DAS-Handlungsfeld Finanzwirtschaft

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DAS-Handlungsfeld Finanzwirtschaft
Quelle: Jirapong / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Banken, Sparkassen und Versicherungen sind wichtige Akteure bei der Transformation zu einer CO2-neutralen und klimaresilienten Wirtschaft. Sie spielen eine Schlüsselrolle für die Umsetzung des europäischen „Green Deal“, mit dem bis 2050 der Übergang zu einer klimaneutralen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft geschaffen werden soll. Kreditinstitute müssen dafür sorgen, dass sowohl für den ⁠Klimaschutz⁠ als auch für klimabedingte Schadenfälle ausreichend Liquidität für benötigte Investitionen bereitgestellt werden kann. Versicherer spielen eine wichtige Rolle für die kollektive Risikoübernahme und Risikoteilung. Die Umsetzung des Green Deal erfordert einen sehr grundlegenden Transformationsprozess, der aber nur dann erfolgreich gelingen kann, wenn das Finanzsystem stabil ist. Es muss daher selbst auf der Grundlage eines gut funktionierenden Risikomanagements sowohl wirtschaftlich resilient als auch klimaresilient aufgestellt sein

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Finanzdienstleister sind nicht nur wichtige Akteure bei ⁠Klimaschutz⁠ und Klimaanpassung, sie sind auch selbst von den Folgen des Klimawandels betroffen. Die Versicherungen und Kreditinstitute sind in Sachen Risiko sehr eng mit ihrer Kundschaft, also Privatpersonen und Unternehmen, verbunden. Das heißt, physische Klimarisiken, also die Auswirkungen extremer ⁠Wetter⁠- und Witterungsereignisse sowie schleichender klimatischer Veränderungen, denen ihre Kundschaft ausgesetzt ist, können auch schnell zu wirtschaftlichen Risiken der Finanzinstitute werden. Die Versicherungsunternehmen beschäftigen sich vor diesem Hintergrund schon seit Längerem intensiv mit den möglichen Folgen des Klimawandels. Bei den Kreditinstituten hingegen werden negative Auswirkungen des Klimawandels auf die Bonität und Liquidität sowie die Sicherheit der Kreditnehmenden oder auch mögliche Wertverluste von Vermögensanlagen bislang weniger als Risiko bewertet. Dies gilt insbesondere für die regionalen Kreditinstitute, die nahezu ausschließlich innerhalb Deutschlands aktiv sind.
Die generellen wirtschaftlichen Risiken, mit denen Versicherungen umgehen müssen, unterscheiden sich deutlich zwischen den verschiedenen Versicherungsprodukten, und die Risiken haben Auswirkungen auf die Profitabilität der Versicherungsprodukte. So lassen sich mit Haftpflichtversicherungen oder der Hausratsversicherung in der Regel höhere Versicherungsgewinne erzielen, während es in der Verbundenen Gebäudeversicherung regelmäßig zu versicherungstechnischen Verlusten kommt. Die Profitabilität wird anhand der Schaden-Kosten-Quote ermittelt. Liegt sie über 100 %, macht das Unternehmen mit dem Versicherungsgeschäft Verlust. Extremwetterereignisse haben in den letzten zwanzig Jahren immer wieder zu versicherungstechnischen Verlusten in der Gebäudeversicherung geführt (siehe ⁠IndikatorFiW-I-1). Das Jahr 2021 ist mit versicherten Schäden in Höhe von 11 Mrd. Euro infolge der Hochwasserkatastrophe mit Schwerpunkt im Ahrtal bisher das teuerste Schadensjahr.

