Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Oberflächengewässer

Das Bild zeigt eine Bachforelle, die zwischen Wasserpflanzen umher schwimmt.zum Vergrößern anklicken
Pflanzenschutzmittel wirken sich negativ auf Arten, wie beispielsweise Bachforellen, aus
Quelle: Adobe Stock / scubaluna

Gesunde Gewässer zählen zu den artenreichsten Lebensräumen der Erde und sind eng mit anderen Ökosystemen verzahnt. Auch dem Menschen dienen sie als Ort für Sport, Ruhe und Erholung. Stoffliche Einträge wie Pflanzenschutzmittel können die chemische Qualität der Gewässer, und damit die Lebensgemeinschaften von Insekten, Fischen und Vögeln, stören und die Nutzung als Trinkwasserreserve einschränken.

Inhaltsverzeichnis

 

Wie gefährden Pflanzenschutzmittel unsere Gewässer?

Pflanzenschutzmittel werden in der Landwirtschaft in großem Stil eingesetzt, um unerwünschte Kräuter, Pilze und Insekten zu bekämpfen. Von den Ackerflächen gelangen sie durch Wind und Niederschlag in unsere Gewässer. Ein Teil der Mittel kann beim Versprühen verwehen und sich schließlich in den umgebenden Bächen und Flüssen niederschlagen (Abdrift). Mit Regenwasser können die Mittel in anliegende Gewässer gespült werden (Oberflächenabfluss und Drainage). Manche Wirkstoffe werden in der Umwelt schnell abgebaut, andere bzw. ihre Abbauprodukte sehr langsam oder gar nicht. Je nach Beständigkeit können diese so vom Acker bis in die Meere transportiert werden.

Für die Beurteilung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln auf Gewässerlebewesen ist die sogenannte Regulatorisch Akzeptable Konzentration (⁠RAK⁠) ausschlaggebend. Die RAK ist die Konzentration eines Mittels, unterhalb derer keine negativen Auswirkungen auf Gewässerorganismen zu erwarten sind. Sie basiert auf der Konzentration, bei der im Labor beispielsweise die Hälfte einer Regenbogenforellenpopulation stirbt, verrechnet mit einem Sicherheitsfaktor. Die Regenbogenforelle dient dabei als Stellvertreter für heimische Fische. Dem RAK-Wert werden bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die zu erwartenden Konzentrationen im Gewässer gegenübergestellt. Solange die erwarteten Konzentrationen unter den akzeptablen Konzentrationen liegen, wird davon ausgegangen, dass die verbleibenden Restrisiken, und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gewässerorganismen, gering sind. Trifft dies zu, kann ein Pflanzenschutzmittel zugelassen werden.

Gegebenenfalls können mit der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels Anwendungsbestimmungen erteilt werden. Das sind zum Beispiel die Verwendung driftmindernder Spritzdüsen oder ein Randstreifen zum Schutz der Gewässer. So können die Einträge von Pflanzenschutzmitteln vermindert und die Gewässerbelastung reduziert werden. Lässt sich auf diese Weise der erwartete Eintrag eines Pflanzenschutzmittels trotzdem nicht ausreichend verringern, ist eine Zulassung nicht möglich. Solche Mittel dürfen dann nicht in Deutschland verkauft werden.

 

Gewässer in der Agrarlandschaft stärker belastet als angenommen

Normalerweise wird die Belastung der Oberflächengewässer mit Chemikalien im Rahmen des Monitorings der Bundesländer zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtline erfasst Dieses findet jedoch an größeren Gewässern statt und misst nur wenige Pflanzenschutzmittel. Die zahlreichen Kleingewässer, die oftmals inmitten landwirtschaftlicher Nutzflächen liegen und Pflanzenschutzmitteleinträgen damit besonders ausgesetzt sind, werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt.

Im Forschungsprojekt „Kleingewässermonitoring“ des Umweltbundesamtes (⁠UBA⁠) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) wurden 2018/19 gezielt kleine Gewässer untersucht. Es zeigte sich, dass die Regulatorisch Akzeptablen Konzentrationen in kleinen Gewässern vielfach überschritten werden (UFZ 2022). Insbesondere nach Regenfällen werden Pflanzenschutzmittel in hohen Konzentrationen in angrenzende Bäche gespült. An über 80 Prozent aller untersuchten Gewässerabschnitte wurden die ⁠RAK⁠-Werte von mindestens einem Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff überschritten, an gut zwei Dritteln der Standorte sogar von mehreren Stoffen.

