Autoklimaanlagen mit fluorierten Kältemitteln

Ein Metallrohr ist U-förmig vor einer Wand gebogen. Auf der rechten Seite lodert eine große Flamme das ganze Rohr entlang.zum Vergrößern anklicken
Brennendes 1234yf im Laborversuch

Brennendes 1234yf im Laborversuch: Freisetzung von 46 Gramm 1234yf in 70 Sekunden mit Bildung von Fluorwasserstoff (HF) in Konzentrationen über 90 ppmV

Quelle: Umweltbundesamt

Seit Januar 2011 verbietet eine EU-Richtlinie fluorierte Treibhausgase mit einem Treibhauspotenzial über 150 in neuen Autoklimaanlagen. Daher muss das bisherige Kältemittel Tetrafluorethan (R134a) ersetzt werden. Tests in Labor und Auto zeigen, dass das von der Autoindustrie als Alternative ausgewählte fluorierte Kältemittel Tetrafluorpropen (1234yf) beim Austritt zum Brand führen kann.

Inhaltsverzeichnis

 

Autoklimaanlagen mit fluoriertem Kältemittel

Bis 2017 wurde in Fahrzeugklimaanlagen als Kältemittel hauptsächlich das fluorierte ⁠Treibhausgas⁠ Tetrafluorethan (R134a) eingesetzt. Noch im Jahr 2020 wurden allein in Deutschland etwa 1800 Tonnen des Kältemittels R134a aus Pkw-Klimaanlagen in die ⁠Atmosphäre⁠ freigesetzt. Dies sind Treibhausgasemissionen in Höhe von 2,6 Millionen Tonnen CO2, das entspricht zum Beispiel dem jährlichen CO2-Ausstoß von 1,2 Millionen Pkw.

Die Richtlinie 2006/40/EG über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen verbietet bereits seit 1. Januar 2011 Kältemittel mit einem Treibhauspotential über 150, das heißt auch R134a, in Klimaanlagen neuer Typen von Pkw und Pkw-ähnlichen Nutzfahrzeugen. Seit Januar 2017 gilt das Verbot für die Klimaanlagen aller neuen Fahrzeuge dieser Klassen. Weitere Informationen zur EG-Richtlinie 2006/40 und darauf bezogene Regelungen und Dokumente finden sie unter diesem Link.

Als mögliche alternative Kältemittel wurden ⁠Kohlendioxid (CO2)⁠ und ein fluorierter ⁠Stoff⁠, 2,3,3,3-Tetrafluorpropen (1234yf), von der Automobilindustrie betrachtet. Im Jahr 2020 wurden bereits über 800 Tonnen 1234yf aus Pkw-Klimaanlagen freigesetzt. Diskutiert werden auch einfache Kohlenwasserstoffe wie Propan. Das Umweltbundesamt (⁠UBA⁠) empfiehlt fluorfreie Kältemittel und hat  CO2 als Kältemittel für Automobilklimaanlagen intensiver untersucht.

Brennbarer fluorierter Ersatzstoff 1234yf

Ersatzstoff für das bisherige Kältemittel R134a ist hauptsächlich das relativ neue brennbare, fluorierte Kältemittel 1234yf. Beim Einsatz des Kältemittels sind seine spezifischen Stoffeigenschaften zu beachten: R1234yf ist brennbar. Im Brandfall und an heißen Oberflächen bildet 1234yf giftige Stoffe wie Fluorwasserstoff und Carbonylfluorid.

1234yf hat ein kleineres Treibhauspotenzial als das alte Kältemittel R134a, liegt aber noch über dem von CO2. Durch die Verwendung des Kältemittels 1234yf in Pkw-Klimaanlagen sinken zwar die treibhausgaswirksamen Emissionen, die Masse des freigesetzten Kältemittels sinkt jedoch nicht. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland bereits über 100 Tonnen 1234yf aus Pkw-Klimaanlagen emittiert. Wenn in einigen Jahren die Umstellung auf 1234yf erfolgt ist, wird die jährliche ⁠Emission⁠ auf mehrere Tausend Tonnen 1234yf steigen.

