TOU-R-1: Saisonalität der Übernachtungen in den touristischen Großräumen

Das Bild zeigt einen Sandstrand an der Ostsee mit Dünen und Strandkörben. Die der oder dem Betrachtenden zugewandten Strandkörbe sind versperrt. Am Horizont ist das Meer zu sehen. An der Wasserlinie sind einzelne Personen und Personengruppen zu erkennen, sonst ist der Stand leer. Der Himmel ist in Teilen bewölkt.zum Vergrößern anklicken
Saisonübergreifende Angebote sorgen in stark saisonal geprägten Reisezielen für mehr Unabhängigkeit.
Quelle: Micha Trillhaase / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

TOU-R-1: Saisonalität der Übernachtungen in den touristischen Großräumen

In allen touristischen Großräumen mit Ausnahme der urban geprägten Gebiete hat, bezogen auf die Anzahl an Übernachtungen, die Saisonalität der Nachfrage signifikant abgenommen. Dies deutet auf eine gleichmäßigere saisonale Auslastung hin, die für die Destination eine sinnvolle Entwicklung in Richtung Klimaanpassung sein kann.

Die Abbildung TOU-R-1 "Saisonalität der Übernachtungen in den touristischen Großräumen" bildet in Form eines Liniendiagramms den Saisonalitätskoeffizienten Januar-Dezember ab. Der Koeffizient hat keine Einheit. Die Darstellung ist differenziert für die Küste, die Mittelgebirge, die Alpen und das Alpenvorland, die urbanen Gebiete sowie übrige Gebiete. Eine weitere Linie zeigt zudem die Werte für ganz Deutschland.
TOU-R-1: Saisonalität der Übernachtungen in den touristischen Großräumen
Quelle: StBA (Monatserhebung im Tourismus)

Unabhängiger von der Hauptsaison

Den touristischen Destinationen stehen verschiedene grundsätzliche Möglichkeiten zur Verfügung, um Klimawandelfolgen vorzubeugen und sich für den Umgang mit ihnen zu wappnen und anzupassen. Diese können sich nach einem 2021 abgeschlossenen ⁠UBA⁠-Vorhaben von technischen Maßnahmen über Maßnahmen von Krisenprävention und -management sowie Produktanpassung und -management bis hin zur Lenkung von Besucherströmen erstrecken.210
Zur ⁠Anpassung an den Klimawandel⁠ gehört auf einer grundlegenden Ebene auch die Weiterentwicklung von Destinationsstrategien mit Blick auf eine Diversifizierung des Angebots. Durch ein vielfältiges und saisonübergreifendes wetter- und witterungsunabhängiges Angebot sind Destinationen weniger abhängig von einzelnen touristischen Aktivitäten oder Attraktionen. Sie können dann eine zeitweise geringere Auslastung oder auch Betriebsunterbrechungen als Folge der sich ändernden klimatischen Rahmenbedingungen besser kompensieren. Steigende Temperaturen und geringere Niederschläge vom Frühling bis in den Herbst sowie eine Zunahme von thermisch komfortablen Bedingungen bieten Destinationen eine Chance, beispielsweise ihr Angebot in der Nebensaison zu erweitern oder von einer verlängerten Hauptsaison zu profitieren.
Eine Verstetigung der saisonalen Auslastung touristischer Infrastrukturen auf einem sowohl für die Umwelt als auch für die Bevölkerung und die Beschäftigten verträglichen Niveau ist auch ein Baustein für eine nachhaltige Entwicklung von Tourismusdestinationen. Sie kann dazu beitragen, Überlastungen der Umwelt zu vermeiden und ein verlässliches Arbeitsplatzangebot für Beschäftigte zu ermöglichen.

Diese Überlegungen bilden den Hintergrund für den ⁠Indikator⁠ zur Saisonalität der touristischen Großräume „Alpen und Alpenvorland“, „Küste“, Mittelgebirge, „Urban geprägte Gebiete“ sowie „Übrige Gebiete“. Der abgebildete Saisonalitätskoeffizient zeigt das Verhältnis der Anzahl der Übernachtungen im Monat mit der höchsten und der niedrigsten Anzahl an Übernachtungen innerhalb eines Kalenderjahres. Ein hoher Indikatorwert bedeutet dabei eine starke Saisonalität, also einen großen Unterschied zwischen dem nachfragestärksten und dem nachfrageschwächsten Monat. Touristische Großräume mit einer hohen Saisonalität sind also besonders abhängig von der Nachfrage in einzelnen Monaten und der Inanspruchnahme weniger, aber spezifischer Tourismusangebote. Sie tragen damit ein besonderes Risiko für Nachfrageeinbußen, wenn sich die klimatischen oder klimaverbundene Voraussetzungen für die touristische Kernsaison zum Schlechteren ändern. Mit einer Stärkung beispielsweise von Angeboten, die wetterunabhängig sind oder gezielt die Nachfrage in den schwächeren Monaten fördern, können sie dieses Risiko mindern.

