Die „Tiefen, großen, kalkarmen Mittelgebirgsseen“ liegen vornehmlich in den Mittelgebirgen von Sachsen, Thüringen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Typische Vertreter sind die Talsperren Leibis-Lichte in Thüringen, Eibenstock in Sachsen, die Rappbode in Sachsen-Anhalt, Oleftalsperre in Nordrhein-Westfalen, Granetalsperre in Niedersachsen und die Förmitztalsperre in Bayern.
Im Kartendienst zum Gewässertyp des Jahres finden Sie alle Fließgewässer, Seen, Ästuare (Übergangsgewässer) und Küstengewässer. Alle „Tiefen, großen, kalkarmen Mittelgebirgsseen“ in Deutschland und deren Bewertung des Zustands sind dort farbig hervorgehoben. Sie können sich für den See, der Sie interessiert, weitere Angaben zum Zustand der Gewässerflora und -fauna abrufen.
Steckbrief:
Mittlere Tiefe: 5 - 25 m
Maximale Tiefe: 12 –80 m
Seebeckenmaterial:
Talsperren mit Steinschüttungen und Blöcken insbesondere in Staumauernähe, an Zuflüssen und Uferbereichen Sande und Kiese
je nach Talform des aufgestauten Flusslaufs, meist mäßig steile bis steile Böschungen, zur Stauwurzel hin oft flachere Ufer, große Waldflächen im Einzugsgebiet
Lebensgemeinschaft:
In Abhängigkeit vom Huminstoffgehalt Kieselalgen,Goldbraune Algen, an Wasserstandsschwankungen angepasste Pflanzenarten wie Strandling und Hirschsprung
Hauptbelastungsfaktoren:
Nährstoffeinträge aus dem Einzugsgebiet, ökologische Durchgängigkeit, Tourismus, Bootsverkehr
Die Einzugsgebiete der Talsperren des Typs sind oft sehr waldreich, die Uferbereiche und Böschungen sehr steil. An den Staumauern dominieren Steinschüttungen und große Blöcke, an den Zuläufen und Uferbereichen feine Kiese und Sande. Die Seen haben Kalkgehalte unter 15 mg/l Ca und durch den Einfluss von Mooren und sauren Waldböden im Einzugsgebiet meist erhöhte Gehalte an Huminstoffen. Die Huminstoffe senken den pH-Wert in den schwach sauren Bereich und führen zu leicht brauner Färbung des Wassers. Diese Einflüsse bestimmten maßgeblich die Artenzusammensetzung in den Seen.
Das Wasser der Talsperren wird schnell ausgetauscht. In stark bewirtschafteten Talsperren sind die Verweilzeiten häufig geringer als 30 Tage. Zudem schwanken die Wasserstände stark. Wo Uferflächen sporadisch trocken fallen, haben sich wenige, sehr spezielle Pflanzenarten wie der Strandling und der Hirschsprung auf die wechselnden Wasserstände eingestellt. Die Fischfauna wird oft dominiert von Bach- und Seeforellen. Auch Hechte, Zander, Äschen und Flussbarsche sind häufig.
Charakteristische Tier- und Pflanzenarten für den Tiefen, großen, kalkarmern Mittelgebirgssee
Oligotricha striata (Linnaeus 1758)
Oligotricha striata ist eine von mehr als 300 in Deutschland lebenden Köcherfliegenarten. Die Larven schützen ihren weichen Hinterleib durch einen bis zu 4 cm langen, selbstgebauten Köcher aus Pflanzenmaterial. Sie leben räuberisch von Wasserinsekten oder auch von Pflanzenteilen, welche sie mit ihren Mundwerkzeugen zerkleinern. Das erwachsene Tier (Imago) lebt an Land und saugt Blütennektar. Zwischen März und Juli schlüpft es aus der verpuppten Larve an der Wasseroberfläche und kann bereits nach wenigen Minuten fliegen. Nach der Paarung legen die Weibchen die Eier wieder in ein geeignetes Gewässer und der etwa 1 Jahr dauernde Entwicklungszyklus beginnt erneut. Die Lebensphasen im Wasser – also das Ei-, das Larven- und das Puppenstadium dauern oft bis zu 10 Monate.
Tabellaria flocculosa
Tabellaria flocculosa ist eine Kieselalge (Diatomee). Sie kommen als Einzelzellen vor oder bilden kleine Kolonien in Form von unverzweigten Fäden, die in Zickzackbändchen oder Sternchen angeordnet sind. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung erfolgt durch Teilung der Einzelzellen, die zu einer Verkleinerung der Zellen oder zum Zerbrechen der Kolonien führen kann. Tabellaria flocculosa kommt in stehenden Gewässern auf den Oberfläche von Steinen oder an Wasserpflanzen und besonders häufig frei schwebend im Plankton vor. Die Art besiedelt in der Regel Gewässer, die aufgrund ihres geringen bis mäßigen Nährstoffangebots eine geringe organische Produktion aufweisen.
Biegsame Glanzleuchteralge (Nitella flexilis)
Die meisten Arten der Armleuchteralgen (Characeen) stehen aufgrund ihrer Vorliebe für saubere, nährstoffarme Seen, Teiche oder Fließgewässer in Deutschland und anderen Ländern auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Die Sprosse der Biegsamen Glanzleuchteralge sind nur etwa 1-1,5 mm dick, werden aber zwischen 10 – 40 Zentimeter lang - in Ausnahmefällen bis zu einem Meter. Armleuchteralgen überwuchern den lichtüberfluteten Gewässerboden oft wie ein dichter Rasen, der Jungfischen ein ideales Versteck vor Fressfeinden bietet. Vielen Wasservogelarten dienen die Algen oder die in ihnen lebenden Kleintiere als Nahrung.
