GE-I-8: UV-Index – Fallstudie
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
UV-Strahlung ist Hauptursache für Hautkrebs, an dem in Deutschland jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen neu erkranken. Selbst an Stationen im Tiefland werden an fast der Hälfte des Jahres sonnenbrandwirksame UV-Bestrahlungsstärken erreicht (UVI ≥3), für die Sonnenschutz empfohlen wird. Die UV-Bestrahlungsstärke variiert mit dem Breitengrad, der Höhenlage und der aktuellen Wettersituation, vor allem der Bewölkung.
UV-Strahlung ist der energiereichste Teil der optischen Strahlung und für den Menschen nicht wahrnehmbar. UV-Strahlung initiiert bei gesunden Menschen die wichtige körpereigene Vitamin-D-Bildung, kann aber gleichzeitig zu ernsten unmittelbaren oder später im Leben auftretenden Erkrankungen der Augen und der Haut führen32. UV-Strahlung schädigt das Erbgut, ist Hauptursache für Hautkrebs und ist durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in die höchste Risikogruppe 1 als „krebserregend für den Menschen“ eingestuft33. UV-bedingte Krebserkrankungen sind eine große gesundheitliche Belastung für die Betroffenen und verursachen hohe Kosten für das Gesundheitswesen34. In Deutschland hat sich die Inzidenz für den hellen Hautkrebs (sowohl Basalzell- als auch Plattenepithelkarzinome) in den letzten 30 Jahren bei den Männern vervierfacht, bei den Frauen verfünffacht. Für den schwarzen Hautkrebs ist die Inzidenz seit den 1970er-Jahren um etwa das Vierfache gestiegen.35, 35 Derzeit erkranken in Deutschland nach Hochrechnungen aus den Daten des Hautkrebsregisters Schleswig-Holstein rund 300.000 Menschen pro Jahr neu an Hautkrebs36.
UV-bedingte Gesundheitsschäden können grundsätzlich jeden treffen. Kinder sind besonders betroffen, da ihre Haut und Augen empfindlicher gegenüber UV-Strahlung sind als die von Erwachsenen. Auch Menschen, die im Freien arbeiten und daher besonders lange exponiert sind, unterliegen einem hohen Risiko. Sonnenbrände erhöhen in jedem Alter das Risiko für schwarzen Hautkrebs um rund das Doppelte – in der Kindheit um das Zwei- bis Dreifache. Durch UV-Strahlung gesetzte Schäden kumulieren über die Lebenszeit37.
Der anthropogen verursachte Abbau der stratosphärischen Ozonschicht erhöht die erdbodennahe UV-Bestrahlungsstärke, spielt aber für die UV-Belastung in Deutschland eine eher geringe Rolle. Die Erholung der Ozonschicht scheint sich allerdings aufgrund von mehreren Einflussfaktoren zu verzögern. Eine Rückkehr zu Ozonsäulenwerten von 1980 wird etwa gegen 2035 für die nördliche Hemisphäre erwartet38. Zudem können sogenannte Niedrigozonereignisse auftreten, die für wenige Tage unerwartet hohe UV-Bestrahlungsstärken verursachen können. Ihr Ursprung kann ganzjährig in dynamischen Prozessen der Atmosphäre liegen und speziell im Frühjahr in einem winterlichen Ozonabbau über der Arktis39, 39, 39, 39. Niedrigozonereignisse im Frühjahr sind besonders gesundheitlich relevant, da zu dieser Jahreszeit die menschliche Haut noch besonders empfindlich gegenüber UV-Strahlung ist. 2020 stieg beispielweise Ende März / Anfang April aufgrund eines solchen Niedrigozonereignisses in Kombination mit den damals herrschenden Wetterbedingungen der UV-Index im Süden Deutschlands (München) von 3 auf 640. Eine Studie deutet darauf hin, dass die Häufigkeit der Niedrigozonereignisse im Frühjahr in den letzten zwei Jahrzehnten abgenommen hat41. Gleichzeitig zeigt sich in dieser Studie, dass das Frühjahr die am stärksten von Niedrigozonereignissen betroffene Jahreszeit zu sein scheint. Bezüglich der Entwicklung von Niedrigozonereignissen auf der Nordhalbkugel im weiteren Verlauf des 21. Jahrhunderts ist die Studienlage noch uneinheitlich42, 42, 42.
