FiW-R-1: Bewusstsein der Bevölkerung für Sturm- und Hochwasserrisiken

Das Bild zeigt einen Mann, der in einem überschwemmten Kellerraum knietief in braunem Wasser steht. Auf einem Regal stehen Dosen, Kartons und Blumentöpfe. Vor dem Regal stehen von dem Wasser umspülte Plastikeimer. Der Mann blickt auf weitere Behältnisse, Paletten und Plastiksäcke, die vor ihm aufgetürmt sind.zum Vergrößern anklicken
Die Ahrtal-Katastrophe in 2021 zeigt, wie verwundbar die Bevölkerung gegenüber Klimafolgen ist.
Quelle: Mr. Bolota / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

FiW-R-1: Bewusstsein der Bevölkerung für Sturm- und Hochwasserrisiken

Das Risikobewusstsein in der deutschen Bevölkerung ist trotz der Extremereignisse der vergangenen Jahre noch immer gering. Nicht einmal ein Viertel der befragten Personen geht davon aus, dass für ihr Haus oder ihre Wohnung ein reales Schadensrisiko durch Stürme und Hochwasser besteht. Die im Jahr 2021 Befragten antworteten vermutlich noch unter dem Eindruck der Juli-Hochwasserkatastrophe: Ein höherer Anteil ging von einer sehr starken Betroffenheit aus.

Die Abbildung FiW-R-1 "Bewusstsein der Bevölkerung für Sturm- und Hochwasserrisiken" stellt in Form von vier Stapelsäulen die Einschätzung zur Betroffenheit durch Stürme und Hochwasser für die Jahre 2012, 2014, 2016 und 2021 dar.
FiW-R-1: Bewusstsein der Bevölkerung für Sturm- und Hochwasserrisiken

Die Abbildung FiW-R-1 "Bewusstsein der Bevölkerung für Sturm- und Hochwasserrisiken" stellt in Form von vier Stapelsäulen die Einschätzung zur Betroffenheit durch Stürme und Hochwasser für die Jahre 2012, 2014, 2016 und 2021 dar. Der Anteil der Befragten in Prozent wird im Folgenden für die jeweiligen Kategorien mit aufsteigendem Jahr gelesen: überhaupt nicht betroffen / trifft nicht zu: 36, 36, 30 und 27 Prozent; weniger betroffen: 45, 41, 48 und 48 Prozent, stark betroffen: 17, 16, 17 und 17 Prozent, sehr stark betroffen: 2, 4, 3 und 6 Prozent. Ab 2014 gibt es zusätzlich die Kategorie weiß nicht. Eine Trendanalyse erfolgte nicht.

Quelle: BMUB/BMUV & UBA (Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“ für 2021: Zusatzbefragung im Rahmen der Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2020“)

Risikobewusstsein in der Bevölkerung steigt leicht

Für die Versicherungswirtschaft ist ein angemessenes Risikobewusstsein der Bevölkerung und der Unternehmen eine ihrer wichtigsten Geschäftsgrundlagen. Nur wenn dieses Bewusstsein breit verankert ist und sich infolgedessen viele Menschen versichern, lassen sich ausreichend große Risikogemeinschaften für eine Versicherung bilden, die sicherstellen, dass die Versicherungsprämien erschwinglich sind.
Wie Menschen Gefährdungen beziehungsweise Risiken wahrnehmen, wie sie die möglichen Folgen und den Handlungsbedarf einschätzen, ist individuell sehr unterschiedlich. Neben harten naturwissenschaftlich belegten und messbaren Faktoren, die das Ausmaß des Risikos bestimmen, gibt es zahlreiche subjektive Komponenten, die die Risikowahrnehmung in erheblichem Maße beeinflussen können. Risikowahrnehmungen sind dabei oftmals verzerrt. Sie können einerseits geprägt sein von unrealistischem Optimismus und der Illusion, alles unter Kontrolle zu haben, andererseits von den Eindrücken aktueller katastrophaler Ereignisse, die große Betroffenheit auslösen und zur Überschätzung einzelner Risiken führen können.

