GE-I-6: Cyanobakterienbelastung von Badegewässern
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Witterungsabhängig kann es an Badegewässern in der Badesaison zu gesundheitlichen Risiken durch erhöhte Konzentrationen von Cyanobakterien kommen. Satellitenbild-gestützte Auswertungen zu 16 über unterschiedliche Naturräume verteilte Seen machen deutlich, dass sich eindeutige Trends in der noch kurzen und lückenhaften Zeitreihe nicht abzeichnen. In sehr warmen Sommern kann jedoch der Anteil stark belasteter Seen überdurchschnittlich hoch sein.
Wenn in Zukunft die Temperaturen im Sommer ansteigen, wird das Bedürfnis der Menschen nach einem kühlenden Bad in Seen und Flüssen sowie im Meer zunehmen. Gleichzeitig kann der Klimawandel aber die Qualität von Badegewässern nachteilig beeinflussen. Ein im Zusammenhang mit dem Klimawandel viel diskutiertes Gesundheitsrisiko ist die Belastung von Badegewässern mit Cyanobakterien, landläufig auch als Blaualgen bezeichnet.
Erhöhte Konzentrationen an Pflanzennährstoffen, vor allem an Gesamtphosphor, in stehenden oder auch langsam fließenden Gewässern sind die Hauptursache für Massenentwicklungen von Cyanobakterien, den sogenannten „Algenblüten“. In noch mäßig mit Nährstoffen belasteten Gewässern müssen Cyanobakterien sowohl mit höheren Wasserpflanzen als auch mit anderem Phytoplankton um die verfügbaren Nährstoffe konkurrieren und kommen dadurch selten zur Dominanz. Zudem werden manche Cyanobakterien durch eine stabile thermische Schichtung des Gewässers, die vor allem bei hohen Temperaturen und stabilen Wetterlagen entsteht, begünstigt. Eine stabile Schichtung bedingt auch, dass manche Cyanobakterien an der Oberfläche aufrahmen und es lokal zu einer weiteren Anhäufung von Cyanobakterien kommen kann. Aufgrund dieser Zusammenhänge wird der Klimawandel als eine der Ursachen für erhöhte gesundheitliche Risiken durch Cyanobakterien diskutiert.
Bei der Aufnahme größerer Mengen von Cyanotoxinen, den toxischen Inhaltsstoffen der Cyanobakterien (Nervengifte und Lebertoxine), kann es beim Baden oder bei Badeunfällen („beinahe Ertrinken“) zu schwerwiegenden Schädigungen vor allem an Leber, Nieren und Nerven kommen. Besonders gefährdet sind Kleinkinder und Kinder im Grundschulalter, die beim Spielen im Flachwasserbereich unbeabsichtigt auch größere Wassermengen schlucken können. Bei unspezifischen Symptomen wie Haut- und Schleimhautreizungen, allergischen Reaktionen oder Magen-Darm- und Atemwegserkrankungen, die Beobachtungen zufolge durch Baden in stark blaualgenhaltigem Wasser vermehrt auftreten, ist es hingegen wahrscheinlicher, dass diese durch andere pathogene Bakterien oder Substanzen verursacht worden sind. Cyanobakterien werden im Rahmen der Badegewässerüberwachung und der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an Gewässern erfasst, jedoch nicht immer quantitativ oder in ausreichender Frequenz. Zudem kann die Cyanobakterienblüte innerhalb eines Sees sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, denn die Cyanobakterien können verdriften oder sich im Tagesverlauf auch in der Wassersäule auf und ab bewegen. So hängt es von vielen Faktoren ab, ob Cyanobakterienvorkommen über (in der Regel monatliche) Messungen vor Ort tatsächlich erfasst werden. Methoden der Fernerkundung sind daher für die Erfassung von Cyanobakterienblüten geeigneter. Es gibt Satelliten, die die Reflexion des in Cyanobakterien für die Photosynthese verantwortlichen Pigments Phycocyanin messen können. Damit lassen sich auch die unterhalb der Wasseroberfläche driftenden Cyanobakterien detektieren und bei wolkenlosem Himmel auch hochfrequent Daten (in einem Turnus von ein bis drei Tagen je nach Gewässergröße) hierzu bereitstellen. Die entsprechenden Auswertungen der Satellitendaten lassen sich mit einzelnen vor Ort durchgeführten Erhebungen validieren.
