Die Ozeane um die Antarktis gehören zu den Regionen der Welt, in denen wenig Unterwasserlärm durch menschliche Aktivitäten erzeugt wird. Eine UBA-Studie zeigt, dass schon der wissenschaftliche Einsatz von Airguns dieses Refugium im Umkreis von 2.000 km so beschallen kann, dass der natürlich verfügbare Kommunikationsraum von Blau- und Finnwalen nahezu komplett verkleinert werden könnte.
Wale und Robben sind in hohem Maße auf ihr Gehör angewiesen. Die akustische Wahrnehmungsfähigkeit ihrer Umwelt ist für sie lebenswichtig. Vom Menschen verursachter Unterwasserschall ist heute in allen Ozeanen fast ständig präsent und verändert die natürliche Geräuschkulisse, in der sich Meeressäuger entwickelt haben. Unterwasserlärm kann die innerartliche Kommunikation und die Wahrnehmung anderer Umgebungssignale stören, die beispielsweise für Wale wichtig sind, um Nahrung oder Paarungspartner zu finden.
Schiffsverkehr ist eine Quelle chronischen Lärms, der ein Störpotenzial hat. Viel lauter, aber auch viel kürzer sind Schallsignale, die bei der Erkundung des Untergrundes durch sogenannte Airguns (Luftpulser) oder beim Versenken der Gründungspfeiler von Windkraftanlagen erzeugt werden. Solche impulshaften Schallwellen können 1.000-mal lauter sein als ein Schiff. Für diese lauten Schallimpulse wird schon länger befürchtet, dass sie das Gehör von marinen Säugetieren schädigen können.
Was sind Airguns?
Bei den zur Erkundung des Untergrundes eingesetzten Airguns handelt es sich im Prinzip um Metallzylinder, in denen Luft mit hohem Druck komprimiert wird und dann explosionsartig austritt. Hierbei entsteht eine Gasblase, die beim Kollabieren ein sehr kurzes, aber sehr lautes Schallsignal erzeugt. Das Schallsignal trifft auf den Meeresgrund und wird dort durch die verschiedenen Bodenschichten unterschiedlich reflektiert. Daraus können Geophysiker Rückschlüsse auf die Struktur des Bodens schließen.
Der größte Teil der von Airguns erzeugten Schallwellen stammt aus dem tiefen Frequenzbereich bis 300 Hz, so dass eine Überschneidung mit Lauten und Gesängen von Walen und Robben wahrscheinlich ist. Vor allem die im Südlichen Polarmeer häufigen Bartenwale, wie Blauwal oder Finnwal, kommunizieren überwiegend in diesem Frequenzbereich.
Im Meer ist es selten wirklich still, da Tiere und natürliche Phänomene, wie Stürme, Wellen oder Eisbewegungen Geräusche verursachen. Wenn durch eine zusätzliche Schallquelle (Lärm) die Wahrnehmungsschwelle eines Tieres für ein akustisches Signals erhöht wird, spricht man von einer „akustischen Maskierung“. Das Signal – zum Beispiel der Ruf eines Artgenossen – muss dann lauter sein, um erkannt zu werden. Eine Maskierung erfolgt, wenn das Signal und das maskierende Geräusch zeitlich und im Frequenzgehalt ausreichend überlappen sowie das maskierende Signal in etwa so laut wie das zu übermittelnde Signal ist.
Welche Wirkung haben Airguns auf die marine Lebewelt?
Eine aktuelle Studie (in englischer Sprache) des Umweltbundesamtes zeigt, dass auch die mögliche Fernwirkung von Unterwasserlärm nicht unterschätzt werden sollte: In dieser Studie wurde die Wirkung von Airgunimpulsen in Bezug auf Kommunikationsreichweiten von marinen Säugetieren analysiert: Kurze, tieffrequente Schallsignale wie sie von Airguns ausgelöst werden, können sich über große Entfernungen zu einem akustischen Dauersignal verlängern, das ein hohes Störpotential für Blau- und Finnwale hat.
