Sicheres Management von Trinkwasserversorgungen

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Trinkwassermanagement

Schema des Water-Safety-Plan-Konzeptes

Quelle: UBA: WSP-Handbuch

Einwandfreies Trinkwasser entsteht vor allem dadurch, dass in den Prozessschritten seiner Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung „alles stimmt“ – das heißt durch richtiges Management bei Planung, Bau, Betrieb und Wartung des gesamten Systems, vom Einzugsgebiet bis zur Entnahmestelle. Ein gutes Verständnis der Prozesse erleichtert auch das frühzeitige Erkennen eventuell vorhandener Schwachstellen.

Inhaltsverzeichnis

 

Trinkwassersicherheitsplan - das Water Safety Plan-Konzept (WSP) der WHO

Die Weltgesundheitsorganisation (⁠WHO⁠) hat in ihren Trinkwasserleitlinien (Guidelines for Drinking-water Quality, GDWQ) 2003 erstmals unter dem Begriff Water-Safety-Plan eine umfassende Risikoermittlung und Risikomanagement empfohlen, mit der gesundheitliche Risiken in allen Prozessen vom „Einzugsgebiet bis zum Zapfhahn“ systematisch ermittelt, bewertet und beherrscht werden sollen. WSP ist ein vorbeugendes, speziell auf die Trinkwasserversorgung zugeschnittenes Managementsystem. Dieser Ansatz ist universell anwendbar, unabhängig von der Art des genutzten Rohwassers, der Größe oder der Komplexität der betrachteten Wasserversorgung. Zur praktischen Umsetzung des WSP-Konzepts entwickelte die WHO diverse Materialien, beispielsweise ein Handbuch für große Wasserversorgungen sowie ein Handbuch und einen Leitfaden für die praktische Umsetzung in kleinen Ortschaften.

Auf europäischer Ebene wurde der WSP-Ansatz 2013 durch die DIN-EN 15975-2 aufgegriffen. ⁠UBA⁠ entwickelte gemeinsam mit dem TZW das Kompendium „Das Water-Safety-Plan-Konzept: Ein Handbuch für kleine Wasserversorgungen“, welches die DIN-EN 15975-2 insbesondere für kleine Wasserversorgungen mit praktischen Erläuterungen, Ratschlägen, Beispielen und unterstützenden Arbeitshilfen ergänzt.

Durch die Entwicklung eines WSP können Schwachstellen im System erkannt und behoben werden. Insbesondere unterstützt sie das Verständnis über das jeweilige Wasserversorgungssystem und die Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten. Die Entwicklung und Umsetzung eines WSP stärkt somit die Organisationssicherheit des Unternehmens. Der Prozess befördert weiterhin die Kenntnis des vor Ort relevanten Technischen Regelwerks und seine Umsetzung, und er liefert eine fachlich fundierte Entscheidungsgrundlage für Verbesserungen. Die Entwicklung eines WSP verbessert auch die Kommunikation zwischen den Beteiligten sowohl innerhalb der Wasserversorgung als auch mit Externen, insbesondere der Fachbehörden.

 

Schritte zur Entwicklung eines WSP

Das WSP-Konzept umfasst eine Gefährdungsanalyse, eine Risikoabschätzung und eine systematische Prozessbeherrschung. Es ist ein operationales Konzept des Qualitätsmanagements mit folgenden Schritten:

