Hintergrund und Zielstellung
Der hohe Verzehr tierischer Produkte, die derzeitige Landnutzung und die intensive Tierhaltung haben negative Auswirkungen auf Umwelt, Klima, Tierwohl und menschliche Gesundheit. Dies belegen zahlreiche Studien. Ein tiefgreifender Wandel des Agrar- und Ernährungssystems ist notwendig, damit wir uns dauerhaft innerhalb der ökologischen Leitplanken ernähren und die gesellschaftlich vereinbarten, teils gesetzlich verbindlichen Umweltziele erreichen können.
Dabei reicht es nicht aus, einzelne Bereiche des Agrar- und Ernährungssystems isoliert voneinander zu betrachten. Problembereiche der landwirtschaftlichen Produktion wie Treibhausgas-Emissionen der Tierhaltung, Nährstoffverluste und Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sind untereinander und mit unseren Ernährungs- und Konsumgewohnheiten eng verbunden. Wegen dieser systemischen Vernetzung von Produktion und Konsum ist es essenziell, eine Transformation mit langfristigen und abgestimmten politischen Strategien zu ermöglichen.
Ziel des Projektes „Landwirtschaft und Ernährung mit Zukunft“ ist es daher, eine Gesamtstrategie mit Fokus auf die zentralen Stellschrauben zur Transformation des Agrar- und Ernährungssystems in Deutschland zu entwickeln. Hierzu werden kurz-, mittel- und langfristige politische Handlungsempfehlungen erarbeitet.
Forschungsfragen
1. Welche Mengen an Fleisch, Milch und Eiern können in der deutschen Landwirtschaft unter Einhaltung der Umweltziele erzeugt werden?
Die Verringerung des Tierbestands ist eine viel diskutierte Umwelt- und Klimaschutzmaßnahme, zu der sich auch die Bundesregierung bekennt. Ein konkretes, quantitatives Ziel für einen nachhaltigen Tierbestand wurde bisher nicht aus den Umweltzielen abgeleitet. Die zu erreichenden Umweltziele liegen in den Bereichen Klima, Biodiversität, Luftreinhaltung und Gewässerschutz. In verschiedenen Szenarien werden dabei Aspekte wie Tierwohl, Nutzungskonkurrenzen und kreislaufbasierte Nutztierfütterung als Beitrag zu Nährstoffkreisläufen berücksichtigt. Ziel ist es, Wissen über die Gesamtmengen an Fleisch, Milch und Eiern zu schaffen, die in Deutschland klima- und umweltverträglich produziert werden können.
2. Wie setzt sich eine nachhaltige Ernährungsweise in Deutschland zusammen?
Ziel der Forschungsfrage ist es, ein vertieftes Verständnis davon zu entwickeln, wie sich ein gesundes und nachhaltiges Ernährungsmuster in Deutschland zusammensetzt. Hierfür werden spezifische Merkmale des deutschen Ernährungssystems wie Anbaubedingungen, Importe und derzeitige Ernährungsmuster berücksichtigt.
Konkret werden die Planetary Health Diet (PHD) der EAT-Lancet Kommission und die überarbeitete Ernährungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bezug auf ihre Nachhaltigkeitswirkungen analysiert und Vorschläge zur Weiterentwicklung bzw. Konkretisierung dieser Ernährungsempfehlungen erarbeitet.
3. Was sind geeignete Ansätze für eine ökologisch nachhaltige Flächennutzung durch die Landwirtschaft?
Ziel der Forschungsfrage ist es, ausgehend von einem definierten Zielzustand und einer durchgeführten Problemanalyse in ausgewählten Agrarregionen Deutschlands, geeignete Ansätze für eine ökologisch nachhaltige, landwirtschaftliche Flächennutzung zu identifizieren. Daraus sollen Empfehlungen für einen umweltgerechten Pflanzenbau der Zukunft bei möglichst multifunktionaler und regional angepasster Flächennutzung abgeleitet werden. Mit Hilfe einer modellgestützten Analyse mit dem Modell APSIM (Agricultural Production Systems sIMulator) wird der Beitrag ausgewählter Maßnahmen verschiedener Anbaukonzepte zur Erreichung der Umweltziele für die Schutzgüter Boden, Klima, Wasser, Luft und Biodiversität in vier Agrarregionen in Deutschland untersucht. In verschiedenen Szenarien werden u.a. Aspekte wie vielfältige Fruchtfolgen, Gemenge- und Mischanbau mit Leguminosen und Landschaftselemente auf der Fläche auf ihre Umweltwirkungen dargestellt.
4. Wie sieht ein effektiver Mix an Handlungsansätzen für die Transformation des Agrar- und Ernährungssystems in Deutschland aus?
In der Forschungsfrage werden Vorschläge erarbeitet, wie kohärente politische Instrumente, die die Transformation des Agrar- und Ernährungssystems unterstützen, gestaltet und gegebenenfalls kombiniert werden können. Die Basis für die Analyse bilden die in den ersten drei Forschungsfragen ermittelten qualitativen und quantitativen Ziele. Im Rahmen dieser übergeordneten Zielrichtung ist auch die vertiefte Analyse und – darauf aufbauend – die Weiterentwicklung einzelner Instrumente erforderlich. Für den Bereich Landwirtschaft erfolgt eine Fokussierung auf die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die das prägende Instrument für die Agrarproduktion ist und sich seit 2025 wieder im Reformprozess befindet. Untersucht wird insbesondere das transformative Potenzial der GAP nach 2027 und die Möglichkeiten, dieses bestmöglich auszuschöpfen und zu erhöhen. Ziel ist es, ein möglichst hohes Klima- und Umweltschutzniveau in Einklang mit den verbindlichen Umweltzielen in die GAP zu integrieren. Für den Ernährungsbereich werden sowohl ordnungsrechtliche Instrumente wie verpflichtende Qualitätsstandards in der Gemeinschaftsverpflegung, ökonomische Instrumente wie Steuern als auch informatorische Instrumente wie Klimalabel näher untersucht. Ziel ist, dass diese Instrumente effektiv im Hinblick auf die Erreichung der Ziele, effizient im Hinblick auf das Verhältnis von Nutzen und Aufwand, praxisorientiert und kohärent in ihrer Wirkung zueinander sein sollen. Aus dem Instrumentenmix werden kurz-, mittel- und langfristige politische Handlungsempfehlungen zur Transformation des Ernährungssystems abgeleitet. Eine adressatengerechte Kommunikation zum Beispiel gegenüber Landwirten und Landwirtinnen, Konsumentinnen und Konsumenten und Politikerinnen und Politikern ist vorgesehen.
Eckdaten des Projekts
Die Bearbeitung des Projekts erfolgt als Eigenforschung des Umweltbundesamtes. Dieses gliedert sich in zwei Phasen, die parallel zueinander laufen. Phase I (Forschungsfrage 1 und 2) ist im Dezember 2022 gestartet, Phase II (Forschungsfrage 3 und 4) hat im Juni 2023 begonnen. Der Abschluss beider Phasen findet im Dezember 2026 statt.
Für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts wurde ein Begleitkreis eingerichtet, in dem zwölf externe Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachdisziplinen das Umweltbundesamt beraten.
Der Abschlussbericht ist im Quartal 4 2026 vorgesehen.