gewässer mit natürlicher Fließgewässerdynamik durch Strömungen und Turbulenzen mehr Sauerstoff eingetragen. Bei hohen Nähr- und Schadstoffkonzentrationen können sich wärmeliebende, potenziell toxische Algen vermehren, die die Gewässerorganismen beeinträchtigen können.

 

64 - IKSR – Internationale Kommission zum Schutz des Rheins 2014: Abschätzungen der Folgen des Klimawandels auf die Entwicklung zukünftiger Rheinwassertemperaturen auf Basis von Klimaszenarien – Kurzbericht. IKSR Bericht Nr. 213, 6 S.
https://www.iksr.org/fileadmin/user_upload/DKDM/Dokumente/Fachberichte/DE/rp_De_0213.pdf.

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