Flussbarsch (Perca fluviatilis)
Der Flussbarsch ist in ganz Europa in stehenden und fließenden Gewässern heimisch und gilt als äußerst anpassungsfähige Fischart. Flussbarsche werden je nach Nahrungsangebot durchschnittlich 20 bis 30 Zentimeter lang, nur selten über 50 cm. Zur Nahrung des Flussbarsches gehören Plankton - Organismen, Bodentiere, Insekten, die an der Wasseroberfläche erbeutet werden und Fische – auch der eigenen Art. Die Laichzeit erstreckt sich von März bis Juni wobei bis zu 300.000 Eier pro Weibchen in Form von langen, netzartigen Gallertschnüren (sog. Barschschnüren) an Wasserpflanzen, Steinen oder Ästen an flachen Uferstellen abgelegt werden.
Haubentaucher (Podiceps cristatus)
Der knapp entengroße Haubentaucher ist in Deutschland der häufigste und bekannteste Vertreter der Familie der Lappentaucher. Er brütet im Uferbereich fischreicher Seen, Talsperren und an größeren Teichen. Neben kleineren bis mittelgroßen Fischen stehen auch Insektenlarven, Kaulquappen, Frösche, Krebstiere, Spinnen und Wasserinsekten auf seinem Speiseplan. Die Nahrung wird meist tauchend erjagt, wobei der Haubentaucher oft mehr als 40 Sekunden unter Wasser bleibt. Besonders auffällig ist sein Balzverhalten. Dabei werden scheinbar „Tänze“ auf freier Wasserfläche aufgeführt, wie ab März nach Rückkehr aus den Überwinterungsgebieten gut zu beobachten ist.
Als Talsperren unterliegen die Tiefen, großen, kalkarmen Mittelgebirgsseen den typischen Nutzungen und Belastungen. Ein großer Teil dient der Trinkwassergewinnung. Weil dafür ein hygienisch und stofflich einwandfreier Zustand wichtig ist, sind Freizeitaktivitäten wie Baden, Tauchen, Angeln und Bootsfahren in manchen Trinkwassertalsperren nur eingeschränkt erlaubt. Manche sind eingezäunt und die Einzugsgebiete als Wasserschutzgebiete ausgewiesen, in denen Einleitungen verboten und die Landwirtschaft einschränkt ist. Talsperren dienen dem Hochwasserschutz sowie der Erzeugung elektrischer Energie. Auch die Niedrigwasseraufhöhung und Schiffbarmachung sind wichtige Funktionen. Hinzu kommt in einigen Talsperren (Biggetalsperre, Sösetalsperre) die Fischerei.
Bei den wenigen Talsperren, die zu hoch mit Nährstoffen belastet sind, sollten weitere Maßnahmen zur Reduktion ergriffen werden, z.B. im Rahmen der Umsetzung von Wasserschutzgebietsverordnungen. Zum Beispiel führen Nährstoff- und Bodeneinträge im Eixendorfer See zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung der Algen und Wasserpflanzen. Auch die Förmitztalsperre ist erhöht mit Nährstoffen belastet.
Die Huminstoffe sind häufig ein Problem für die Trinkwassergewinnung. Sie gelangen über die Zuflüsse in die Seen, insbesondere bei Starkniederschlägen und während der Schneeschmelze. An der Trinkwassertalsperre Eibenstock wird das Zuflusswasser bei Belastungsspitzen mit Huminstoffen durch ein Vorbecken, einen Umleitungsgraben und Rohrleitungen durch die Talsperre hindurchgeleitet. Weil Talsperren in den meist seenarmen Gebieten der Mittelgebirge bevorzugte Lebensräume für wassergebundene, gefährdete Arten von Lurchen, Wasservögeln und Sumpfpflanzen sind und als Rast- und Brutplätze für Zugvögel dienen, sind viele Teil von Naturschutz-, Landschaftsschutz- und Vogelschutzgebieten. Einige Talsperren sind als europäische FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) besonders geschützt. Die Talsperren sind andererseits Barrieren für Gewässerorganismen und Sedimente. Sie ändern das Abfluss- und Temperaturregime der unterhalb liegenden Flüsse. Letzterem sollte durch naturnahe Nachbildung der Dynamik und der Temperatur der Abflüsse entgegen gewirkt werden.
Zustand
Das Ziel der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie ist es, in allen Gewässern einen guten ökologischen und einen guten chemischen Zustand zu erreichen. Da bei erheblich veränderten Gewässern wie Talsperren dies die Nutzungen nicht erheblich einschränken darf, gilt hier das gute ökologische Potenzial. Von den 26 Tiefen, großen, kalkarmen Mittelgebirgsseen haben gegenwärtig 21 das gute ökologische Potenzial erreicht. Vier Talsperren (Förmitztalsperre, Talsperre Schwarzenbach, Neyetalsperre, Biggetalsperre) haben aufgrund der Artenzusammensetzung von Algen und Wasserpflanzen ein mäßiges Potenzial. Nur der Eixendorfer See weist aus gleichem Grund noch ein ökologisch unbefriedigendes Potenzial auf.
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