In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Sonnenstunden verändert. Bis in die 1980er-Jahre wurde in Deutschland und der gesamten Nordhalbkugel eine kontinuierliche Abnahme der Sonnenstunden (1951–1980 um rund 11 %, linearer Trend) registriert43. Der Grund für diesen sogenannten „global dimming“-Effekt wird in einer zunehmenden Verschmutzung der Atmosphäre durch Industrieabgase und in einer daraus folgenden vermehrten Wolkenbildung gesehen44. Seit ungefähr Mitte der 1980er-Jahre nimmt in Deutschland die mittlere Aerosolkonzentration mit der erfolgreichen Umsetzung von Luftreinhaltungsmaßnahmen ab45, mit der Folge einer ansteigenden Anzahl an jährlichen Sonnenstunden (1981–2022 um rund 19 %). Dieser „global brightening“-Effekt ist im Wesentlichen Ergebnis einer erfolgreichen internationalen Luftreinhaltungspolitik und keine direkte Folge des Klimawandels46, 46. Der prinzipielle Zusammenhang zwischen einer Änderung der UV-Strahlungsintensität und dem Klimawandel ist aktuell ein wichtiger Forschungsschwerpunkt. So zeigen Daten, die im Zeitraum 1996–2017 an vier europäischen Stationen aufgezeichnet wurden, dass langfristige Veränderungen der UV-Strahlung vor allem durch Veränderungen der Aerosole, der Bewölkung und des Oberflächenreflexionsvermögens (Albedo) bedingt sind47.
Die UV-Strahlungsintensität wird über den UV-Index (UVI) angezeigt, ein weltweit einheitliches Maß für den am Boden erwarteten Tagesspitzenwert (30-Minuten-Mittel) der sonnenbrandwirksamen UV-Bestrahlungsstärke48. Je höher der UVI ist, desto höher ist die UV-Bestrahlungsstärke und desto schneller kann bei ungeschützter Haut ein Sonnenbrand auftreten.
Die hier dargestellte Fallstudie basiert auf den in Deutschland an den Messstationen des UV-Messnetzes gemessenen Werten. Unter Berücksichtigung des Breitengrads (der UV-Index nimmt von Norden nach Süden zu) und der Höhenlage (der UV-Index ist in den Gebirgen höher als im Flachland) sind die Stationen vier Naturräumen zugeordnet. Es werden alle Tage mit UVI-Werten von 3 und mehr dargestellt, da bereits ab UV-Index 3 Sonnenschutzmaßnahmen zur Anwendung empfohlen sind. Da ab einem UV-Index 8 die Sonnenschutzempfehlungen noch einmal verschärft sind, werden zusätzlich die Tage mit UVI-Werten größer gleich 8 abgebildet. Für jede Station werden die Tage mit den entsprechenden UVI-Werten für das jeweilige Jahr aufsummiert und dann über die Stationen des jeweiligen Naturraums gemittelt.
Es zeigen sich deutlich regionale Unterschiede: Im Tiefland werden an fast der Hälfte des Jahres Bestrahlungsstärken erreicht, für die Sonnenschutz empfohlen wird. In den Mittelgebirgen, im Alpenvorland und im Hochgebirge zeigt sich dies für 200 Tage und mehr im Jahr. Der betrachtete Zeitraum erlaubt noch keine Trendaussagen. Es besteht Forschungsbedarf hinsichtlich der klimawandelbedingten Veränderungen der Einflussfaktoren auf die solare UV-Strahlung in Erdbodennähe.
32 - Strahlenschutzkommission 2016: Empfehlung der Strahlenschutzkommission „Schutz des Menschen vor den Gefahren solarer UV-Strahlung und UV-Strahlung in Solarien“. https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse/2016/2016-02-11%20Empf_UV-Schutz_KT.html?nn=2241510.
33 - El Ghissassi F., Baan R., Straif K. et al. 2009: A review of human carcinogens – part D: radiation. Lancet Oncol 10: 751-752.
34 - DKG – Deutsche Krebsgesellschaft e. V., DKH – Deutsche Krebshilfe, AWMF – Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. 2021: Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs, Langversion 2.1., AWMF Registernummer: 032/052OL. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/hautkrebs-praevention.
35 - Zentrum für Krebsregisterdaten des RKI: https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Nichtmelanotischer-Hautkrebs/nicht-melanotischer-hautkrebs_node.html.