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Die Finanzwirtschaft allgemein ist in der Klimawirkungs-und Risikoanalyse 2021 als Querschnittsfeld geführt. Es wurden daher keine Klimawirkungen beschrieben und keine Klimawirkungsbewertungen durchgeführt. Die Versicherungswirtschaft und das Bankenwesen spezifisch werden aufgrund ihrer relevanten Bedeutung für die Steigerung der ⁠Anpassungskapazität⁠ in den ⁠DAS⁠-Handlungsfeldern hervorgehoben.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Das Indikatorenset für das ⁠DAS⁠-Handlungsfeld „Finanzwirtschaft“ konnte gegenüber dem letzten DAS-Monitoringbericht 2019 um einen zusätzlichen Response-⁠Indikator⁠ (FiW-R-2) erweitert werden. Dennoch lassen sich vor allem für das Bankenwesen wichtige Themen bisher nicht mit quantitativen Indikatoren fassen: Weder die Betroffenheit von Bankgeschäften durch Klimawandelfolgen noch das diesbezügliche Risikomanagement der Banken lässt sich mit repräsentativen Daten beschreiben: Die Banken in Deutschland haben gerade erst begonnen, sich systematischer mit dem Thema ⁠Klimawandel⁠ zu befassen. Aufsichtsbehörden und politisch Verantwortliche nehmen jedoch die klimabedingten Auswirkungen auf die Branche immer genauer unter die Lupe.
Auf europäischer Ebene wurden mit der Neufassung der „Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD“ von 2022 und der 2020 in Kraft getretenen europäischen Taxonomie-Verordnung die Anforderungen an die nichtfinanzielle Berichterstattung deutlich erweitert. Die ⁠Resilienz⁠ gegenüber dem Klimawandel und der ⁠Klimaschutz⁠ rücken damit stark in den Fokus der Unternehmensberichterstattung. Zudem stehen neue Regulierungen seitens der European Banking Authority (EBA) und der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bevor, die systemrelevante Banken dazu verpflichten, zukünftig die Kreditsummen, die gegenüber physischen Klimarisiken exponiert sind, differenziert offenzulegen. Mit Daten aus diesen Berichterstattungen wird es künftig mehr Transparenz geben. Da die Daten, zumindest teilweise, auch öffentlich zugänglich sein werden, entstehen neue Möglichkeiten, den Umgang mit Klimarisiken in der Finanzwirtschaft mit DAS-⁠Monitoring⁠-Indikatoren abzubilden. Der im Monitoringbericht 2023 erstmals präsentierte Indikator zur Wahrnehmung physischer Klimarisiken durch die Finanzdienstleister (FiW-R-2) ist vor diesem Hintergrund als Proxy-Indikator zu verstehen. Er basiert auf einem kleinen Datensatz zu wenigen Finanzdienstleistern, die im Rahmen des CDP freiwillig berichten, und dient primär dem Zweck, die wichtige Thematik des Klimarisikomanagements in der Finanzwirtschaft im DAS-Monitoring zu verankern.
Die beschriebenen Erweiterungen der europäischen und deutschen Berichtspflichten gelten nicht nur für das Bankenwesen, sondern auch für die Versicherungsunternehmen. Auch in der Versicherungswirtschaft gibt es nach wie vor Defizite in der systematischen Bewertung von Klimarisiken und im Risikomanagement. Da sich Klimarisiken teilweise sehr direkt auf die Profitabilität bestimmter Versicherungsprodukte auswirken, setzen sich die Versicherungsunternehmen grundsätzlich aktiver mit den Klimawandelfolgen für den Versicherungsmarkt auseinander. Der ⁠GDV⁠ publiziert seit 2012 jährlich den Naturgefahrenreport als Schaden-Chronik der deutschen Versicherer. Auch bei den Rückversicherern wie der Munich Re sind die Auswirkungen des Klimawandels schon länger im Blick. Auf der Grundlage der GDV-Daten lassen sich für die bereits am Markt etablierten Versicherungsprodukte wie die Elementarschadenversicherung für Gebäude (eEV), die seit Mitte der 1990er-Jahre angeboten wird, Indikatoren zu Schadendaten generieren (siehe Indikatoren BAU-I-5 und FiW-I-1). Bei Versicherungsprodukten, die noch wenig am Markt etabliert sind und für die die Versicherungsdichten noch gering sind, sind diese Schadendaten noch nicht ausreichend repräsentativ.
Neben der bereits erwähnten eEV wird an weiteren Versicherungsprodukten gearbeitet, mit denen sich Klimarisiken insbesondere auch in der Landwirtschaft künftig absichern lassen. Der GDV unterstützt zwar die Diskussion um die Entwicklung von Klimarisikoversicherungen und entwickelt Produktdesigns, hat aber keinen Überblick darüber, ob und wie seine Mitgliedsunternehmen diese letztendlich in gängige Marktprodukte umsetzen. Aufgrund starker Konkurrenzen auf dem Versicherungsmarkt verhalten sich die Mitgliedsunternehmen selbst sehr diskret hinsichtlich der Veröffentlichung ihrer Strategien und Produktentwicklungen. Die Marktentwicklung lässt sich daher nicht mit Indikatoren abbilden.