  1. Die Einberufung eines Teams durch die Leitung der Wasserversorgung ist der erste Schritt des WSP-Konzepts. Aufgabe des WSP-Teams ist es, eigenverantwortlich den WSP zu entwickeln und im Routinebetrieb umzusetzen. Ein handlungsfähiges, engagiertes Team, in dem die für eine umfassende Risikobewertung erforderlichen Fachkenntnisse vertreten sind, ist die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung eines WSP.
  2. Die Beschreibung des Versorgungssystems bildet die Grundlage eines jeden WSP. Sie muss das ⁠Einzugsgebiet⁠, die Gewinnung, Aufbereitung, Speicherung, das Verteilungsnetz inklusive Pumpwerke und Druckerhöhungsanlagen umfassen.
  3. Die Systembewertung erfolgt durch eine Gefährdungsanalyse und eine Risikoabschätzung. Eine Gefährdung im Sinne des WSP-Konzepts ist jedes biologische, chemische, physikalische oder radiologische Agens im Versorgungssystem, das zu einer Gesundheitsgefährdung führen könnte. Gefährdende Ereignisse oder Auslöser im Sinne des WSP-Konzepts sind Zwischenfälle oder Situationen, die zum konkreten Eintreten einer Gefährdung in der Trinkwasserversorgung führen. Bei der Risikoabschätzung schätzt das Team für jedes identifizierte gefährdende Ereignis das Risiko, welches sich aus der Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses und dem potentiellen Schadensausmaß ergibt. Die Leitfragen für die Risikoabschätzung sind: „Welche Gefährdungen und Ereignisse sind wesentlich?“ und „Was ist wichtig und warum?“
  4. Maßnahmen zur Risikobeherrschung gewährleisten die Trinkwasserqualität und technische Versorgungssicherheit. Dazu zählen alle Handlungen, Aktivitäten und Verfahren, die darauf abzielen, Risiken dauerhaft zu eliminieren oder zu minimieren. Hier muss das Team auch prüfen und bestätigen, inwieweit die vorhandenen Maßnahmen tatsächlich die Risiken beherrschen, also für jede erfasste Maßnahme die Frage beantworten: „Ist die gewählte Maßnahme geeignet und wirksam?“. Zeigt der Bewertungsprozess, dass die bereits etablierten Maßnahmen nicht ausreichend wirksam zur  Beherrschung eines festgestellten Ausgangsrisikos sind, so besteht Handlungsbedarf. Das Team sollte die Maßnahmen dann entsprechend verändern, optimieren, ergänzen oder ersetzen. Weist die Bewertung darauf hin, dass gar Maßnahmen fehlen, so sollte das Team geeignete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen festlegen und umsetzen.
  5. Die betriebliche Überwachung umfasst die geplante Durchführung von Beobachtungen, Kontrollen oder Messungen ausgewählter Parameter. Sie soll sicherstellen, dass die Maßnahmen zur Risikobeherrschung ordnungsgemäß umgesetzt werden und wirksam sind. Die betriebliche Überwachung ist nicht gleichbedeutend mit der Endkontrolle des Trinkwassers nach den Maßgaben der Trinkwasserverordnung. Vielmehr werden hierfür Parameter ausgewählt, die einfach zu messen oder zu beobachten und deren Messergebnisse möglichst unmittelbar abzulesen sind. Sie sollen zeigen, dass die Maßnahme im Sollbereich funktioniert (wie z.B. Trübung am Filterablauf).
  6. Integraler Teil des WSP ist es, durch die so genannte Verifizierung zu bestätigen, dass mit dem WSP die Grenzwerte und Anforderungen der Trinkwasserverordnung eingehalten sowie die versorgungstechnischen Ziele erreicht werden. Bei der klassischen Endkontrolle der Trinkwasserqualität, also regelmäßige Eigenuntersuchungen am Wasserwerksausgang und im Versorgungsnetz, handelt es sich um Verifizierung. Diese Endkontrolle des Trinkwassers ist nicht mit der betrieblichen Überwachung zu verwechseln.
  7. Wichtig ist bei der Entwicklung eines WSP, dass das Team die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte sowie die zugrundeliegenden Erwägungen dokumentiert. Art und Umfang der Dokumentation variieren dabei je nach Aufgaben und Größe der Versorgung.
  8. Ein WSP ist niemals „fertig“, sondern sollte vom Team regelmäßig und anlassbezogen aktualisiert und verbessert werden. Dazu sind die Arbeitsschritte des WSP-Konzepts in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Das Ziel dieser geplanten, periodischen Revision ist es, „einen Schritt zurückzutreten“ und die Gültigkeit des WSP zu bestätigen.
 

Sicheres Management im Technischen Regelwerk

Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) verlangt, dass Anlagen für die Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) zu planen, zu bauen und zu betreiben sind. Spezifisch für die Trinkwasserinstallation in Gebäuden enthält die Trinkwasserverordnung ferner die Anforderung der Gefährdungsanalyse, eines zentralen WSP-Elements, für den Fall der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen.

Das technische Regelwerk beschreibt mit insgesamt rund 300 verschiedenen technischen Regeln, was in der Trinkwasserversorgung zu beachten ist – für alle Prozessschritte von der Festlegung von Trinkwasserschutzgebieten bis zur Prüfung von Wasserhähnen für deren Zertifizierung. Speziell für den Betrieb kleiner Wasserversorgungen hat der DVGW eine gezielte Auswahl der technischen Regeln zusammengestellt. Ziel des Technischen Sicherheitsmanagements (TSM) des DVGW ist die Unterstützung des eigenverantwortlichen Handelns der Unternehmen und die Stärkung der technischen Selbstverwaltung von Wasserversorgungen.

Während die DIN-EN 15975-2 wesentliche Elemente des WSP-Konzeptes beschreibt und das Risikomanagement im Normalbetrieb behandelt und in das technische Regelwerk integriert, beschäftigt sich die DIN-EN 15975-1 mit der Sicherheit im Krisenfall.

 

Was macht das UBA zu Managementkonzepten?

Das Umweltbundesamt hat in mehreren Projekten mit verschiedenen Wasserversorgungen, Gesundheitsämtern und Gebäudebetreibenden geprüft, wie das Konzept der Entwicklung eines Water Safety Plan in Deutschland für große und für kleine Wasserversorgungen sowie für Gebäude umsetzbar ist, welche Voraussetzungen und ggf. Unterstützungen dafür wichtig sind und welchen Nutzen es bringt. Das ⁠UBA⁠ bringt somit die Diskussion in Deutschland für dieses neue Konzept voran.

In seiner Funktion als WHO Kooperationszentrum für Forschung auf dem Gebiet der Trinkwasserhygiene berät das UBA auch Beteiligte in anderen Ländern bei der Umsetzung des WSP Konzepts und unterstützt die Entwicklung von Schulungsmaterial  sowie Handlungsempfehlungen zur Entwicklung von WSP.

Zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen mit dem WSP-Konzept in Europa hat das UBA vom 12.-13. März 2014 in Berlin gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB), der International Water Association (IWA), der European Federation of National Associations of Water Services (EUREAU) und dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) einen „Strategic Workshop on Water Safety Plans (WSP) for Europe“ durchgeführt. Teilnehmende aus Forschung, Wasserversorgung und dem regulatorischen Bereich diskutierten Ansätze für die Regulierung und Umsetzung im europäischen Kontext und tauschten Erfahrungen mit der Entwicklung von WSP, dem daraus resultierenden Nutzen sowie den dafür förderlichen Voraussetzungen und Randbedingungen aus.

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