Internationale Initiativen zur Methode und Anwendung von Ökobilanzen
Ökobilanzen, auf Englisch als „Life Cycle Assessment (LCA)“bezeichnet, haben in den letzten zwei Jahrzehnten immens an Bedeutung gewonnen und werden mittlerweile weltweit von Akteuren aus verschiedensten Wirtschaftszweigen, der Forschung und öffentlichen Einrichtungen angewandt. Zusätzlich zu den Grundsätzen und Regeln zur Durchführung von Ökobilanzen in den ISO-Standards 14040:2006 und 14044:2006, haben sich mehrere Initiativen gebildet, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die mit der weltweiten und vielfältigen Anwendung von Ökobilanzen einhergehenden Herausforderungen, wie beispielsweise Konsistenz von Modellierungs- und Bewertungsmethoden, Datenaustausch und Zugänglichkeit zu Daten, zu adressieren. In diesem Zusammenhang sind etwa das International Life Cycle Data Network (LCDN), die Life Cycle Initiative, das Global LCA Data Access Network (GLAD) und die Federal LCA Commons zu nennen. Die Zielsetzungen der einzelnen Initiativen sind im Folgenden zusammengefasst.
International Life Cycle Data Network
Das International Life Cycle Data Network (ILCDN) wurde von der Europäischen Kommission durch die Generaldirektion Gemeinsame Forschungsstelle (GFS/ englisch: Joint Research Center - JRC) initiiert und tritt die Nachfolge des European Life Cycle Data Network (ELCDN) an. Ziel des ILCDN ist die Errichtung einer global nutzbaren Infrastruktur für die Veröffentlichung und den Austausch von qualitätsgesicherten LCA-Datensätzen und Methoden von verschiedenen Organisationen und Forschungsprojekten. Mit dieser Zielsetzung will das ILCDN die praktische und methodische Weiterentwicklung von LCA sowie die Anwendung von LCA in der Politikgestaltung unterstützen. Hierfür ist Qualitätssicherung von LCAs Grundvoraussetzung.
Kern des ILCDN ist eine auf dezentralen Knoten basierende Registratur. Jeder Knoten repräsentiert eine Datenbank, die von öffentlichen Einrichtungen oder privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Alle Datensätze sollen vorgegebenen Datenqualitätsanforderungen (Nomenklatur, zugrunde liegende Methodik, Dokumentation) entsprechen. LCA-Anwender können über eine Weboberfläche auf LCA- Datensätze zugreifen und diese herunterladen.
Life Cycle Initiative
Die Life Cycle Initiative (LCIn) fußt auf einer 2002 von dem United Nations Environment Programme (UNEP) und der Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC) gegründeten öffentlich-privaten Multi-Akteurs-Partnerschaft. Nach eigenem Ermessen ist die Life Cycle Initiative die weltweit führende Autorität zum Thema Ökobilanzen, was auch unter LCA-Anwendern allgemein anerkannt wird.
Ziel der Life Cycle Initiative ist es, Entscheidungsträgern Life Cycle Thinking näherzubringen und in Entscheidungsfindungsprozessen zur nachhaltigen Politikgestaltung zu verankern. Hauptprogrammpunkte der Life Cycle Initiative sind
- technische und politische Beratung sowie Stewardship für LCA,
- Kapazitätsaufbau durch Schulungen und
- Konsensschaffung (bspw. zu Einheitlichkeit bei Wirkungsabschätzungen) sowie
- Aufbau einer globalen LCA-Plattform.
In der Vergangenheit trug die Life Cycle Initiative zu verschiedensten methodischen LCA-Ansätzen bei, wie z.B. das UseTox-Modell für humantoxische Wirkungen von Chemikalien oder Richtlinien für social LCA von Produkten, die soziale Aspekte wie Arbeitsbedingungen einbezieht. Darüber hinaus initiierte die Life Cycle Initiative die Pellston Workshops, d.h. mehrtägige Expertenworkshops, um den internationalen Konsens zur Datenverarbeitung in LCA und Methoden der Wirkungsabschätzung (LCIA) zu fördern.
Im Rahmen der Life Cycle Initiative wurden mehrere renommierte Publikationen veröffentlicht wie z.B. “A Business Guide to Sustainability”, “Guidelines for Social Life Cycle Assessment of Products”,” Towards a Life Cycle Sustainability Assessment”, “Greening the Economy through Life Cycle Thinking”, “The methodological sheets for Sub-Categories in Social Life Cycle Assessments (S-LCA)” oder “Guidelines on Organizational Life Cycle Thinking and Product Sustainability Information”.
Global LCA Data Access Network
Das Global LCA Data Access Network (GLAD) ist eine von United Nations Environment Programme und der Life Cycle Initiative geleitete Initiative, Mitglieder sind verschiedene Regierungen weltweit; Ziel ist es, ein globales Netzwerk aus unabhängig betriebenen, interoperablen LCA-Datenbanken zu erschaffen. Interoperabel bedeutet dabei, dass Datensätze aus verschiedenen Quellen kombiniert und trotz unterschiedlicher Herkunft gemeinsam in einem Ökobilanzmodell genutzt werden können. GLAD wurde 2014 ins Leben gerufen aus der Erkenntnis heraus, wie schwierig aktuell eine Verbindung und Verwendung von LCA-Daten aus verschiedenen Quellen ist, und andererseits wie notwendig der Zugang zu LCA-Daten für wissenschaftlich fundierte Integration von LCA in politische Entscheidungsprozesse ist.
Jede LCA-Datenbank stellt einen Knoten im GLAD-Netzwerk dar und kann entweder direkt oder über ein zentrales Portal über eine Weboberfläche oder auch durch Software von Drittanbietern aufgerufen und durchsucht werden. Drei Arbeitsgruppen unterstützen die Arbeit des GLAD-Netzwerks:
- Netzwerkarchitektur: Anforderungen an die IT-Infrastruktur des GLAD- Netzwerks
- Nomenklatur: Aufbau von einheitlichen Bezeichnungen und einer einheitlichen Nomenklatur für Ökobilanzdaten mit dem Zwischenziel des Aufbaus und der Wartung von „Zuordnungslisten“ für Flüsse, als ein wichtiges Element der Interoperabilität von Datensätzen im GLAD Netzwerk
- Metadaten-Deskriptoren: Vorgaben zur Beschreibung von Datensätzen, um die Eignung eines Prozesses für eine bestimmte Anwendung bewerten und für die Anwendung transparent ausweisen zu können und damit Datensätze allgemein besser nutzbar zu machen
Federal LCA Commons
Die Life Cycle Assessment Commons (Federal LCA Commons) ist eine US-amerikanische, interinstitutionelle LCA-Registratur für LCA-Datensätze, die von der National Agricultural Library (NAL) des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten (United States Department of Agriculture – USDA) geführt wird und die öffentlich zugänglich ist. Die Life Cycle Assessment Commons dient als zentraler Anlaufpunkt für US-amerikanische Bundesbehörden und unterstützt deren Zusammenarbeit zum Thema LCA (Konsistenz, Interoperabilität, etc.). Die meisten Datensätze beziehen sich auf landwirtschaftliche Prozesse, aber auch Daten zu Verkehr, Umwelt, Bau und Infrastruktur sind vorhanden.