In der Studie wurde die Schallausbreitung von Airgunsignalen für Entfernungen bis zu 2.000 km von der Quelle modelliert. Anschließend wurden die modellierten Störsignale der Airguns mit den Rufen von Finnwal, Blauwal, Weddellrobbe und Schwertwal überlagert. Dadurch kann berechnet werden, in welchen Entfernungen zur Lärmquelle die Kommunikation der untersuchten Tiere noch gestört oder verhindert wird.
Tatsächlich konnte in der Studie demonstriert werden, dass Airgunsignale eine Fernwirkung von bis zu 2.000 km haben können. Für Meeressäuger im Südpolarmeer, das durch den Antarktis-Vertrag südlich von 60° südlicher Breite als besonders geschützt gilt, bedeutet das, dass die Tiere auch von Lärm betroffen sein können, der weit außerhalb der Antarktis verursacht wird. Schon in mittleren Entfernungen (500-1.000 km) wird das Airgunsignal zu einem intervallartigen Geräusch gedehnt, das bereits ein hohes Maskierungspotential hat. In Entfernungen ab 1.000 km haben sich die Airgunimpulse vollends zu einem kontinuierlichen Geräusch umgewandelt, das den natürlichen Geräuschhintergrund im Meer erhöht. Ob und in welchem Maße eine akustische Maskierung den Kommunikationsraum von Tieren einschränkt, hängt von verschiedenen Parametern, wie der Stärke des natürlichen Hintergrundrauschens oder der Tiefe des Ozeans ab.
Das Maskierungspotential durch Airguns ist für tiefe Frequenzen unter 300 Hz am größten. Folglich sind tieffrequent kommunizierende Bartenwale (wie Finn- und Blauwale) wahrscheinlich am stärksten betroffen. Schwertwale und Weddellrobben sind vorraussichtlich weniger betroffen, da ihre Rufe typischerweise auch in Frequenzbereichen über 500 Hz erfolgen. Es ist nicht bekannt, inwieweit Weddellrobben und Schwertwale auf den tieffrequenten Teil ihrer Vokalisierungen angewiesen sind, so dass das Ausmaß, in dem diese Arten unter der Maskierung der Kommunikation durch Airgunsignale leiden, unklar ist, aber insbesondere die weit tragenden tieffrequenten Anteile ihrer Vokalisationen werden ebenfalls signifikant (> 25%) maskiert.
Die Ergebnisse der UBA-Studie zeigen, dass Maskierungseffekte durch Airgunsignale wahrscheinlich und signifikante Auswirkungen auf das Vokalisationsverhalten von Tieren über große Distanzen möglich sind. Hierbei spielen Rahmenparameter, wie die Intensität des natürlichen Hintergrundrauschens im Meer, eine wichtige Rolle. Obwohl gravierende Effekte bis in Entfernungen von 2.000 km vor allem bei geringerem Hintergrundrauschen auftreten, zeigt die Studie, dass auch bei stärkerem Meeresrauschen noch gravierende Auswirkungen über viele Dutzende bis wenige Hundert Kilometer Entfernung auftreten können. (Zur besseren Visualisierung wurden die Ergebnisse der Modelle für alle Szenarien (4 verschiedene Tierarten, 2 Meerestiefen, 2 Vokalisationstiefen, 2 Empfängertiefen, 2 Empfängermodelle und 6 Umgebungsgeräuschpegel) mit einem interaktiven Multimedia-Tool visualisiert, das eine zusammenfassende Übersicht und individuelle Abbildungen anbietet.) Effekte auf Populationsebene sind daher nicht auszuschließen und sollten Eingang in die Betrachtung der Umweltwirkungen impulshafter Schallquellen, wie Airguns, finden.
In Deutschland hat das Umweltministerium bereits 2013 ein Schallschutzkonzept für die Nordsee entwickelt, dass den hier vorkommenden Schweinswal vor schädlichen Einflüssen durch Verletzung und Störung bewahren soll. Für die Antarktis arbeitet das UBA an einem entsprechenden Konzept zum Schutz der dort heimischen Wale und Robben und fördert hierzu auch die Diskussion auf der jährlichen Konferenz der Antarktisvertragsstaaten (ATCM).
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
Umweltbundesamt
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