Multiple Chemikaliensensibilität

Als „Multiple Chemikaliensensibilität” (MCS) wird ein Beschwerdekomplex bezeichnet, bei dem Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Atemprobleme, Symptome des Magen-Darm-Traktes und weitere Störungen verschiedener Organsysteme auftreten können.

Die auftretenden Symptome werden von den betroffenen Personen mit einem Kontakt gegenüber verschiedenen Chemikalien und Umweltbelastungen (Umweltnoxen) in Verbindung gebracht, wobei schon sehr geringe Konzentrationen, bei denen andere Menschen keine gesundheitlichen Schwierigkeiten haben, zu Beschwerden führen. Eine allgemein anerkannte Definition, welche Symptome zu MCS gehören, und gesicherte Kenntnisse, welche umweltbedingten Ursachen dafür verantwortlich sind, existieren bisher nicht.

Nach den Konsensus-Kriterien (Bartha et al., 1999) zeichnet sich die MCS dadurch aus, dass

  1. die Symptome bei erneuter chemischer ⁠Exposition⁠ reproduzierbar sind,
  2. der Zustand der Betroffenen chronisch ist,
  3. die Symptome durch niedrige Dosen ausgelöst werden, die vormals von der betroffenen  Person toleriert wurden oder von anderen im Allgemeinen toleriert werden,
  4. die Symptome nachlassen oder aufhören, wenn die chemischen Auslöser gemieden werden,
  5. verschiedene, chemisch nicht verwandte Stoffe die Symptome auslösen,
  6. mehrere Organe bzw. Organsysteme einer Person beteiligt sind.

Zur Entstehung von MCS wurden verschiedenste Mechanismen vorgeschlagen, die sich grob Störungen von immunologischen bzw. allergischen Prozessen, Änderungen der Funktion des Nervensystems, Veränderungen von biochemischen Prozessen oder Veränderungen von psychologischen bzw. neurobehavioralen Funktionen zuordnen lassen (Winder, 2002). Bis heute ist jedoch nicht geklärt ob, und wenn ja, welche Mechanismen an der Entstehung von MCS beteiligt sind.

Im Auftrag des Umweltbundesamtes koordinierte das Robert Koch-Institut mehrere Studien zum MCS-Syndrom. Zusammenfassend konnten die insgesamt drei durchgeführten Studien keine wissenschaftlich begründbaren Mechanismen zur Krankheitsentstehung von MCS aufzeigen (Eis et al., 2008). Es bleibt weiterhin unklar, ob es sich bei MCS um ein eigenständiges Krankheitsbild handelt. Deutlich ist, dass psychosomatische Belastungen häufig gemeinsam mit den MCS-Beschwerden auftreten. Allerdings ist ungewiss, ob im Falle einer solchen Komorbidität, die MCS-Symptome die Ursache oder die Folge psychosomatischer Beschwerden sind.

Die persönlichen Folgen von MCS sind – ebenso wie das Beschwerdebild – vielfältig. Betroffene berichten unter anderem über Einschränkungen der Lebensqualität und der Leistungsfähigkeit und sehen sich oft nicht mehr in der Lage, ihren Beruf auszuüben. Auch das Erledigen alltäglicher Arbeiten sowie die sozialen Kontakte mit Freunden und Familie werden oftmals als problematisch und konfliktbehaftet erlebt. Der Leidensdruck von MCS-Patienten kann sehr hoch sein und in extremen Fällen bis hin zur sozialen Isolation führen.

Bei MCS handelt es sich um einen umfassenden Symptomkomplex, der die Betroffenen häufig stark beeinträchtigt. Je nach persönlicher Situation können Betroffene Informationen und Hilfe in umweltmedizinischen Ambulanzen und Beratungsstellen, bei den Gesundheitsämtern sowie bei niedergelassenen Umwelt- und Allgemeinmedizinern erhalten. Andere Erkrankungen, die zu ähnlichen Symptomen führen können (Allergien, Lebensmittelintoleranzen, psychische Störungen), sollten differentialdiagnostisch abgeklärt werden, auch um mögliche Begleiterkrankungen behandeln zu können. Daher sollten auch mögliche allergische Reaktionen des Organismus auf bestimmte Substanzen ärztlich untersucht werden. Im Vordergrund sollte die Unterstützung des Patienten bei seiner alltäglichen Lebensführung stehen. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze können oftmals bei der Entwicklung von Bewältigungsstrategien helfen und zur Entlastung der Betroffenen beitragen. Das ⁠UBA⁠ empfiehlt daher eine interdisziplinäre Abklärung der Symptome, um eine optimale Betreuung zu gewährleisten.

Literaturquellen

Bartha, L., Baumzweiger, W., Buscher, D. S., Callender, T., Dahl, K. A., Davidoff, A., ... & Flayhan, D. P. (1999). Multiple chemical sensitivity: a 1999 consensus. Archives of Environmental Health, 54(3), 147-149.

Eis, D., Helm, D., Mühlinghaus, T., Birkner, N., Dietel, A., Eikmann, T., ... & Gil, F. P. (2008). The German multicentre study on multiple chemical sensitivity (MCS). International journal of hygiene and environmental health, 211(5), 658-681.
Winder, C. (2002). Mechanisms of multiple chemical sensitivity. Toxicology letters, 128(1), 85-97.

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