Dies zeigen die Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland“ beziehungsweise der Zusatzbefragung, die regelmäßig im Auftrag des ⁠UBA⁠ und des Bundesumweltministeriums durchgeführt wird215. Die Befragten geben darin Einschätzungen ab, in welchem Umfang sie persönlich von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden. Im Jahr 2012 gaben noch 81 % der Befragten an, sie würden sich weniger bis überhaupt nicht in der Gefahr sehen, dass Hochwasserereignisse und Stürme zu Schäden an ihrem Haus oder ihrer Wohnung führen. An dieser Einschätzung hatte sich auch in den Folgebefragungen wenig geändert: 2014 sahen sich 77 % und im Jahr 2016 78 % weniger oder nicht betroffen. Die neuerliche Befragung im Jahr 2021 macht deutlich, dass das Risikobewusstsein weiter gestiegen ist. Sehr deutlich fällt die Steigerung vor allem in der Kategorie derjenigen aus, die sich nun als stark betroffen einschätzen. Die Umfrage wurde im September 2021 durchgeführt, also zwei Monate nach dem katastrophalen Hochwasser im Ahr- und Erfttal. Es ist davon auszugehen, dass die Befragten noch unter dem Eindruck dieser Ereignisse geantwortet haben. Die aus den Befragungen gewonnenen Werte erlauben allerdings nur eingeschränkte Interpretationen, da sie nicht mit der Information über die tatsächliche ⁠Exposition⁠ der Befragten gegenüber den genannten Klimawandelfolgen verbunden sind.

Generell muss davon ausgegangen werden, dass die deutsche Bevölkerung die Risiken nach wie vor unterschätzt. Vor allem die zunehmenden Starkregenereignisse geben Anlass zur Besorgnis. Diese können auch fernab der großen Flussläufe und der als hochwassergefährdet eingestuften Bereiche zu massiven Überschwemmungen führen, wenn kleine Gewässer rasch anschwellen und über die Ufer treten. Wenn – wie im Juli 2021 – regional innerhalb von 24 Stunden 150 l/m² Niederschlag fallen, kann die Landschaft diese Wassermassen nicht mehr aufnehmen (siehe ⁠IndikatorWW-I-5). Generell können extreme kleinräumige ⁠Starkregen⁠ kurzer Andauer, die eine hohes Schadenspotenzial haben, in Deutschland jeden treffen. Vergleichbares gilt auch für Stürme, wobei es hier sowohl bezüglich der Messungen als auch der Projektionen noch größere Unsicherheiten gibt.
Zum geringen Risikobewusstsein kommt hinzu, dass viele Menschen glauben, sie seien über ihre bestehenden Versicherungen bereits ausreichend gegen Schäden infolge des Klimawandels versichert. In vielen Fällen wird dabei trotz aller Informationskampagnen nach wie vor übersehen, dass die übliche Verbundene Wohngebäudeversicherung beispielsweise Schäden aus starken Überflutungen nicht abdeckt. So ist die Versicherungsdichte in der erweiterten Elementarschadenversicherung noch immer gering (siehe Indikator, BAU-R-4).
Damit die bestehenden Möglichkeiten der ⁠Klimafolgen⁠-Risikominderung von der Bevölkerung besser ausgeschöpft und die notwendigen Vorsorgemaßnahmen und Absicherungen getroffen werden, sind zwei Faktoren besonders wichtig: Die Bevölkerung muss sich zunächst über das eigene Risiko und ihre mögliche Betroffenheit informieren, und sie muss für den Bedarfsfall alltagstaugliche Handlungsoptionen kennen und nutzen können.
Hilfestellung hierfür leistet unter anderem das seit Mitte 2020 verfügbare internetgestützte Informationsinstrument „Naturgefahren-Check“ des ⁠GDV⁠, das Personen, die mieten oder ein Haus besitzen, sowie Unternehmen darüber informiert, wie stark ihr Gebäude gegenüber Naturgefahren exponiert ist. Nach Eingabe der Postleitzahl erfahren die Nutzenden, welche Schäden Unwetter am eigenen Wohnort ausgelöst haben. Nach Eingabe der konkreten Adressdaten kann seit 2022 über den Hochwasser-Check für jeden Standort auch die Gefahr von Starkregen und von ⁠Flusshochwasser⁠ abgefragt werden. Das Tool bietet auch allgemeine Handlungsempfehlungen an. Der „Naturgefahren-Check“ soll das Bewusstsein der Menschen für die Risiken von Naturereignissen schärfen und zur Eigenvorsorge auffordern. Um das Informationsangebot zu einem breiten Spektrum von Naturgefahren besser zu bündeln, arbeitet der ⁠DWD⁠ aktuell zusammen mit ⁠LAWA⁠ und BBK am Aufbau eines Naturgefahrenportals, mit dem sich künftig die konkreten Gefahren an einem bestimmten Ort digital abrufen lassen und darauf basierend Entscheidungen zur Prävention ermöglicht werden. Aufgrund seiner soliden Informationsbasis könnte dieses Instrument auch breiter in die Gesellschaft hineinwirken.

 

215 - infas – Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH 2022: Tabellenband – Zusatzbefragung im Rahmen der Umweltbewusstseinsstudie 2020. Themenbereich: Klimaanpassung. Bonn, 39 S.
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2378/dokumente/tabellenband_ubs_zusatzbefragung_sept_2021_klimaanpassung.pdf