Risiken beim Pflanzenschutzmitteleinsatz mit Hubschraubern

Raupen an einem Zweigzum Vergrößern anklicken
Raupen des Eichenprozessionspinners
Quelle: fotofreakdgy / Fotolia.com

In einigen Bundesländern wurden der Eichenprozessionsspinner und andere Baum-Schädlinge in den vergangenen Jahren intensiv bekämpft. Die Bekämpfung erfolgt mit Insektiziden, die meist mit dem Hubschrauber versprüht werden. Daraus ergeben sich Risiken für die Umwelt. Wie sollte mit ihnen umgegangen werden? Das UBA antwortet auf populistische Thesen.

Inhaltsverzeichnis

 

Pflanzenschutzmittel im Wald – besser nicht mit dem Hubschrauber!

„Die Bundesbehörden schätzen die Umweltrisiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Wald mit dem Hubschrauber viel zu hoch ein. Die Mittel wirken sehr spezifisch und schädigen andere Arten nicht.“

Insektizide, die zum Schutz von Bäumen in Wäldern mit dem Hubschrauber versprüht werden, bergen immer ein hohes Risiko für andere im Wald lebende Tiere, die gar nicht bekämpft werden sollen. Das Mittel „Karate Forst flüssig“ etwa ist ein Breitbandinsektizid. Es ist für alle Arten von Gliedertieren (Arthropoden) an Land und im Wasser giftig, vor allem für Insekten, Spinnen und Krebstiere. Das Fraßgift „Dimilin 80 WG“, ebenfalls ein Breitbandinsektizid, verhindert durch eine Hemmung der Chitinsynthese die Häutung aller Gliedertier-Arten, wodurch die Tiere sterben. Nur das Mittel „Dipel ES“ wirkt spezifischer, nämlich nur gegen (die meisten) Schmetterlingsarten. Es zerstört mit dem Toxin des Bacillus thuringiensis var. Kurstaki (Btk) die Darmwand der Raupen, wodurch diese sterben. An Eichen leben über 350 Falter-Arten, von denen 214 Arten gegenüber den genannten Insektiziden empfindlich sind (Sobczyk 2014), allerdings schädigen nur wenige dieser Arten nachweislich die Bäume. Der Bruterfolg von Singvögeln kann durch die Mittel erheblich beeinträchtigt werden, wenn Insekten sterben, von denen die Vögel sich und ihren Nachwuchs ernähren (Schönfeld 2009). Für Fledermausarten sind solche Auswirkungen ebenfalls möglich. Das ⁠UBA⁠ stimmt daher einer Zulassung von Insektiziden zur Anwendung mit Luftfahrzeugen im Wald nur mit bestimmten Anwendungsbestimmungen zu, um den Naturhaushalt vor unvertretbaren Auswirkungen zu schützen. Wegen der hohen Umweltrisiken ist eine Behandlung nur dann verhältnismäßig, falls ein flächiges Absterben des Baumbestandes droht und durch die Behandlung das Absterben wahrscheinlich abgewendet werden kann.

 „Das Versprühen aus dem Hubschrauber ist so präzise, dass angrenzende Flächen nicht belastet werden.“

Nein. Bei der Anwendung mit dem Hubschrauber wird der Sprühnebel sehr großräumig verweht. Die ⁠Abdrift⁠ ist bei vergleichbaren Bedingungen und bei Verwendung der besten verfügbaren Anwendungstechnik etwa 100-fach höher als bei Bodengeräten im Weinbau und 300- bis 400-fach höher als im Ackerbau. Daher sind die vom UBA festgelegten Mindestabstände zu Waldrändern, Gewässern und anderen Nachbarflächen so wichtig. Ohne ihre Einhaltung würden angrenzende Flächen zu stark belastet.

 „Wer im Wald aus der Luft sprühen möchte, muss dieses jedes Mal mühsam bei den Bundesbehörden beantragen. Die Genehmigungen kommen zu spät, um den Wald noch rechtzeitig zu schützen.“

In Deutschland entscheidet über die konkrete Anwendung nicht der Bund, sondern die Bundesländer. Laut § 18 Absatz 2 Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) genehmigt der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes die einzelne Anwendung. Zuvor muss das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das betreffende Pflanzenschutzmittel überhaupt zur Verwendung mit Luftfahrzeugen zugelassen haben. Das Prinzip ist vergleichbar mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Der Arzt darf nur solche Arzneimittel verschreiben, die zugelassen sind. Wer also eines der zugelassenen Pflanzenschutzmittel aus der Luft versprühen möchte, muss dies bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Die Bundesbehörden sind am Verfahren nicht beteiligt, sie können das Verfahren daher auch nicht verzögern.

 „Es sind keine Pflanzenschutzmittel zum Sprühen aus der Luft zugelassen. Das UBA sperrt sich gegen Zulassungen.“

Falsch! Mit „Dipel ES“ und „Karate Forst flüssig“ sind (Stand März 2016) zwei Mittel für den Einsatz im Wald mit Luftfahrzeugen vom BVL mit Zustimmung des UBA zugelassen. Der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes kann die Anwendungen dieser Mittel also im Einzelfall genehmigen. „Bekämpfungslücken“ gibt es also nicht. "Dimilin 80 WG" (Wirkstoff Diflubenzuron) war bis Ende 2014 zugelassen und Restbestände konnten bis Juni 2016 aufgebraucht werden. Für das Mittel liegt mangels Vermarktungsinteresse des Herstellers kein neuer Zulassungsantrag vor, so dass das Spektrum der Mittel zumindest übergangsweise kleiner wird.

