Landschaftswasserhaushalt stabilisieren

vertrocknetes Getreide auf einem Acker bei Sonne und blauem Himmelzum Vergrößern anklicken
Schlechte Ernten durch Hitze und Trockenheit – nur eine der Folgen des Klimawandels in Deutschland.
Quelle: hykoe / Fotolia.com

Der Landschaftswasserhaushalt ist aus dem Gleichgewicht: Begradigte Gewässer, versiegelte Böden und entwässerte Moore halten zu wenig Wasser in der Fläche zurück. Die Folgen: Trockenheit, sinkendes Grundwasser und Hochwasser. Die Lösungen: Wasser durch angepasste Flächenbewirtschaftung zurückhalten, Flüssen mehr Raum geben, Auen überfluten sowie Land und Boden klimaangepasst bewirtschaften.

Inhaltsverzeichnis

 

Warum ein funktionierender Landschaftswasserhaushalt zentral für Klima, Biodiversität und Mensch ist

Ein ausgeglichener Landschaftswasserhaushalt ist die Grundlage für gesunde, resiliente Ökosysteme, die Verfügbarkeit von Wasser für Mensch und Umwelt sowie die Widerstandsfähigkeit der Natur gegenüber Extremwetterereignissen. Doch durch den ⁠Klimawandel⁠, intensive ⁠Landnutzung⁠ und weitreichende Eingriffe in natürliche Fluss- und Auen-Ökosysteme ist dieses Gleichgewicht zunehmend gestört.

In Deutschland sind nur 9 % der Flüsse und Seen in einem guten ökologischen Zustand. Das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) wird damit deutlich verfehlt. Gleichzeitig steigt der Druck auf Böden und Gewässer: Trockenperioden nehmen zu, Hochwasser – und Starkregenereignisse werden häufiger, die technischen Hochwasserschutzmaßnahmen stoßen an ihre Grenzen und Bewässerungsbedarfe nehmen zu.

Um diesen Herausforderungen wirksam zu begegnen, braucht es einen grundlegenden Wandel von einer derzeit entwässerten Landschaft hin zu einer klimaangepassten „Schwamm-Landschaft“, die Wasser zurückhält, speichert und langsam wieder abgibt.

 

Was bedeutet der Begriff Landschaftswasserhaushalt?

Der Begriff bezeichnet die natürlichen Prozesse der Wasserverteilung und -speicherung in der Landschaft. Wasser fließt durch und wird gespeichert in Böden, Pflanzen, Flüssen, Bächen, Seen sowie in der ⁠Atmosphäre⁠ und verleiht so der Landschaft ⁠Resilienz⁠ gegenüber störenden Einflüssen. Der Landschaftswasserhaushalt umfasst alle Komponenten des Wasserkreislaufs:

Ein gesunder, resilienter Wasserhaushalt puffert klimatische Extreme ab, unterstützt die ⁠Biodiversität⁠ und dient als natürliche Infrastruktur zum Schutz vor Hochwasser und ⁠Dürre⁠. Im weiteren Sinne spielt dabei auch die Wasserqualität eine Rolle, von der menschliche Nutzungen (insbesondere Trinkwassergewinnung) und die Lebensbedingungen für die Ökosysteme ebenso abhängen.

 

Die Herausforderung - Rückhalt statt Entwässerung

Über viele Jahrzehnte wurde der Wasserhaushalt systematisch verändert:

  • Flüsse wurden begradigt, vertieft oder mit Uferbefestigungen versehen.
  • Auen und Feuchtgebiete wurden durch Deiche vom Wasser abgetrennt oder entwässert.
  • Verringerte Schneeschmelze in den Mittelgebirgen durch Erwärmung
  • Stadt- und Verkehrsflächen wurden versiegelt und verdichtet.
  • Landwirtschaftliche Flächen wurden drainiert und trockengelegt.
  • Moore und Niedermoorböden wurden trockengelegt und intensiv landwirtschaftlich genutzt.

Dadurch entstand in weiten Teilen Deutschlands eine großflächige Entwässerungslandschaft, in der Wasser nicht gehalten, sondern möglichst schnell abgeleitet wird (siehe Publikationen). Die Folge: Niedrigere Grundwasserstände, trockenere Böden und ein erhöhtes Risiko für Hochwasser bei ⁠Starkregen⁠.

 

Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt

Die Klimakrise verschärft die bestehenden Probleme: Sommerliche Dürreperioden verstärken das Austrocknen von Böden und Flüssen und führen zu sinkenden Grundwasserspiegeln.

Gleichzeitig nimmt die Häufigkeit von Starkregen und Hochwasser zu. Bei Starkniederschlägen wird das Wasser schnell über die Flüsse in die Meere abgeführt - dieses Wasser ist für den regionalen Wasserhaushalt verloren. Das liegt auch daran, dass ein erheblicher Teil der ehemaligen Überflutungsflächen nicht mehr zur Verfügung steht– sei es durch Deiche, Versiegelung oder Nutzungsänderung. Bei Hochwasser kommt es dadurch zu größeren Schäden.

 

Mehr Schwamm, weniger Beton – Handlungsoptionen für einen nachhaltigen Wasserhaushalt

Flüsse und Auen renaturieren

Intakte Flussauen speichern Wasser und geben es in Trockenzeiten langsam wieder ab. Renaturierungen verbessern den Wasserrückhalt, fördern die Artenvielfalt und leisten einen Beitrag zum ⁠Klimaschutz⁠ durch CO-Bindung in den Böden.