Von den touristischen Großräumen in Deutschland weisen die Küstenregionen die stärkste Saisonalität auf. Im Jahr 2019 vor der Covid-19-Pandemie reichte die Spanne der Übernachtungszahlen hier von knapp 2 Mio. Übernachtungen im Januar bis zu über 12 Mio. Übernachtungen im Juli. Im Sommerhalbjahr der Tourismusstatistik (Mai bis Oktober) wurden hier beinahe drei Viertel (73 %) der Übernachtungen verbucht. Auch im touristischen Großraum „Alpen und Alpenvorland“ ist die Bedeutung des Sommerhalbjahrs für den Übernachtungstourismus sehr hoch – rund zwei Drittel (65 %) der Übernachtungen finden in diesem Zeitraum statt. Durch den Wintertourismus ist die Auslastung außerhalb der Sommermonate aber im Vergleich zur Küste höher, die Saisonalität daher weniger stark ausgeprägt. Auch hier wurden 2019 im nachfrageschwächsten Monat knapp 2 Mio. Übernachtungen gezählt, im stärksten Monat erreichte die Nachfrage knapp 6 Mio. Übernachtungen. Die touristische Bedeutung der Wintersaison in den Alpen manifestiert sich zudem in einem starken Tagestourismus und einer damit verbundenen hohen Wertschöpfung vor allem in den Skigebieten.
Die weiteren touristischen Großräume, also die Mittelgebirgsregionen, die urbanen Gebiete und alle übrigen Regionen, weisen bezogen auf die Übernachtungszahlen eine deutlich gleichmäßigere Nachfrage im Jahresverlauf auf. Vor allem der Tourismus in den urbanen Gebieten ist in hohem Maße saisonunabhängig. Die genannten Regionen profitieren davon, dass die dort vorhandenen Angebote wie Kultur- und Städtereisen, Veranstaltungstourismus und Geschäftsreisen, Gesundheits- und Bildungsreisen weniger abhängig von ⁠Wetter⁠ und ⁠Witterung⁠ sind. Zwar gibt es auch hier Nachfragespitzen im Sommer, diese fallen aber weniger markant im Vergleich zu den Küstenregionen oder den Alpen aus. Zu berücksichtigen ist bei der Interpretation allerdings auch, dass die Einteilung der touristischen Großräume unterschiedlich fein ist: Die Räume „Alpen und Alpenvorland“ sowie „Küste“ sind sehr eng abgegrenzt und damit auf bestimmte touristische Angebote zugeschnitten, die „Mittelgebirge“ und vor allem die „Übrigen Gebiete“ sind dagegen sehr viel großzügiger zusammengefasst – letztere umfassen beispielsweise den verdichteten Großraum Stuttgart ebenso wie das ländliche Ostfriesland, das Rheintal, die Lüneburger Heide oder die Mecklenburgische Schweiz und Seenplatte. In diesen weiter gefassten touristischen Großräumen gleichen sich Nachfrageunterschiede zwischen den unterschiedlichen Reisegebieten mit ihrer Angebotsvielfalt stärker aus. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrage und auch ihre saisonale Verteilung von einer Vielzahl allgemeiner Faktoren beeinflusst sind, beispielsweise den Terminen der Schulferien, der wirtschaftlichen Entwicklung einschließlich der Inflation oder dem demografischen Wandel.
Insgesamt hat die Saisonalität der Übernachtungen in den vergangenen Jahren in allen Tourismusräumen mit Ausnahme der urban geprägten Gebiete signifikant abgenommen. Bis einschließlich 2019 bedeutete das, dass die deutschlandweit zunehmenden Übernachtungszahlen in den bis dato nachfragestarken Monaten etwas weniger anstiegen als in den nachfrageschwächeren Monaten. Solange die touristische Nachfrage ein ökologisch und sozial vertretbares Maß einhält, kann eine solche Entwicklung einen Beitrag auch zur Klimaanpassung der Destinationen leisten.

 

210 - Dworak T., Lotter F., Hoffmann P., Hattermann F., Bausch T., Günther W. 2021: Folgen des Klimawandels für den Tourismus in den deutschen Alpen- und Mittelgebirgsregionen und Küstenregionen sowie auf den Badetourismus und flussbegleitende Tourismusformen. Abschlussbericht. Umweltbundesamt (Hg.). Texte 117/2021, Dessau-Roßlau, 160 S. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_117-2021_folgen_des_klimawandels_fuer_den_tourismus_in_deutschland_0.pdf

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