In der ⁠Atmosphäre⁠ zerfällt 1234yf in wenigen Tagen vollständig zur wassergefährdenden, persistenten Trifluoressigsäure (TFA), diese gelangt mit den Niederschlägen in den Boden und die Gewässer. Schon heute gibt es in Deutschland Trinkwasser mit TFA-Gehalten nahe oder über den gesundheitlichen Orientierungswerten. Aus dem Wasser ist TFA durch die üblichen Reinigungsverfahren nicht entfernbar. Einträge von TFA in die Umwelt müssen daher unbedingt vermieden werden. Der Verzicht auf den Einsatz fluorierter Kältemittel ist einer der notwendigen Schritte.

Für den Wärmepumpenbetrieb im Pkw ist 1234yf technisch nicht optimal, da es ohne zusätzlichen energetischen Aufwand bei Außentemperaturen wenig unter null Grad Celsius nicht mehr anwendbar ist.

1234yf-Fahrzeugklimaanlagen können mit klimaschädlicheren Kältemittel wie R134a oder außerhalb Europas sogar mit die Ozonschicht schädigenden Stoffen (⁠FCKW⁠) nachgefüllt werden. In CO2-Klimaanlagen lässt sich nur CO2 als Kältemittel nachfüllen – ein großer Vorteil für die Umwelt.

 

Untersuchungen zum Brandverhalten von Tetrafluorpropen

Das ⁠UBA⁠ hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) im Oktober 2009 beauftragt, Messungen zum Brandverhalten des Kältemittel 1234yf im Vergleich mit dem bisher eingesetzten Kältemittel R134a durchzuführen. Die Versuche wurden so durchgeführt, dass sie der Anwendung des Stoffes in Pkw-Klimaanlagen möglichst nahe kommen. 