 

Was getan wird – einige Beispiele

Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute und weitere Akteure des Finanzsektors sind aufgrund des Klimawandels in vielfältiger Weise gefordert. Die Kreditinstitute müssen bei der Prüfung von Kreditwünschen dafür sorgen, dass ⁠Klimaschutz⁠ und Anpassung berücksichtigt werden und nach klimabedingten Schadenfällen durch Kreditvergabe ausreichende Liquidität zur Schadenbewältigung und zum Wiederaufbau bereitgestellt wird. Versicherer spielen eine wichtige Rolle für die kollektive Risikoübernahme und Risikoteilung.
Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass bei den Banken die Themen Risikomanagement und Klimawandelanpassung noch immer unzureichend und zu wenig systematisch adressiert werden (siehe ⁠IndikatorFiW-R-2). Im Vordergrund der Wahrnehmung stehen nach wie vor die transitorischen Risiken. Das sind regulatorische Risiken, die aus verschärften Klimaschutzauflagen für die Kundschaft entstehen, sowie Reputationsrisiken, die mit Investitionen der Banken in klimaschädliche Projekte einhergehen können. Diesen Risiken wird insgesamt ein größeres Schadenspotential zugerechnet als den physischen Klimarisiken. Vor allem für international agierende Banken, die Bankgeschäfte auch in hoch vulnerablen Ländern betreiben (siehe Indikator IG-R-2), birgt dieser „blinde Fleck“ erhebliches Risikopotenzial. Aber auch für regional agierende Banken sind physische Risiken direkt oder indirekt relevant.
Die Entwicklungen zur Verbesserung der Transparenz im Risikomanagement von Finanzdienstleistern (CSRD, Taxonomie-Verordnung und neue Regulierungen durch EPA und BaFin) werden künftig zu einer intensiveren Analyse physischer Risiken und erwartungsgemäß zur Umsetzung risikomindernder Maßnahmen beitragen. Eine höhere Transparenz ist zum einen bedeutsam, um die Leistungsfähigkeit und Stabilität der Banken auch im Krisenfall zu prüfen. Zum anderen trägt sie dazu bei, dass diejenigen, die Geld anlegen, informierte Entscheidungen treffen können. Mit dem allgemein steigenden Bewusstsein für Klimaschutz und ⁠Nachhaltigkeit⁠ entsteht auch eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigen Kapitalanlagen.
Die Versicherungswirtschaft leistet mit ihren Produkten grundsätzlich einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Risikotransfer. Klimarisikoversicherungen werden als ein zentrales strategisches Instrument für die Klimawandelanpassung gesehen. So wurde im Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge 2015–2030 die Bedeutung von Versicherungen zur Verringerung von Katastrophenrisiken und Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Bevölkerung und Institutionen gegenüber Katastrophen hervorgehoben. Auch in der EU-⁠Anpassungsstrategie⁠ 2021 wird die Schließung der Lücke beim Versicherungsschutz gegen Klimarisiken als wichtiger Schritt hin zu einer klimaresilienten EU gesehen. Europaweit sind im Durchschnitt derzeit nur etwa 35 % der klimabedingten wirtschaftlichen Verluste versichert, in einigen Teilen Europas sogar nur 5 % oder weniger211.
Wesentliche Voraussetzungen für einen umfangreicheren Versicherungsschutz sind zum einen die Verfügbarkeit attraktiver Versicherungsangebote, zum anderen die Bereitschaft der Bevölkerung, Versicherungsprodukte in Anspruch zu nehmen. An der Weiterentwicklung geeigneter Versicherungsinstrumente wird weltweit gearbeitet. In Deutschland ist die eEV inzwischen etabliert, allerdings noch immer mit einer zu geringen Versicherungsdichte (siehe Indikator BAU-R-4). Für die Land- und Forstwirtschaft fehlt es nach wie vor an passfähigen Angeboten für Klimarisikoversicherungen. Bestehende Angebote werden wegen hoher Kosten und fehlender staatlicher Unterstützung derzeit kaum nachgefragt. Generell hat die Finanzwirtschaft ein großes Potenzial, entsprechend benötigte Innovationen bei Versicherungsprodukten voranzutreiben. Begleitende wissenschaftliche Studien könnten diese Bestrebungen zusätzlich unterstützen212.