Für die Jahre 2003 bis 2011 sowie ab 2016 standen geeignete Satelliten zur Verfügung. In den Jahren dazwischen waren hingegen keine Satelliten in Betrieb, die über die erforderlichen sensorischen Eigenschaften verfügten. Dem Indikator liegen die Daten zu vier Seen im Bereich der Alpen und des Alpenvorlands, drei Seen in der zentralen Mittelgebirgsregion und zu acht Seen im Norddeutschen Tiefland zugrunde. Der Bodensee wurde doppelt erfasst (Untersee, Obersee). Es wird an einer Ausweitung dieser Seenauswahl gearbeitet. Die Überflüge in den relevanten Monaten zwischen Juli und September wurden auf das Vorkommen von Cyanobakterien hin ausgewertet. Als Bedingung für ein solches Vorkommen wurde festgelegt, dass in mindestens 30 % der korrekt erfassten Pixel (Rasterzellen) positive Cyanomarker (Phycocyanin) auftreten. Wenn bei höchstens 20 % aller validen Überflüge Cyanobakterienvorkommen erfasst werden, wird von einer mittleren, bei über 20 % aller validen Überflüge von einer hohen Belastung im jeweiligen Jahr ausgegangen.
Aus der bisherigen Zeitreihe ist kein eindeutiger Trend ersichtlich. Aufgrund der vierjährigen Datenlücke ist die Trendanalyse allerdings nur bedingt aussagefähig. Schwankungen der Cyanobakterienbelastung zwischen den Jahren lassen sich unter anderem mit den Witterungsbedingungen und den damit in Zusammenhang stehenden Schichtungsverhältnissen in den Seen begründen. Wenn sich die Schichtung aufgrund höherer Frühjahrstemperaturen früher im Jahr einstellt, kann dies dazu führen, dass Cyanobakterien auch früher im Sommer höhere Biomasse-Maxima ausbilden (siehe Indikator WW-I-9). Viele Arten unter den Cyanobakterien wachsen im Vergleich zu anderen Phytoplanktonarten langsam und profitieren daher besonders stark von länger andauernden hohen Wassertemperaturen. Allerdings sind warme Jahre nicht zwingend mit stabilen Schichtungen verbunden. So war im Hitzesommer 2003 die sommerliche Schichtung deutlich weniger stabil als in 2006, einem Jahr, in dem Mai, Juni, Juli und der gesamte Herbst überdurchschnittlich warm waren und sich extrem stabile Schichtungen ausbildeten, die die Entwicklung der Cyanobakterien forciert haben. Das Jahr 2018 tritt in der Zeitreihe ebenfalls deutlich hervor. Anfang April schaltete das Wetter innerhalb weniger Tage von Winter auf Sommer um und führte zu einer raschen Erwärmung der Wassertemperaturen. Auch Mai und Juni blieben warm, und im Juli und August folgte die bis dahin längste und heftigste Hitzeperiode. Diese Bedingungen waren für die Entwicklung der Cyanobakterien außerordentlich günstig und hatten zur Folge, dass in der Hälfte der erfassten Seen mittlere und hohe Belastungen aufgetreten sind. Allerdings spielt neben dem Temperaturanstieg auch der Nährstoffstatus der Seen eine sehr entscheidende Rolle. Solange die Nährstoffkonzentration im Gewässer unter 30 µg Gesamtphosphat pro Liter liegt, ist das Cyanobakterienwachstum deutlich limitiert. Phosphor gilt in Gewässern als ein wachstumslimitierender Faktor. Die Bemühungen um eine Reduzierung der Nährstoffeinträge in Seen und eine damit verbundene Minderung der Cyanobakterienbelastung könnten durch längere und stabilere Schichtungen konterkariert werden, sofern die Phosphorkonzentrationen die oben genannte Schwelle nicht unterschreiten.