Im Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) ist das Ziel formuliert, dass bis 2023 keine RAK-Überschreitungen in deutschen Kleingewässern auftreten sollten (in 99 Prozent aller nach Regenereignissen genommenen Proben). Die Ergebnisse des Kleingewässermonitorings zeigen jedoch, dass 2018/2019 in über 60 Prozent aller Proben, die nach Regenfällen entnommen wurden, die RAK-Werte überschritten wurden. Trotz einzelner Maßnahmen ist davon auszugehen, dass das Ziel weiterhin verfehlt wird. Bei den üblichen Messungen durch die Behörden nach Wasserrahmenrichtlinie werden auch wetterunabhängige, sogenannte Schöpfproben, genommen. Das Kleingewässermonitoring zeigt jedoch, dass mit dieser Methode lediglich in 25 Prozent aller Proben Überschreitungen nachweisbar sind. Belastungsspitzen nach Regenereignissen werden demnach bei der wetterunabhängigen behördlichen Probennahme übersehen.

Das Bild zeigt, dass akzeptable Konzentrationen häufig überschritten werden, wie im Text beschrieben.
Kleingewässermonitoring: Häufigkeit der RAK-Überschreitungen in Kleingewässern
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung / Umweltbundesamt
 

Auswirkungen auf Lebensgemeinschaften in Gewässern

Mehr als 80 Prozent der untersuchten Gewässerabschnitte zeigen darüber hinaus eine veränderte Zusammensetzung der Insekten-Lebensgemeinschaften, was auf eine Beeinflussung des Ökosystems durch Pflanzenschutzmittel hinweist. Besonders bedenklich ist dabei, dass sich selbst geringe Konzentrationen von Pflanzenschutzmitteln, teilweise unterhalb der ⁠RAK⁠, bereits auswirken (UFZ, 2013). Die betroffenen Kleinstlebewesen wie Steinfliegen, Köcherfliegen und Libellen, welche ursprünglich zu den arten- und individuenreichsten Organismen europäischer Fließgewässer gehörten, verschwinden – und damit eine wichtige Nahrungsgrundlage für Fische und Vögel. Pflanzenschutzmittel tragen also durch direkte und indirekte Effekte zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.

Pflanzenschutzmittel wirken sich auch direkt negativ auf Fischpopulationen aus. So zeigte beispielsweise eine Schweizer Studie, dass die Fischbestände, insbesondere die Bachforellen, in den letzten Jahren stark zurückgegangen sind (Oekotoxzentrum, 2021). In der Studie wurden junge Bachforellen fünf Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt, die in Schweizer Gewässern häufig gefunden werden. Die Untersuchungen wurden bei Temperaturen durchgeführt, die für Frühjahr und Frühsommer typisch sind. Es zeigte sich, dass die Fische bereits bei einer geringen Pflanzenschutzmittel-Konzentration und milden Temperaturen negativ beeinträchtigt waren. Bei  erhöhten Temperaturen waren die Schäden sogar andauernder, was angesichts der Klimaerwärmung bedenklich ist. Die Studie macht zudem deutlich, dass in der Realität verschiedene Stressfaktoren zusammenkommen. Neben Pflanzenschutzmitteln und klimatischen Belastungen können sich auch Düngemittel und weitere Chemikalien aus Industrie, Verkehr und Haushalten sowie bauliche Eingriffe auf die aquatischen Ökosysteme auswirken.

Durch den Transport über die Flüsse landen die Chemikalien letztlich auch im Meer. Selbst in Seehunden, Delfinen und Schweinswalen konnten Pflanzenschutzmittel nachgewiesen werden – sogar Stoffe, die seit vielen Jahren verboten sind (Life Apex, 2022). 

 

Was tun? Maßnahmen zum Gewässerschutz

Trotz der aufwendigen Prüfung von Pflanzenschutzmitteln vor der Zulassung zeigen Studien negative Einflüsse auf Gewässer. Einerseits bestätigt das bekannte Lücken im Zulassungssystem. Diese müssen geschlossen werden, damit die tatsächlich in der Umwelt gefundenen Rückstände nicht so viel höher ausfallen als zuvor berechnet. Andererseits zeigt sich, dass Risiken nicht komplett vermieden werden können und daher der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln generell reduziert werden muss.

Besonders wirkungsvoll sind bewachsene ⁠Gewässerrandstreifen⁠. Sie bilden eine Pufferzone und verringern auf diese Weise Pflanzenschutzmitteleinträge in die angrenzenden Gewässer. Gleichzeitig bieten sie einen wichtigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen in der Agrarlandschaft. Darüber hinaus sollte nur solche Technik zum Versprühen der Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die Einträge durch Verwehen vermeidet. Diese risikomindernden Maßnahmen bedürfen einer konsequenten Umsetzung und Kontrolle. Solche Gewässerschutzmaßnahmen sollten flächendeckend auch an Kleingewässern angewendet werden.

Wichtigster Beitrag für den Schutz der Gewässer ist jedoch eine generelle Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Dies kann beispielsweise durch vielfältige Fruchtfolgen, mechanische Beikrautbekämpfung und anderen Methoden des integrierten Pflanzenschutzes (Artikel in Erstellung) geschehen. Auch eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft schützt Gewässer vor Einträgen aus Pflanzenschutzmitteln.

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