GE-I-5: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie

Das Bild zeigt die Großaufnahme einer Tigermücke, die gerade in menschliche Haut sticht.zum Vergrößern anklicken
Das Risiko, dass Mücken in Deutschland Viren übertragen, ist gering. Dennoch ist Monitoring wichtig.
Quelle: noppharat / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

GE-I-5: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie

Ein wärmeres ⁠Klima⁠ kann die Etablierung und Ausbreitung der Asiatischen Tigermücke in Deutschland begünstigen. Damit steigt das Risiko, dass die Erreger gefährlicher Viruserkrankungen, die durch infizierte Personen nach Deutschland eingeschleppt werden, beim Stich von den Mücken aufgenommen und verbreitet werden. Die Funde von Eiern und Mücken in Fallen im Oberrheingebiet nahmen in den letzten 15 Jahren deutlich zu.

Die Grafik „Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie“ zeigt den Anteil positiver Tigermückenbefunde (Eier oder adulte Mücken) im Oberrheingraben 2005–2021. Säulen zeigen Prozente positiver Befunde, Punkte die Beprobungsanzahl. Methodische Brüche: 2010/2011 keine Daten, ab 2012 andere Fallentypen, 2018 neues Monitoring. Ab 2012 stiegen Befunde stetig. 2020: knapp 45 % positive Fallen, über 10 % positive Beprobungen. Rund 2.500 Beprobungen jährlich 2018–2020. Trends klar steigend.
GE-I-5: Überträger von Krankheitserregern – Fallstudie
Quelle: Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) e. V. (Mückenmonitoring)

Gefährliche Tigermücken breiten sich aus

Weltweit sind wir mit neuen und wieder auftretenden Infektionserregern konfrontiert, die oft zwischen Tier und Mensch übertragen werden können und sich aufgrund der stetig wachsenden globalen Mobilität rasch verbreiten. Sowohl langfristige Klimaänderungen (Temperatur, Niederschlag) als auch die Zunahme von extremen Wetterlagen sind von Bedeutung. Bei vektorvermittelten Infektionskrankheiten wie West-Nil-Fieber, Malaria, Dengue, Leishmaniose, Zika, Chikungunya oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist zu befürchten, dass in Deutschland unter veränderten Klimabedingungen sowohl für die tierischen Überträger wie Stechmücken oder Zecken als auch für die Erreger günstigere Bedingungen herrschen und infolge dessen auch das Infektionsrisiko für Mensch und Tier steigt. So ist es in den letzten Jahren in Gebieten Mittelostdeutschlands bereits zu autochthonen West-Nil-Virus-Infektionen beim Menschen gekommen, die durch heimische Stechmücken (Culex) übertragen wurden.

Die Mechanismen von Aufnahme, Entwicklung und Vermehrung von Krankheitserregern in Vektoren und die Übertragung auf Tiere und Menschen sind in vielen Fällen noch nicht vollständig aufgeklärt. Veränderte klimatische Verhältnisse können an mehreren Stellen dieses Zusammenwirkens von Krankheitserregern und Vektoren Einfluss auf die Entwicklungen nehmen. Sie können unter anderem Änderungen in der Vermehrungsrate der tierischen Vektororganismen, ihrer Lebensdauer, ihrem Verhalten oder ihrer Populationsdichte zur Folge haben25. Unter anderem können kurze Winter dazu führen, dass die Tiere längere Zeit im Jahr aktiv sind und mehr Generationen ausbilden. Auch die Effizienz bei der Übertragung von Krankheitserregern kann beeinflusst sein. Es kann dazu kommen, dass sich ursprünglich in Deutschland nicht heimische Vektoren, die aus warmen Ländern eingeschleppt werden, hier etablieren und verbreiten.

Die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Klimawandel auf der einen und Vektor- und Erregerausbreitung auf der anderen Seite ist noch im Aufbau. Während die Erfassung der meisten mit Vektoren assoziierten Infektionskrankheiten aufgrund der Regelungen des Infektionsschutzgesetzes (unter anderem Meldepflichten) bereits systematisch und in der Regel auch bundesweit stattfindet, mangelt es nach wie vor an systematisch und kontinuierlich erhobenen Daten zum Vorkommen und zur Verbreitung von Vektoren und deren Durchseuchung mit den Erregern. Aufgrund dessen beschränkt sich die ⁠Indikator⁠-Darstellung nur auf einen spezifischen Vektor, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), eine ursprünglich aus Südostasien stammende Stechmückenart. Sie gilt als hocheffizienter Vektor, der mehr als 20 unterschiedliche Viren übertragen kann.

Die Tigermücke ist in Südeuropa und in Teilen Mitteleuropas inzwischen in einer aus den USA stammenden, bereits an nichttropische Verhältnisse angepassten Form weit verbreitet. In Deutschland werden seit einigen Jahren regelmäßig und vermehrt Eier, Larven und erwachsene Tiere gefunden. Der Eintrag erfolgt nach derzeitigem Kenntnisstand vor allem über den Kraftverkehr aus dem Süden (beispielsweise aus Italien). Dort, wo die Tigermücke günstige Bedingungen vorfindet, kann sie sich etablieren, und diese Bestände können dann auch Quelle für eine weitere passive (anthropogene) Verschleppung sein. Begünstigt wird die Ansiedlung der Tigermücke, wenn sie in unmittelbarer Nähe ihrer Freisetzungsstelle genügend Brutstätten, Blutwirte und Rückzugszonen findet, wie in Kleingartenanlagen und Siedlungsbereichen mit hohem Gartenanteil.

