Industrieemissionsrichtlinie
Die Industrieemissionsrichtlinie (IE-Richtlinie 2010/75/EU mit ihrer Änderungs- und Nachfolgerichtlinie 2024/1785/EU) ist das zentrale Regelwerk des Immissionsschutzes in Europa. In ihr werden die Genehmigung, der Betrieb und die Stilllegung von europaweit ca. 55.000 Industrieanlagen betrachtet. Dabei werden sämtliche Emissionen in Luft und Abwasser, aber auch Lärm, Erschütterungen, Abfälle und Einflüsse auf den Boden betrachtet. Zusätzlich sind in der IE-Richtlinie Anforderungen zur Ressourcen- und Energieeffizienz in Form von Umweltleistungswerten, zum Umweltmanagementsystem, zur Dekarbonisierung und zur Verhinderung von Unfällen gestellt. Im Anhang 1 der IE-Richtlinie ist der Geltungsbereich festgelegt. Hier sind neben verschiedener Industrieaktivitäten (z. B. Raffinieren von Mineralöl und Gas, Herstellung von Glas oder Intensivhaltung oder -aufzucht von Geflügel oder Schweinen) Kapazitätsschwellen festgelegt ab derer für eine Industrieanlage die IE-Richtlinie einschlägig ist.
Ziel der IE-Richtlinie ist ein europaweit einheitlich hoher Umweltstandard. So werden über die gemeinsame IE-Richtlinie Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Industrieanlagen verschiedener EU-Mitgliedsstaaten verringert. Zusätzlich sollen durch die in branchenspezifischen BVT-Merkblättern (Merkblätter der besten verfügbaren Techniken) festgelegten Bestimmungen und Emissionsbandbreiten Vollzugsunterschiede innerhalb der Europäischen Union (EU) abgebaut werden. Durch das in der IE-Richtlinie festgeschriebene Verfassen und Novellieren von BVT-Merkblättern wird der Stand der Technik fortgeschrieben und die besten Emissionsminderungstechniken aufgezeigt sowie der Einsatz dieser forciert.
Zur Überwachung der angestrebten Verbesserungen wurden in der IE-Richtlinie zusätzlich Auskunfts- und Überwachungspflichten für die Anlagenbetreiber und die zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten festgelegt.
Informationsaustausch/Sevilla-Prozess
Die BVT-Merkblätter werden in einem durch die IE-Richtlinie und den Durchführungsbeschluss 2012/119/EU festgelegten Prozess erarbeitet und novelliert. Dieser Prozess wird Informationsaustausch oder Sevilla-Prozess genannt. Der Name Sevilla-Prozess ergibt sich aus der Tatsache, dass das zuständige europäische Büro seinen Sitz in Sevilla hat und alle Sitzungen, die im Verlauf des Informationsaustauschs auf europäischer Ebene stattfinden, in Sevilla durchgeführt werden.
Das zuständige Büro heißt im Deutschen IVU-Büro (Büro zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung). Allerdings ist auch im deutschen Sprachgebrauch die englische Abkürzung EU-BRITE (European Bureau for Research on Industrial Transformation and Emissions vormals EIPPC-Büro - European Integrated Pollution Prevention and Control Bureau) durchaus üblich und wird im Weiteren verwendet. Das EU-BRITE ist für die Planung und Durchführung der Neuerarbeitung und der Revisionsprozesse von BVT-Merkblättern zuständig.
Die Neuentwicklung oder Revision eines BVT-Merkblattes beginnt auf nationaler Ebene. Zunächst werden in Arbeitsgruppen BVTs gesammelt, die für die Branche relevanten Emissionen zusammengestellt und Standpunkte zu Emissionsbandbreiten und Umweltleistungswerten diskutiert. Das Ergebnis wird dem EU-BRITE übermittelt und in einem Auftakttreffen in Sevilla zwischen den Mitgliedsstaaten, den betreffenden Industriezweigen, den Umweltorganisationen, der Europäischen Chemikalienagentur und der Kommission diskutiert. Dem folgt eine in Industrieanlagen aus ganz Europa stattfindende Datenerhebung zu Prozess- und Emissionsdaten, deren Ergebnisse in den ersten Entwurf des neuen BVT-Merkblattes einfließen. Nach verschiedenen Kommentierungsrunden und einer weiteren Sitzung in Sevilla wird das fertige BVT-Merkblatt im europäischen Artikel 13-Forum begutachtet und diskutiert und vom Artikel 75-Ausschuss verabschiedet. Zur Erstellung oder Überarbeitung eines BVT-Merkblattes mit BVT-Schlussfolgerungen werden vier Jahre Bearbeitungszeit angesetzt. Eine Überarbeitung erfolgt ca. alle acht Jahre.
BVT-Merkblätter
Die BVT-Merkblätter sind sehr umfangreiche Dokumente mit großem Informationsgehalt. Anlagenbetreiber und Genehmigungsbehörden können sich an ihnen orientieren. Sie sind in ihrer Gänze jedoch nicht rechtsverbindlich. Es werden für verschiedene Branchen die zugehörigen Techniken, Anforderungen an die Emissionen einer Anlage und Betriebsbedingungen und alle relevanten organisatorischen Aspekte des Betriebes von Industrieanlagen auf einem möglichst hohen Umweltschutzniveau dargestellt.
Lediglich das Kapitel der BVT-Schlussfolgerungen hat im BVT-Merkblatt einen besonderen Status. Die BVT-Schlussfolgerungen werden nach abgeschlossener Revision ausgekoppelt und als Durchführungsbeschluss im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die enthaltenen Anforderungen sind verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten anzuwenden. Sie gelten für neue Anlagen unmittelbar nach der Veröffentlichung und für bestehende Anlagen spätestens nach vier Jahren. Die BVT-Schlussfolgerungen enthalten neben verbindlichen Emissionsbandbreiten und dazugehörige Emissionsminderungstechniken und verbindliche Bandbreiten für Verbrauchsniveaus von materiellen Ressourcen einschließlich Wasser und Energie Anforderungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anlagen des jeweiligen Sektors. Im deutschen Sprachgebrauch sind die englischen Bezeichnungen für BVT-Merkblätter - BREF (Best Available Techniques Reference Document) und für die BVT-Schlussfolgerungen – BAT Conclusion (Best availabl technique Conclusion) durchaus üblich und werden in Diskussionen synonym verwendet.
Nationale Koordinierungsstelle für die IE-Richtlinie
Im Umweltbundesamt ist die nationale Koordinierungsstelle für die IE-Richtlinie angesiedelt. Hier werden die nationalen Arbeiten zur Richtlinie, zu BVT-Merkblättern und zum Informationsaustausch gebündelt und sie dient als Ansprechpartnerin für die europäischen Partnerinnen und Partner. Eine Kontaktaufnahme ist jederzeit über NKS-IED [at] uba [dot] de möglich.