KM-I-3: Höhe von Sturmfluten

Das Bild zeigt eine Sturmflutwelle, die auf ein Küstenbauwerk aufschlägt. Im Hintergrund ist ein metallener Mast zu sehen.zum Vergrößern anklicken
Sturmfluten sind Extremereignisse, die mit steigendem Meeresspiegel höher auflaufen können.
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Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

KM-I-3: Höhe von Sturmfluten

Die höchsten (Tide-)Hochwasser an sechs ausgewählten Pegeln der Nord- und Ostsee zeigen einen zyklischen Verlauf. Die Zeitreihen schwanken mit Phasen steigender und sinkender Sturmflutwasserstände. Aus der Darstellung auf Basis gleitender 19-Jahresmittelwerte sind extreme Einzelereignisse nicht abzulesen. Zwischen den betrachteten Pegel ist die Trendentwicklung unterschiedlich.

Das Liniendiagramm KM-I-3 "Höhe von Sturmfluten" zeigt das gleitende 19-Jahres-Mittel der jährlichen höchsten (Tide-)Hochwasser an sechs ausgewählten Pegeln in der Nord- und Ostsee in Zentimeter bezogen auf NHN. Je nach Datenverfügbarkeit bilden die Zeitreihen die Jahre von frühestens 1843, spätestens 1963 bis 2021 ab. Die Höhe der höchsten (Tide-)Hochwasser ist am Pegel Cuxhaven Steubenhöft (Nordsee), Kiel (Ostsee) und Travemünde (Ostsee) in ihrem jeweiligen Betrachtungszeitraum signifikant gestiegen.
KM-I-3: Höhe von Sturmfluten
Quelle: Datenquelle: BfG Pegeldatenbank der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes

Sturmfluten erhöhen die Gefahr für Überschwemmungen

In Küstengebieten zählen Sturmfluten zu den größten Naturgefahren. Sie entstehen, wenn starker Wind in auflandiger Windrichtung größere Wassermassen gegen die Küste drückt. Vor allem Stürme und Orkane führen zu massivem Windstau, der in der Nordsee in Abhängigkeit von den Gezeiten zum Auftreten von Sturmfluten führen kann. Je nach Windintensität, orografischer Beschaffenheit der Küstengewässer sowie in Abhängigkeit etwaiger Maßnahmen des technischen Hochwasserschutzes besteht das Risiko folgenschwerer Überschwemmungen in den küstennahen Niederungsgebieten. An der deutschen Küste sind Sturmfluten insbesondere im Winterhalbjahr keine Seltenheit. An der Nordseeküste Schleswig-Holsteins sind vor allem Wetterlagen mit Winden aus westlicher, für Niedersachen aus nördlicher Richtung effizient bei der Entstehung von Sturmfluten und damit besonders gefährlich.
Der Anstieg des Meeresspiegels an der Nord- und Ostsee infolge des Klimawandels bietet Sturmfluten ein höheres Ausgangsniveau und lässt die Wassermassen höher auflaufen. In den Ästuaren kam es zu einer zusätzlichen Erhöhung von Sturmflutwasserständen durch lokale anthropogene Maßnahmen. Dies ist unter anderem an Ems, Weser und Elbe zu beobachten. Mit der Eindeichung und Begradigung von Flüssen gehen natürliche Überflutungsflächen verloren.

An der Nordseeküste wird heutzutage von Sturmfluten gesprochen, wenn der Wasserstand mindestens 1,50 m über dem aktuellen Mittleren Hochwasser (MHW) liegt. Da das Überschreiten dieses Grenzwerts aber an den (schwankenden) mittleren Meeresspiegel (siehe ⁠IndikatorKM-I-2) gebunden ist, wird sich zukünftig zwar nicht zwangsläufig die Anzahl der Sturmfluten erhöhen, die Sturmfluten werden aber unter der Annahme ansonsten gleicher meteorologischer Rahmenbedingungen höher auflaufen und können höhere Schäden verursachen. Einzelne besonders schwere Sturmfluten führen im Allgemeinen zu Schäden an küstennahen Gebäuden und Infrastrukturen. An der Nordsee sind in der Vergangenheit immer wieder solche schadenreichen Sturmfluten aufgetreten. An den deutschen Küsten werden Sturmfluten seit fast 2.000 Jahren dokumentiert. Zu den verheerendsten Sturmfluten der letzten 100 Jahre zählt die ⁠Sturmflut⁠ vom 16. Februar 1962, die an der Küste der gesamten Deutschen Bucht, insbesondere aber in Hamburg Schäden verursachte und zahlreiche Todesopfer forderte. Die Sturmflut 1976 lief zwar höher auf, der Küstenschutz war damals aber bereits verstärkt worden. Durch die große Nordfrieslandflut im November 1981 kam es zu umfangreichen Schäden an den Dünen der Nordseeinseln. Der Orkan Anatol im Dezember 1999 erreichte Sturmspitzen von bis zu 200 km/h und führte kurzfristig zu einem sehr hohen Anstieg der Pegelstände im gesamten Nordseegebiet. Im Dezember 2013 war das gesamte Nordseegebiet von Orkan Xaver und einer teils sehr schweren Sturmflut betroffen. Die Deiche am Festland hielten den Wassermassen stand, aber an den Ost- und Westfriesischen Inseln kam es zu starken Dünenabbrüchen. Zuletzt traten zu Beginn des Jahres 2022 mehrere teils schwere und eine sehr schwere (> 3,5 m über MHW) Sturmflut an der Nordseeküste auf. Diese Sturmfluten sind jedoch noch nicht Teil der Datenbasis für den hier dargestellten Indikator KM-I-3.