Beispiel: Die Deichrückverlegung Sandau Süd an der Elbe schafft 124 Hektar Überflutungsfläche und trägt zur Senkung regionaler Hochwässer bei.

 

Gewässer wieder in natürliche Strukturen überführen

Ein naturnaher Flussverlauf mit Nebengewässern, Mäandern, Flutrinnen und Schotterbänken ermöglicht vielfältige Lebensräume und verbessert die Qualität der Gewässer. Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen sind daher nicht nur ökologisch wertvoll, sondern auch wasserwirtschaftlich sinnvoll.

Beispiel: An der Alten Nebel in Mecklenburg-Vorpommern wurde ein 200 Meter breiter ⁠Entwicklungskorridor⁠ geschaffen – mit positiven Effekten für den Wasserhaushalt und die ⁠Biodiversität⁠.

 

Schwammstadt-Prinzip und nachhaltige Stadtentwicklung

In Städten wird Regenwasser oft direkt in die Kanalisation geleitet. Durch grüne Infrastrukturen wie begrünte Dächer oder Regenwasserspeicher kann Wasser lokal zurückgehalten und genutzt werden – ein wichtiger Beitrag zur Klimaanpassung. Dies schützt darüber hinaus nicht nur vor Überflutung, sondern verbessert auch das Mikroklima in Städten. Ausführliche Hinweise zur Schwammstadt finden Sie hier: Schwammstadt – Zukunftskonzept für klimaresiliente und lebenswerte Städte | Umweltbundesamt

Die Grafik zeigt den Wandel von einer stark versiegelten Großstadt hin zu einer klimaresilienten Schwammstadt mit seinen positiven Auswirkungen.
Die klimagerechte Schwammstadt
Quelle: Datenquelle: Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Beispiel: Regenwasserbewirtschaftung macht Schule - In der Freien Waldorfschule am Prenzlauer Berg, Berlin wurde der Schulhof entsiegelt und begrünt. Unter Anleitung gestalten und pflegen Kollegium, Eltern und Schüler:innen die entstandenen Freiräume, um Regenwasser in der Fläche zu speichern.

Eine weitere Option ist der Einsatz von aufbereitetem Abwasser für die Pflege von städtischen Grünflächen.

 

Landwirtschaft und Forstwirtschaft klimaangepasst gestalten

  • Bodenschonende Bewirtschaftung erhält die Wasserspeicherfähigkeit der Böden und begünstigt die ⁠Grundwasserneubildung⁠.
  • Vielfältige Fruchtfolgen, angepasste Kulturen und Agroforstsysteme vermeiden Bodenerosion und erhöhen die ⁠Resilienz⁠ gegenüber ⁠Dürre⁠.
  • Landwirtschaftliches Flächenmanagement um Wasserrückhalt zu fördern und ⁠Abfluss⁠ zu verringern (z.B. durch Key Line Design).
  • Wiedervernässung von Mooren reduziert Treibhausgasemissionen und stärkt die Landschaftsfeuchte.
 

Fördermöglichkeiten für Maßnahmen

Die Notwendigkeit unseren Landschaftswasserhaushalt großflächig an die Klimaveränderungen anzupassen, wurde erkannt und ist Hauptbestandteil der Nationalen Wasserstrategie und des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz. Für die Umsetzung von Renaturierungs- und Wasserrückhaltemaßnahmen stehen vielfältige Förderinstrumente zur Verfügung:

 

Fazit: Transformation zur Schwammlandschaft

Die Vision für den Landschaftswasserhaushalt der Zukunft ist eine Schwammlandschaft – eine vielfältige, strukturreiche Landschaft, die Wasser aufnimmt, speichert und langsam wieder abgibt. Ein funktionsfähiger Landschaftswasserhaushalt ist kein Luxus, sondern Grundvoraussetzung für Klimaanpassung, nachhaltige Landwirtschaft, Hochwasserschutz und eine lebenswerte Umwelt. Nur so lassen sich die Herausforderungen des Klimawandels meistern, unsere Gewässer schützen und die biologische Vielfalt bewahren.

Das müssen wir tun:

  • Raum für Flüsse und eigendynamische ⁠Gewässerentwicklung⁠ schaffen.
  • Mehr Wasser in der Fläche halten statt es schnell abzuleiten durch eine angepasste Flächenbewirtschaftung.
  • Synergien zwischen Hochwasser-, Natur- und ⁠Klimaschutz⁠ nutzen.
  • Konsequente Umsetzung bestehender Förderprogramme und Strategien.
  • Kommunen und Regionen durch Beratung und Know-how gezielt unterstützen.

Beispiel - Mehr Wasser in der Fläche halten: Die konservierende Bodenbearbeitung bietet gegenüber der konventionellen Landwirtschaft mehrere Vorteile. Durch den Verzicht auf intensive Bodenbearbeitung wie Pflügen wird die Bodenstruktur geschont, was ⁠Erosion⁠ vermindert und die Wasseraufnahme sowie -speicherung verbessert. Zudem bleibt organisches Material wie Pflanzenreste auf der Oberfläche, was die Bodenfruchtbarkeit erhöht und die biologische Aktivität fördert. Dies führt langfristig zu einem stabileren ⁠Ökosystem⁠ im Boden und kann den Bedarf an Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln reduzieren.

Die Zukunft des Wassers liegt in unseren Händen – gestalten wir sie nachhaltig.