Ergebnisse der Untersuchungen

Die wichtigsten Ergebnisse der im Juni 2010 abgeschlossenen BAM-Untersuchungen  lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die BAM hat für das Kältemittel 1234yf eine untere Explosionsgrenze von 6,2 mol-Prozent und eine obere Explosionsgrenze von 14,4 mol-Prozent ermittelt. 1234yf ist nicht so leicht entzündlich wie Propan oder Benzindämpfe, es muss aber wegen seiner niedrigen unteren Explosionsgrenze als leicht entzündlich gekennzeichnet werden. 
  • Bei der unteren Explosionsgrenze mit einer Konzentration von 6 mol- Prozent konnte keine selbsterhaltende „Flammenfortpflanzung“ des Kältemittels 1234yf beobachtet werden, aber extrem ausgedehnte typisch blaue Flammen. 
  • Bei der Beobachtung einer derartigen Flammenausbreitung konnte festgestellt werden, dass sich Teile der Flamme abgelöst haben. Diese Flammen können zu Bränden führen, abhängig von der Umgebung der Flammenabtrennung. 
  • Das Entzündungsverhalten 1234yf gegenüber entzündlichen Quellen wie Funkensprühen ist unberechenbar und unvorhersehbar. Es hängt stark von den Gegebenheiten ab, unter denen das Kältemittel freigesetzt wird (z. B. Unfallsituation, Veränderungen am Fahrzeug durch den Unfall, Fahrsituation davor, Brandentstehung, Einbausituation der Klimaanlage, Motorraumgeometrie). Damit ist ein vorsorgendes Risikomanagement erschwert. 
  • Die minimale Entzündungstemperatur von 1234yf beträgt 405 Grad Celsius. Dies ist die niedrigste Temperatur, bei der eine eigenständige Entzündung in Luft erfolgt. In der Praxis sind meist höhere Oberflächentemperaturen für eine Entzündung des reinen Gemisches von 1234yf mit Luft erforderlich. 
  • Bei einer Freisetzung von 1234yf aus einer Automobilklimaanlage tritt immer auch Kälteöl mit aus. Im Falle eines Unfalls oder eines durch andere Ursachen ausgelösten Brands können auch Kraftstoffdämpfe in der Luft vorhanden sein. Beides senkt die Entzündungstemperatur und die untere Explosionsgrenze. 
  • Die BAM weist daraufhin, dass die durch 1234yf verursachte zusätzliche Brand- und Explosionsgefahr im Hinblick auf die Gefährdung durch alle anderen Brennstoffe und Materialien vergleichbar niedrig ist. Die Gefahren durch 1234yf ergeben sich aus den Zersetzungsprodukten im Brandfall (in Deutschland brennen jährlich 30.000 bis 40.000 Fahrzeuge). 
  • Eindeutig kritisch bewertet die BAM die Bildung gefährlicher Mengen von Flusssäure, wenn 1234yf auf Entzündungsquellen trifft, beispielsweise auf offene Flammen oder heiße Oberflächen. Bei beinahe allen Tests, in denen das Kältemittel unter definierten Testbedingungen freigesetzt wurde, überschritten die ermittelten Werte von Flusssäure den auch von der Automobilindustrie als Maßstab gewählten Wert für die menschliche Gesundheit (AEGL  2-Wert von 95 ⁠ppm⁠ für eine Expositionszeit von 10 min.). Eine Überschreitung des AEGL 2-Wertes führt zu irreversiblen Schäden für die menschliche Gesundheit. Auch bei den Untersuchungen in einem Fahrzeug wurde dieser Wert deutlich überschritten. 
  • Die BAM hat die Tests im Vergleich zum Kältemittel R134a durchgeführt, um die Gefahren von 1234yf in Relation zum heutigen Stand zu setzen. R134a ist bei atmosphärischen Bedingungen nicht entflammbar. Es kann sich nur, bei höherer Temperatur und / oder höherem Druck oder in Gegenwart anderer brennbarer Stoffe entzünden. R134a ist jedoch nicht so reaktiv wie 1234yf, so dass die BAM die Gefahren bei R134a hinsichtlich der Bildung von Flusssäure als deutlich geringer bewertet. 
 

Fazit aus den Untersuchungen

Die Untersuchungen der BAM zeigen, dass mit dem Einsatz von 1234yf Gefahren verbunden sind. Die Gefahren ergeben sich aus dem beim Brandfall und bei hohen Temperaturen bereits ohne Brand aus dem Kältemittel 1234yf entstehenden Fluorwasserstoff. In Deutschland brennen jährlich zwischen 30.000 bis 40.000 Fahrzeuge. Die Bildung von Fluorwasserstoff bei einem solchen Ereignis ist zu erwarten.Die BAM hat das zusätzliche Risiko auftragsgemäß nicht quantifiziert – dies können nur die Automobilhersteller für konkrete Fahrzeuge tun – verweist aber darauf, dass im Falle eines Einsatzes von 1234yf eine umfassende Gefahrenanalyse erforderlich ist und viele Maßnahmen zur Vorsorge getroffen werden müssen, z. B. konsequente Abschirmung heißer Oberfläche im Motorraum, Einbau eines automatischen Löschsystems im Motorraum, Maßnahmen, die eine Einleitung von Fluorwasserstoff in den Passagierraum im Gefahrenfall unmöglich machen, Maßnahmen zur Vermeidung der Funkenbildung auch im Falle eines Unfalls (u. a. Abschaltung der Stromzufuhr) sowie Information von Rettungskräften. 

Die Untersuchungen der BAM sind ein wichtiger Beitrag zur laufenden Sicherheitsdiskussion über den Einsatz des Kältemittels 1234yf in Automobilklimaanlagen. Die Automobilhersteller sind aufgefordert, sie bei ihren Maßnahmen und Entscheidungen zu berücksichtigen.