TOU-I-1: Badetemperaturen an der Küste
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die Zeitdauer, in der die Meerwassertemperaturen einen Badeurlaub an den deutschen Nord- und Ostseeküsten potenziell ermöglichen, unterliegt sehr starken Schwankungen zwischen den Jahren. In der Regel stellen sich geeignete Temperaturbedingungen im Laufe des Juni ein und dauern bis in den Oktober hinein an. Die Zeitspanne entsprechender Temperaturbedingungen nimmt an Nord- und Ostsee signifikant zu.
Viele Deutsche erholen sich im Urlaub gerne am Strand in der Sonne. Wichtigstes Ziel für die Urlaubsreisen der Deutschen ist daher die Mittelmeerregion, die im Jahr 2019 vor der Covid-19-Pandemie laut der FUR-Reiseanalyse197 38 % der Urlaubsreisen auf sich verbuchen konnte. Vor allem Spanien, Italien und die Türkei sind bei den Deutschen als Reiseländer beliebt. Innerhalb Deutschlands sind die Küstenbundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen nach Bayern die wichtigsten Reiseziele. Das Reiseverhalten der Deutschen während der Covid-19-Pandemie unterstreicht die Attraktivität des Küstentourismus: Bei den Auslandsreisen nahmen nach der Aufhebung der pandemiebedingten Einschränkungen im Jahr 2021 vor allem Reisen nach Spanien, Italien, Türkei, Portugal, Kroatien und Griechenland zu198. In Deutschland lag der Marktanteil bei den Übernachtungen in der Küstenregion an Nord- und Ostsee in den Jahren 2020 und 2021 um rund 5 Prozentpunkte über dem Niveau der Vorjahre (siehe Indikator TOU-I-3).
Für Deutschland könnte der Strand- und Badeurlaub an den Küsten als eine typische Form des Sommertourismus grundsätzlich von steigenden Luft- und höheren Meerwassertemperaturen in Folge des Klimawandels profitieren. Infolge der Erwärmung könnte die Badesaison länger andauern und sich dadurch die Attraktivität der Badeorte erhöhen. Eine Tendenz zu höheren Meerwassertemperaturen in den deutschen Küstengewässern der Nord- und Ostsee wurde in Messungen im Stationsnetz des BSH bereits nachgewiesen. Die über die gesamte Nordsee gemittelte jährliche Meeresoberflächentemperatur, die auf wöchentlich durchgeführten Analysen des BSH basiert, ist seit Beginn dieser Analyse 1968 um rund 1 °C angestiegen (siehe Indikator KM-I-1).
Um bezogen auf die Meerwassertemperaturen das Potenzial für den Badetourismus an den Küsten abzuschätzen, wird die Dauer der potenziellen Badeperiode als Anzahl sogenannter Badetage dargestellt, an denen der Tagesmittelwert der Meerwassertemperatur in den deutschen Küstengewässern der Nord- und Ostsee einen Schwellenwert von 15 °C überschreitet. Für den ersten Badetag einer Saison muss außerdem das Kriterium erfüllt sein, dass die Temperatur nach dem Überschreiten des Schwellenwerts nicht mehr unter den Wert von 14 °C im Tagesmittel sinkt. Der letzte Badetag ist der letzte Tag im Jahr, an dem die Wassertemperatur noch größer als 15 °C ist.
Dem Indikator liegen Wassertemperaturen zugrunde, die an den BSH-Messstationen Deutsche Bucht (Nordsee) sowie Leuchtturm Kiel (Ostsee) des BSH und damit in einiger Entfernung von der Küste nahezu kontinuierlich erhoben werden. Diese Messungen haben den Vorteil, dass sie homogener und von kurzfristigen Einflüssen unabhängiger sind als direkt an der Küste gemessene Werte. Die Lage der Messstationen floss auch bei der Wahl des Schwellenwerts für die Beurteilung der Badetemperaturen ein. Die Meerwassertemperaturen liegen in den Badegewässern an der Küste tendenziell höher als an den küstenfernen Messstationen und sind ab diesem Wert – auch durch einen stärkeren Tagesgang – potenziell „badetauglich“. Zur Einordnung: Im heißen Jahr 2018 lag das Maximum der mittleren Oberflächentemperatur der Nordsee bei 16,3 °C, das der Ostsee bei 20 °C.199 In Küstennähe lagen die maximalen Wassertemperaturen (Tagesmittel) an einzelnen Stationen noch deutlich darüber: In Hörnum auf Sylt wurden beispielsweise 24,5 °C und in Neustadt (Holstein) 26,0 °C gemessen.