35 - Zentrum für Krebsregisterdaten des RKI:https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Melanom/melanom_node.html.
36 - Katalinic A. 2022: Update – Prognose und Zahlen zu Hautkrebs in Deutschland. https://www.krebsregister-sh.de/wp-content/uploads/2022/04/Zahlen_Hautkrebs_2022-1.pdf.
37 - DKG et al. 2021, siehe Endnote 34
38 - WMO – World Meteorological Organization 2022: Executive Summary – Scientific Assessment of Ozone Depletion. GAW Report No. 278: 56 pp. https://ozone.unep.org/science/assessment/sap.
39 - Reid S.J., Tuck A.F., Kiladis G. 2000: On the changing abundance of ozone minima at northern midlatitudes. Journal of Geophysical Research: Atmospheres. https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2000JD900081.
39 - Brönnimann S. & Hood L.L. 2003: Frequency of low-ozone events over northwestern Europe in 1952–1963 and 1990–2000. Geophysical Research Letters 30(21). https://doi.org/10.1029/2003GL018431.
39 - Stick C., Krüger K., Schade N.H., Sandmann H., Macke A. 2006: Episode of unusual high solar ultraviolet radiation over central Europe due to dynamical reduced total ozone in May 2005. Atmos Chem Phys. 6(7): 1771-1776.
39 - Laschewski G., Matzarakis A. 2023: Long-Term Changes of Positive Anomalies of Erythema-Effective UV Irradiance Associated with Low Ozone Events in Germany 1983–2019. Environments 10(2), 31. https://www.mdpi.com/2076-3298/10/2/31.
40 - BfS – Bundesamt für Strahlenschutz: Mitteilung aus dem deutschlandweiten UV-Messnetz, Messzentrale München / Neuherberg. https://www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv-index/uv-messnetz/uv-messnetz_node.html.
41 - Laschewski & Matzarakis 2023, siehe Endnote 39
42 - Polvani L., Keeble J., Banerjee A., Checa-Garcia R., Chiodo G., Rieder H., Rosenlof K. 2023: No evidence of worsening Arctic springtime ozone losses over the 21st century. Nature Communications, 14. https://www.nature.com/articles/s41467-023-37134-3
42 - UNEP EEAP – United Nations Environment Programme, Environmental Effects Assessment Panel. 2023: Environmental Effects of Stratospheric Ozone Depletion, UV Radiation, and Interactions with Climate Change – 2022 Assessment Report. Montreal (Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer), 372 pp. https://ozone.unep.org/environmental-effects-stratospheric-ozone-depletion-uv-radiation-and-interactionsclimate-change.
42 - von der Gathen P., Kivi R., Wohltmann I., Salawitch R. J., Rex M. 2021: Climate change favours large seasonal loss of Arctic ozone. Nature Communications, 12(1), 1-17. doi: 10.1038/s41467-021-24089-6.
43 - Wild M., Wacker S., Yang S., Sanchez-Lorenzo A. 2021: Evidence for Clear-Sky Dimming and Brightening in Central Europe. Geophysical Research Letters, 48(6), e2020GL092216. doi: 10.1029/2020GL092216.
44 - Wild M. 2009: Global dimming and brightening: A review, J. Geophys. Res., 114, D00D16. doi: 10.1029/2008JD011470.
45 - Wild 2009, siehe Endnote 44.
46 - IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change 2021: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S.L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M.I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T.K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu, and B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 2391 pp.
doi: 10.1017/9781009157896.
46 - He Y., Wang K., Zhou C., Wild M. 2018: A revisit of global dimming and brightening based on the sunshine duration. Geophysical Research Letters, 45: 4281–4289. doi: 10.1029/2018GL077424.
47 - Fountoulakis I., Diémoz H., Siani A.-M., Laschewski G., Filippa G., Arola A., Bais A.F., De Backer H., Lakkala K., Webb A.R., De Bock V., Karppinen T., Garane K., Kapsomenakis J., Koukouli M.-E., Zerefos C.S. 2020: Solar UV Irradiance in a Changing Climate: Trends in Europe and the Significance of Spectral Monitoring in Italy. Environments, 7, 1. doi: 10.3390/environments7010001.
48 - WHO – World Health Organization, WMO – World Meteorological Organization, UNEP – United Nations Environment Programme, ICNIRP – International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection 2002: Global solar UV index: a practical guide. World Health Organization. https://apps.who.int/iris/handle/10665/42459.