Hilfreiche Klimaschutzziele für Kommunen: Potenziale statt Budget

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Kommunen können immens zum Klimaschutz beitragen.
Quelle: Jürgen Fälchle / Fotolia.com

Hintergrund und Konzept der CO₂-Budgets

Im Übereinkommen von Paris hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf mindestens unter 2°C, möglichst auf 1,5°C zu begrenzen. Mit dem globalen Temperaturziel ist das CO₂-Budget in den Fokus gerückt. Das nahezu proportionale Verhältnis zwischen Temperaturerwärmung und CO₂-Emissionen in der ⁠Atmosphäre⁠ ist das grundlegende Konzept hinter den CO₂-Budgets. Die Budgets geben an, wie viele Tonnen Treibhausgase noch ausgestoßen werden dürfen, um die Obergrenze der Erwärmung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit noch einzuhalten. Die Staatengemeinschaft hat sich allerdings nicht geeinigt, wie sie das Restbudget untereinander aufteilen.

Unsicherheiten bei der Berechnung von CO₂-Budgets

Um ein globales CO₂-Budget zu berechnen, müssen bereits zahlreiche Annahmen getroffen werden, die über den reinen physikalischen Zusammenhang hinausgehen. Zum Beispiel müssen eine Temperaturobergrenze und eine Eintrittswahrscheinlichkeit gewählt werden. Diese Annahmen sind wesentlich für die Größe des CO₂-Budgets. So beträgt das aktuelle globale 1,5-Grad-CO₂-Budget entweder 150 Gigatonnen CO₂ mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit oder 250 Gigatonnen CO₂ mit einer 67-prozentigen Wahrscheinlichkeit. Zusätzliche Unsicherheitsfaktoren, wie fehlende historische Temperaturdaten oder die Entwicklung von Nicht-CO₂-Emissionen, könnten jeweils sowohl zu einer Vergrößerung als auch zu einer Verkleinerung der realen CO₂-Budgets führen. Während die CO₂-Budegt mit fortschreitenden Emissionen immer geringer werden, bleibt die Höhe der Unsicherheiten ungefähr gleich. Dadurch hat die Höhe der Unsicherheiten mittlerweile dieselbe Größenordnung wie die CO₂-Budgets selbst.

Die Annahmen zum Errechnen des jeweiligen CO₂-Budgets können gut begründet und nachvollziehbar sein, sodass keine beliebigen CO₂-Budgets entstehen. Sie eröffnen eine gewisse Spannbreite an plausiblen CO₂-Budgets für den jeweiligen Kontext. Eine weitere Weichenstellung ist die Verteilung eines globalen CO₂-Budgets auf die Nationalstaaten. Hierfür stehen prinzipiell sieben Verteilungsansätze zur Verfügung. Dazu zählen unter anderem der Pro-Kopf-Ansatz, der Lastenteilungsansatz oder der Grandfathering-Ansatz. Beinahe alle Verteilungsansätze würden zu vergleichsweise großen CO₂-Restbudgets für Entwicklungsländer und zu entsprechend kleineren oder sogar bereits aufgebrauchten CO₂-Restbudgets für Industrieländer führen.

Das Hintergrundpapier „Grundlagen von CO₂-Budgets“ geht auf diese Verteilungsansätze und weitere Weichenstellungen näher ein.

Trotz der vielen Unsicherheiten und ungeklärten Verteilungsfragen hat das CO₂-Budget durch seine große politische Strahlkraft in der Debatte über „Paris-Kompatibilität“ auch im kommunalen ⁠Klimaschutz⁠ Einzug gehalten. Einige Kommunen möchten über das CO₂-Budget ihren Anteil zum Gelingen des internationalen Klimaschutzes beitragen. Jedoch wirft eine weitere Untergliederung nationaler CO₂-Budgets auf einzelne Kommunen erneute Verteilungsfragen auf und die Unsicherheiten wirken sich auf einer kleinräumigen Ebene erheblich aus.

CO₂-Budgets für Deutschland weitestgehend aufgebraucht

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat 2024 seine Berechnung von nationalen CO₂-Budgets für Deutschland aktualisiert. Demnach ist das 1,5-Grad CO₂-Budget für Deutschland nach einem Pro-Kopf-Ansatz weitestgehend aufgebraucht bzw. bereits überschritten und das 1,75-Grad CO₂-Budget nahezu aufgebraucht. Dies unterstreicht erneut, dass Deutschland seiner internationalen Verantwortung gerecht werden muss, stellt aber auch deutlich in Frage, obdass CO₂-Budgets eine sinnvolle Zielgröße und ein hilfreicher Orientierungsrahmen für Kommunen sind.

Alternative Zielstellungen für Kommunen

Auf kommunaler Ebene ist es also nicht sinnvoll, ein CO₂-Budget zu errechnen und die Klimaschutzaktivitäten daran auszurichten. Stattdessen sind die nachstehenden Zielformulierungen für Kommunen gut geeignet, um ihren gerechten Beitrag zum ⁠Klimaschutz⁠ zu bestimmen.