Für das Chikungunya-Virus konnte bereits gezeigt werden, dass eine Übertragung durch Aedes albopictus auch in Deutschland weniger durch die Außentemperaturen als durch das noch nicht ausreichende Auftreten der Stechmücken begrenzt wird26. Für das Zika-Virus zeigen Laborversuche, dass die Vektorkompetenz von Aedes albopictus bei Temperaturen von 27 °C gegenüber Temperaturen von 18 °C deutlich erhöht ist27. Mit der Etablierung dieser Stechmücken sind also erste Voraussetzungen geschaffen, dass sich der Erreger lokal auch hierzulande weiterverbreitet, sofern er durch infizierte Personen eingeschleppt wird.

Die Oberrheinebene ist innerhalb Deutschlands eine wärmebegünstigte Region. Sie gilt (über den Kraftfahrverkehr) als eine wichtige Eintrittspforte wärmeliebender Arten aus den Nachbarländern, unter anderem der Schweiz und Italien, nach Deutschland. Seit dem Jahr 2005 wurde das Auftreten der Tigermücke im Oberrheingebiet erfasst, 2007 gab es einen ersten Nachweis. Damals wurden 105 Fallen untersucht und in einer von über tausend Beprobungen fünf Eier der Tigermücke nachgewiesen. Nach einer Unterbrechung des Monitorings in den Jahren 2010 und 2011 und der Aufstellung neuer Fallentypen kam es im Jahr 2012 erneut zu positiven Befunden, es wurden insgesamt acht Tiere gefangen, damit war 1 % aller Fallenbeprobungen positiv. Ab 2012 wurde die Anzahl der Beprobungen ausgeweitet, und ab 2014 wurden jährlich etwa 1.500 Beprobungen im Oberrheingebiet durchgeführt. Im Jahr 2013 ergaben bereits 13 % aller Fallen und etwas über 2 % aller Beprobungen Nachweise von Eiern oder ausgewachsenen Mücken. In den Folgejahren stieg die Zahl positiver Befunde weiter an. Im Jahr 2014 konnte bei rund 18 %, 2017 bei rund 34 % und 2020 bei bereits 44 % der Fallen an den Autobahnen A 5 und A 6 ein Aedes albopictus-Nachweis geführt werden. Ende 2021 gab es bereits in 14 Landkreisen und kreisfreien Städten entlang des Rheins sowie im bayerischen Fürth und im thüringischen Jena etablierte Populationen28. Das bedeutet, dass die Mücken erfolgreich überwintern und durch Bekämpfungsmaßnahmen nur noch kontrolliert, aber womöglich nicht mehr eliminiert werden können. Die starke Verbreitung entlang des Oberrheins führt dazu, dass die Stechmückenbekämpfung, die hier von der Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) in ihren Mitgliedsgemeinden durchgeführt wird, zeitweise an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Das gilt vor allem in hochwasserreichen Jahren wie 2021.

Seit 2021 stehen für das ⁠Monitoring⁠ am Oberrhein keine Mittel mehr zur Verfügung. Das ZALF und das FLI erheben zwar Daten zur Stechmückenverbreitung über den Mückenatlas (siehe Indikator GE-R-4) und geographisch wechselnde Erhebungskampagnen mit Fallen an unterschiedlichen Standorten. Die Erhebungen erfolgen aber für den Aufbau einer Zeitreihe noch nicht ausreichend standardisiert.

 

25 - Beermann S, Dobler G, Faber M, Frank C, Habedank B, Hagedorn P, Kampen H, Kuhn C, Nygren T, Schmidt-Chanasit J, Schmolz E, Stark K, Ulrich RG, Weiss S, Wilking H: Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Vektor- und Nagetier-assoziierte Infektionskrankheiten. - J Health Monit 8 (S3): 36-66. doi: 10.25646/11392.

26 - Heitmann A., Jansen S., Lühken R., Helms M., Pluskota B., Becker N., Kuhn C., Schmidt-Chanasit J., Tannich E. 2018: Experimental risk assessment for chikungunya virus transmission based on vector competence, distribution and temperature suitability in Europe. Euro Surveill., 23(29): 1800033. doi: 10.2807/1560-7917.ES.2018.23.29.1800033.

27 - Heitmann A., Jansen S., Lühken R., Leggewie M., Badusche M., Pluskota B., Becker N., Vapalahti O., Schmidt-Chanasit J., Tannich E. 2017: Experimental transmission of Zika virus by mosquitoes from central Europe. Euro Surveill. 22(2): 30437. doi: 10.2807/1560-7917.ES.2017.22.2.30437.

28 - Informationen des FLI – Friedrich-Loeffler-Institut zur Nationalen Expertenkommission „Stechmücken als Überträger von Krankheitserregern“: https://www.fli.de/de/kommissionen/nationale-expertenkommission-stechmuecken-als-uebertraeger-von-krankheitserregern/