Die beiden Zeitreihen des Indikators zeigen seit Beginn der 1990er-Jahre (Nordsee) beziehungsweise Ende der 1980er-Jahre (Ostsee) einen signifikant steigenden Trend. Das bedeutet, die Zeitspanne mit potenziell badetauglichen Meerwassertemperaturen an Nord- und Ostseeküste dehnte sich aus. An beiden Küsten traten die ersten potenziellen Badetage immer früher im Jahr auf, die letzten verschoben sich mit signifikantem Trend immer später in den Herbst. Parallel zu den wärmeren Wassertemperaturen wurden auch die Lufttemperaturbedingungen – berücksichtigt wurde die Entwicklung an den DWD-Messstationen Norderney (Nordsee) beziehungsweise Kiel-Holtenau (Ostsee) – günstiger: Die durchschnittlichen Tagesmittel- und -höchstwerte der Lufttemperatur in den Sommerferienmonaten Juni bis September stiegen an beiden Stationen an. Der Indikator gibt Hinweise darauf, dass die klimatischen Rahmenbedingungen für den Tourismus in den deutschen Küstenregionen badefreundlicher werden. Allerdings können höhere Meerwasser- und Lufttemperaturen auch negative Effekte mit sich bringen. So begünstigen die steigenden Temperaturen das Auftreten von Krankheitserregern wie Vibrionen (siehe Indikator GE-I-7).
Grundsätzlich gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Attraktivität der Nord- und Ostseeküste als Destination für den Strand- und Badetourismus beeinflussen. Dazu gehören weitere meteorologische Größen wie die Sonnenscheindauer, die Luftqualität oder die bioklimatischen Verhältnisse im Zusammenspiel von Lufttemperatur, Wind, Strahlungsverhältnissen und Luftfeuchte. Daneben spielt auch das Auftreten von Algen und Quallen eine Rolle. Zukünftig können der steigende Meeresspiegel, häufigere und intensivere Sturmfluten und der Küstenabtrag die Bedingungen für den Tourismus an den Küsten verändern (siehe Indikatoren KM-I-2, KM-I-3 und KM-I-4).
Ob sich diese Änderungen in der touristischen Nachfrage positiv oder negativ niederschlagen oder überhaupt bemerkbar machen, hängt auch von zahlreichen weiteren Faktoren ab, beispielsweise von aktuellen Reisetrends, dem demografischen Wandel oder der konjunkturellen Entwicklung. Bislang ist nicht zu beobachten, dass Urlaubssuchende aus Deutschland die heißen Regionen am Mittelmeer bewusst meiden und stattdessen in kühlere nördliche Gefilde fahren. Zwar gaben in einer Zusatzbefragung zur repräsentativen Bevölkerungsumfrage „Umweltbewusstsein in Deutschland“200 im Jahr 2021 rund zwei Drittel der Befragten an, ihre Freizeit- oder Urlaubsplanung umzustellen und beispielsweise anstrengende Aktivitäten bei Hitze oder heiße Urlaubsregionen zu meiden, weitere 10 % gaben an, dies zukünftig zu beabsichtigen. Der oben skizzierte Wiederanstieg der Nachfrage nach Reisen in den Mittelmeerraum nach dem Wegfall der Covid-19-bedingten Reisebeschränkungen deutet aber darauf hin, dass der Bedarf hierfür bei der tatsächlichen Reiseplanung noch nicht gesehen wird.
197 - FUR – Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (Hg.) 2022: RA ReiseAnalyse 2022. Erste ausgewählte Ergebnisse der 52. Reiseanalyse. Kile, 18 S. https://reiseanalyse.de/wp-content/uploads/2022/08/RA2022_Erste_Ergebnisse_Broschuere_DE.pdf
198 - FUR – Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (Hg.) 2022: RA ReiseAnalyse 2022. Erste ausgewählte Ergebnisse der 52. Reiseanalyse. Kile, 18 S. https://reiseanalyse.de/wp-content/uploads/2022/08/RA2022_Erste_Ergebnisse_Broschuere_DE.pdf
199 - BSH – Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (Hg.) 2018: Fact Sheet – Temperaturen Nord- und Ostsee. 2 S.
200 - infas – Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH 2022: Tabellenband – Zusatzbefragung im Rahmen der Umweltbewusstseinsstudie 2020. Themenbereich: Klimaanpassung. Bonn, 39 S. https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2378/dokumente/tabellenband_ubs_zusatzbefragung_sept_2021_klimaanpassung.pdf