Treibhausgasneutralität

Grundsätzlich ist eine Orientierung an den Bundeszielen sinnvoll. Somit steht Treibhausgasneutralität bis 2045 als Langfristziel im Zentrum. Was Treibhausgasneutralität für Kommunen bedeutet, beschreibt unser Factsheet „Treibhausgasneutralität in Kommunen“.

Beim individuellen Reduktionspfad der Kommune sollten dabei unbedingt die kumulierten Emissionen berücksichtigt werden, also die Gesamtsumme an emittierten Emissionen, die zwischen Start- und Zieljahr durch den geplanten Absenkpfad vorgesehen sind. Sollten also die anvisierten Treibhausgasemissionen in einem Jahr überstiegen sein, sollten die Minderungsziele in den Folgejahren unterschritten werden, damit die angestrebten kumulierten Emissionen bis zum Zieljahr eingehalten werden. Diese unter dem Reduktionspfad kumulierten Emissionen sind nicht vergleichbar mit einem kommunalen CO₂-Budget, denn sie geben nur Aussage über eine selbstgewählte Zielstellung, nicht darüber ob diese Menge an Emissionen gerecht ist oder ob sie dazu führt, ein bestimmtes Temperaturziel einzuhalten.

Kommunenspezifische Potenziale

Das Ziel der Treibhausgasneutralität ist allerdings nicht genau auf die jeweilige Kommune angepasst. Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen kann nicht jede Kommune Treibhausgasneutralität erreichen. Vor allem Kommunen, in denen sogenannte unvermeidbare Emissionen an Treibhausgasen (THG) verbleiben, können meist keine vollständige Treibhausgasneutralität erreichen. Unvermeidbaren THG-Emissionen sind vor allem Emissionen, die nicht aus dem Verbrauch von Energie entstehen, sondern aus Prozessen, wie der Zement- oder Kalkindustrie oder aus der Landwirtschaft, wie Methan aus der Tierhaltung. Andererseits gibt es Kommunen, deren Klimaschutzpotenziale weit über Treibhausgasneutralität hinausgehen. Dies sind Kommunen, die ein großes Potenzial an erneuerbaren Energien und natürlichen Senken (z.B. große Waldflächen oder intakte Moore) haben. Es ist wichtig, dass sie neben den THG-Minderungsmaßnahmen ihre Potenziale an natürlichen Senken und erneuerbaren Energien ausschöpfen, damit aus der Summe der Kommunen mit unvermeidbaren Emissionen und denen mit hohen Potenzialen in ganz Deutschland Treibhausgasneutralität entstehen kann.

Deshalb empfiehlt das Umweltbundesamt, das kommunenspezifische Klimaschutzpotenzial als Zielstellung zu formulieren.

Dies umfasst,

  • THG-Emissionen weitestmöglich zu mindern,
  • erneuerbare Energien im Strombereich ambitioniert auszubauen,
  • Wärme lokal vollständig ohne fossile Brennstoffe bereitzustellen und
  • die natürlichen Senkenzu schützen und deren Potenziale auszuschöpfen.

Schöpfen Kommunen ihr Klimaschutzpotenzial aus, leisten sie ihren notwenigen Beitrag zur Treibhausgasneutralität in Deutschland.

Kommunaler Einflussbereich im Fokus

Viele Kommunen möchten ihren Klimaschutzambitionen besonderen Ausdruck verleihen, indem sie sich frühere Ziele zur Treibhausgasneutralität setzen, als jene, die für den Bund gelten. Kommunen haben das Erreichen der Treibhausgasneutralität vor Ort allerdings nicht allein in der Hand und sind zeitlich von übergeordneten Ebenen abhängig. Möchten Kommunen ein zeitlich vorgezogenes Ziel anvisieren, empfiehlt das Umweltbundesamt, dies bezogen auf die kommunalen Einflussmöglichkeiten zu tun. Der Bericht „Kommunales Einflusspotenzial zur Treibhausgasminderung“ hat aufgezeigt, welche Maßnahmen Kommunen in den vier Einflussbereichen „Verbrauchen & Vorbild“, „Versorgen & Anbieten“, „Regulieren & Planen“ und „Beraten & Motivieren“ eigenständig umsetzen können. Parallel müssen bis zum Jahr 2045 (Bundesziel der Treibhausgasneutralität) die oben genannten Ziele angestrebt und umgesetzt werden.

Weitere passende Klimaschutzziele, die Kommunen vor 2045 anstreben können, wird der ⁠UBA⁠-Forschungsbericht „Kommunale Klimaschutzambitionen“ darlegen, der voraussichtlich Ende 2024 veröffentlicht wird.

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 CO2-Budget  Kommunaler Klimaschutz  Treibhausgasneutralität  Klimaschutzpotenzial