 „Der Kiefernwald bei Letzlingen (Sachsen-Anhalt) ist abgestorben, weil keine Mittel gegen die Schädlinge zugelassen waren.“

Falsch! Die Waldschäden an Kiefernforsten bei Letzlingen in den Jahren 2009/2010 sind in keiner Weise auf eine fehlende Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen. Vielmehr war zum damaligen Zeitpunkt mit Dimilin ein geeignetes Pflanzenschutzmittel zugelassen. Eine Anwendung unterblieb jedoch deshalb, weil die zuständige Fachbehörde des Landes den Befallsgrad der Bäume als nicht bedrohlich einschätzte (Langer et al., 2011). Auch hier gilt: Die Länder entscheiden über die Anwendung im Einzelfall.

 „Die von BVL und UBA erteilten Anwendungsbestimmungen sind nicht umsetzbar und führen zu gravierenden Bekämpfungslücken.“

Richtig ist: Grundsätzlich gestatten BVL und UBA die Anwendung eines Pflanzenschutzmittels auf höchstens der Hälfte einer zusammenhängenden Waldfläche. So sollen ausreichende Rückzugsräume für Arten erhalten bleiben, die nicht bekämpft werden sollen, aber durch das Mittel geschädigt werden können. Da Schädlinge ohnehin nur selten eine ganze Waldfläche befallen, sondern meist nur Teile davon, werden die Bekämpfungsmöglichkeiten nicht wesentlich eingeschränkt. Wenn allerdings die zuständige Behörde bei der Genehmigung nach § 18 Absatz 2 PflSchG im Einzelfall auf der Grundlage eines rechtsverbindlichen, mit ausreichender Auflösung durchgeführten Erhebungsverfahrens festgestellt hat, dass auf mehr als der Hälfte der zusammenhängenden Waldfläche die entsprechenden Schadschwellen überschritten sind und eine Anwendung des Mittels zum Erhalt des Bestandes unbedingt erforderlich ist, kann hier eine großflächigere Behandlung stattfinden.  

„BVL und UBA haben die Anwendung in Naturschutzgebieten verboten. Nun lässt sich der Wald in Naturschutzgebieten nicht mehr vor Schädlingsbefall schützen.“

In Wald-Naturschutzgebieten kommen oft bestandsgefährdete Insekten-, Vogel- und Fledermausarten vor. Bei großflächiger Anwendung von Insektiziden reagieren diese besonders empfindlich, weil ihre Bestände klein oder aus anderen Gründen vorgeschädigt sind. Deshalb dürfen grundsätzlich auch zugelassene Insektizide in Naturschutzgebieten nicht mit Luftfahrzeugen versprüht werden. Früher konnten Ausnahmen davon auf Antrag beim BVL als Notfallzulassung gestattet werden. Seit dem 25. Februar 2015 gilt folgende Änderung: Aufgrund neuer Anwendungsbestimmungen entscheiden nun die betroffenen Bundesländer über die Genehmigung solcher Anwendungen. Im Einzelfall kann eine Behandlung im Naturschutzgebiet erfolgen, wenn die zuständige Behörde bei der Genehmigung nach § 18 Absatz 2 PflSchG in Abstimmung mit der zuständigen Naturschutzbehörde festgestellt hat, dass eine Behandlung zum Erhalt des Pflanzenbestandes im Sinne der Zweckbestimmung des Schutzgebietes unbedingt erforderlich ist. Um die Naturschutzbehörden bei ihrer Genehmigungsprüfung zu unterstützen hat das UBA gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz (⁠BfN⁠) ein gemeinsames Informationspapier erarbeitet.

 

Zuständigkeiten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Ein Mittel, das gegen den EPS zur Anwendung kommen soll, muss durch die zuständigen Bundesbehörden nach dem jeweils einschlägigen Fachrecht (Pflanzenschutzrecht bzw. Biozidrecht) zugelassen sein, auch wenn es sich um dasselbe Mittel handelt. Federführend für Biozide ist die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit (BAUA). Für ⁠Pflanzenschutzmittel⁠ ist es das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das ⁠UBA⁠ ist jeweils beteiligt. Dieses Prinzip der auf den Verwendungszweck bezogenen Zulassung ist vergleichbar mit der Zulassung von Arzneimitteln für den Menschen und solchen für Tiere. Ein Mittel, das nur für die Behandlung von Tieren zugelassen ist, darf ein Arzt nicht einem Menschen verschreiben.

 

Zuständigkeiten für die Bekämpfungsmaßnahmen

Für die Genehmigung der Anwendung eines zugelassenen Mittels zum Schutz eines Baumbestandes ist der Pflanzenschutzdienst des betreffenden Bundeslandes zuständig, nicht der Bund. Bekämpfungsmaßnahmen gegen den EPS an Waldrändern in Siedlungsnähe, auf öffentlichen Flächen wie Parks, Spielplätzen oder Kindergärten oder in Alleen erfolgen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und unterliegen damit dem Biozidrecht. Auch für den Vollzug des Biozidrechts haben die Länder die Zuständigkeit für Bekämpfungsmaßnahmen einzelnen Behörden zugeschrieben, diese variieren allerdings von Bundesland zu Bundesland. Bei Unklarheiten kann das jeweilige Gesundheitsamt Auskunft erteilen.

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 Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln  Eichenprozessionsspinner