An der Ostsee bestimmen vor allem Dauer, Richtung und Stärke des Windes, ob eine Sturmflut entsteht. Wasserstände ab einem Meter über dem mittleren Wasserstand gelten hier als Sturmflut. Da die Gezeiten kaum eine Rolle spielen, können in der Ostsee Sturmfluten auch über 1–2 Tage andauern. In geringerem Maße tragen auch die Füllung der Ostsee, Eigenschwingungen (auch „Seiches“ genannt) sowie Luftdruckveränderungen zu Wasserstandsschwankungen bei. Die schwerste Sturmflut in der südwestlichen Ostsee ereignete sich am 13./14. November 1872 und führte zu erheblichen Zerstörungen. Dabei kamen 271 Menschen ums Leben.
An der deutschen Ostseeküste kommt es jedes Jahr zu leichten Sturmfluten. Schwere Sturmfluten sind seltener, traten aber zum Beispiel jeweils am Jahresbeginn 2017 und 2019 auf. Zu den höchsten Wasserstände kam es dabei in Wismar: zum Abend des 4. Januar 2017 mit 1,83 m und am Nachmittag des 2. Januar 2019 mit 1,91 m über dem mittleren Wasserstand. Nach diesen Ereignissen wurden vor allem an den Küsten und Stränden Schäden verzeichnet. Ende Januar 2022 bewirkte Sturmtief Nadia zuerst ein Niedrigwasser und gleich darauf eine Sturmflut. Durch die Verlagerung dieses Tiefs kam es zuerst zu starkem Südwestwind, der die Wasserstände sinken ließ, danach drehte der Wind auf Nord und erfasste auch die zentrale Ostsee. Von dort wurde das Wasser in die westliche Ostsee gedrückt, und zusätzlich drückten lokal orkanartige Böen aus Norden das Wasser zur Küste. In Flensburg nahm dabei der Wasserstand in etwa 16 Stunden von 1,59 m unter auf 1,49 m über dem mittleren Wasserstand zu, stieg also um insgesamt mehr als 3 m.
Veränderungen von Sturmflutintensitäten durch den Anstieg des Meeresspiegels können über das jährlich höchste Tidehochwasser (⁠HThw⁠) an den Nordseepegeln beziehungsweise das jährlich höchste Hochwasser (⁠HW⁠) an den Ostseepegeln beschrieben werden. Für den Indikator wurden diese Wasserstände durch die BfG unter Verwendung eines Tiefpassfilters als 19-jährige gleitende Mittel bestimmt.
Für die Indikatordarstellung wurden aussagekräftige Einzelpegel ausgewählt, die nicht zu stark durch bauliche Veränderungen in den letzten Jahren oder die lokalen Gegebenheiten geprägt sind. Des Weiteren wurde eine regionale Verteilung der Pegel zwischen Nord- und Ostsee, aber auch an der jeweiligen Küste angestrebt. Bei den drei Nordseepegeln handelt es sich um die Pegel Cuxhaven Steubenhöft, Borkum Fischerbalje sowie Wittdün auf Amrum. Die Pegel Kiel, Travemünde und Sassnitz liegen an der Ostseeküste.
Die Höhe der Sturmfluten an den ausgewählten Pegeln der Nord- und Ostsee zeigt keinen signifikanten Trend. Phasen steigender und sinkender Höchststände wechseln sich mit einer Periodizität von etwa 50 bis 70 Jahren ab. Aus der Darstellung auf Basis gleitender 19-Jahresmittelwerte sind extreme Einzelereignisse nicht abzulesen. Lediglich Häufungen von solchen Ereignissen führen zu ansteigenden Werten.

 

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