In Anbetracht des noch immer unzureichenden Risikobewusstseins in der Bevölkerung (siehe Indikator FiW-R-1) erscheint eine noch intensivere und stärker gebündelte Information zu Klimarisiken erforderlich. Zur Aufklärung über die Risiken von Gebäudeschäden und zur Erhöhung der Versicherungsbereitschaft wurden in den letzten Jahren von mehreren Bundesländern Elementarschadenkampagnen durchgeführt. Im Ergebnis waren diese aber nur eingeschränkt erfolgreich und haben vor allem die ohnehin bereits sensibilisierten Personen angesprochen. Auch Instrumente wie der Hochwasser-Pass, die für die Sensibilisierung konzipiert wurden, wurden nicht effektiv weitergeführt. Mit dem internetgestützten Informationsinstrument Naturgefahren-Check, den der ⁠GDV⁠ anbietet, können sich Personen, die mieten oder ein Haus besitzen, sowie Unternehmen darüber informieren, wie stark ihr Gebäude gegenüber Naturgefahren exponiert ist und welche Anpassungsmaßnahmen möglich sind. Auch dieses Angebot wird aber erwartungsgemäß nur die ohnehin bereits interessierte Öffentlichkeit ansprechen. Um mit einem stärker gebündelten Informationsangebot breiter in die Gesellschaft hineinzuwirken, hat der ⁠DWD⁠ im Jahr 2022 angekündigt, in Kooperation mit der ⁠LAWA⁠ und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ein Naturgefahrenportal aufzubauen, mit dem sich künftig die konkreten Gefahren an einem bestimmten Ort digital abrufen lassen und darauf basierend Entscheidungen zur Prävention ermöglicht werden.
Risikotransfer über passfähige Versicherungslösungen reicht aber nicht immer aus, denn Versicherungen sollten bestenfalls nur Teil eines umfassenderen Risikomanagements sein. Im optimalen Fall flankieren Strategien zur operativen Risikominderung den Risikotransfer. So führen viele Versicherer inzwischen selbst individuelle Beratungen beispielsweise zu hochwasserangepassten Bauweisen durch und binden den Abschluss von Versicherungspolicen teilweise an Anpassungsstandards, um Risiken zu mindern und damit auch Versicherungsprämien zu reduzieren. Insgesamt bedarf es aber einer deutlich intensiveren Kooperation zwischen Versicherungsunternehmen, der öffentlichen Hand, den Verbraucherschutzverbänden und den Versicherungsnehmenden. Diskutiert werden unter anderem die stärkere Verankerung von Anpassungsverpflichtungen in gesetzlichen und planerischen Grundlagen sowie Regularien, die beispielsweise die Siedlungsentwicklung in klimarisikoarme Gebiete lenkt (siehe Indikator RO-R-6). Weitere Ansatzpunkte sind die Gestaltung der Versicherungssteuer dahingehend, dass Versicherungsprämien bezahlbar werden, oder auch die Festsetzung eines staatlichen Mindestabsicherungsschutzes mit Aufbau eines staatlichen Pools, aus dem im Schadensfall finanzielle Unterstützungen möglich sind, ohne die Steuerzahlenden zu belasten und die Schäden zu vergemeinschaften. Auch eine enge Kooperation mit den Banken ist in diesem Kontext bedeutsam. So könnte beispielsweise die Vergabe von Hypothekenkrediten an einen Elementarschadenversicherungsnachweis gebunden werden oder dieser könnte zu einer Zinsverbilligung des Kredits führen.

 

211 - Europäische Kommission 2021: Ein klimaresilientes Europa aufbauen - die neue EU-Strategie für die ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠. COM(2021) 82 final, Brüssel. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM:2021:82:FIN

212 - Sönke K., Sandholz S., Bulut S.S., Mirwald M., Kohler D. 2022: Klimarisikoversicherung – Potenziale als strategisches Instrument zur Klimaanpassung in Deutschland. Climate Change 13/2022, Dessau.Roßlau, 122 S. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/klimarisikoversicherung

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