Seit 1976 findet sich der Schutz der Umwelt als zentrales Leitmotiv des öffentlichen Baurechts im Baugesetzbuch (BauGB). Klimawandel, wachsende urbane Verkehre und Emissionen oder verstärkte Innenentwicklung konfrontieren das Baurecht mit neuen Problemen. Die Weiterentwicklung des öffentlichen Baurechts unter den Aspekten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes steht daher im Fokus der Arbeit des UBA.
Im Zentrum des Bauplanungsrechts stehen die Gemeinden und das ihnen nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) zugesicherte Recht auf Selbstverwaltung. Im Bereich des Bauplanungsrechts können Gemeinden daher die Nutzung von Flächen auf ihrem Gebiet nach Art und Intensität autonom festlegen. Dafür stehen ihnen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Der Flächennutzungsplan stellt die zulässigen Nutzungen für das gesamte Gemeindegebiet dar und ermöglicht somit eine ortsteilübergreifende Koordination der Gemeindeentwicklung. Für die kleinteiligeren Baugebiete oder einzelne Bauvorhaben werden Bebauungspläne oder Vorhaben- und Erschließungspläne aufgestellt, die auf den Vorgaben des Flächennutzungsplans aufbauen. Diese Planungstätigkeit der Gemeinden ist bundeseinheitlich im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Bei der Festlegung, welche Nutzungsarten in einem bestimmten Gebiet zulässig sein sollen, können die Gemeinden außerdem auf eine Reihe von vorgegebenen Baugebietstypen zurückgreifen. Einen entsprechenden Katalog enthält die Baunutzungsverordnung (BauNVO). Die in ihr enthaltenen Bauflächen- und Gebietstypen reichen von ausschließlicher Wohnnutzung über Gebiete mit eher gemischten Nutzungen (z.B. Wohnen, Kultur, nicht störendes Gewerbe) bis zu Gebieten, die störenden Gewerbebetrieben vorbehalten sind.
Bauordnung
Dem Bauplanungsrecht zur Seite steht das Bauordnungsrecht. Dieses regelt vor allem, wie Gebäude und bauliche Anlagen technisch auszuführen sind. Es umfasst z.B. Regelungen zu Abständen zwischen Gebäuden, zum Brandschutz oder zu Werkstoffen, die in Bauprodukten verwendet werden dürfen. Darüber hinaus können die Gemeinden über Gestaltungssatzungen Vorgaben zur optischen Gestaltung von Gebäuden machen, um die Aufrechterhaltung eines ästhetischen Ortsbildes zu gewährleisten. Das Bauordnungsrecht ist im Gegensatz zum Bauplanungsrecht nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern wird von jedem Bundesland in eigener Verantwortung festgelegt und dient vorwiegend der Gefahrenabwehr.
Klimaschutz und Klimaanpassung
Städte und Gemeinden sehen sich bereits jetzt mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert. Sie können wirksame Maßnahmen auch mit Hilfe des Städtebaurechts umsetzen. Dazu hat der Gesetzgeber mit einer BauGB-Novelle aus dem Jahr 2011 die Steuerungsmöglichkeiten der Gemeinden erheblich erweitert. Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels gehören nunmehr zu den städtebaulichen Leitbildern, die dazu beitragen sollen, „eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern“. Das bedeutet, dass die Gemeinden diese Zielvorgaben bei der Aufstellung von Flächennutzungs- oder Bebauungsplänen und im Rahmen von städtebaulichen Verträgen mit privaten Vorhabenträgern einzubeziehen und zu berücksichtigen haben.
Darüber hinaus trägt das BauGB auch dem Ausbau der erneuerbaren Energien Rechnung. Gemeinden können in Bebauungsplänen verbindlich Flächen festsetzen, die für Anlagen zur Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung genutzt werden sollen. Außerdem können Anlagen und sonstige Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken sollen oder der Anpassung an den Klimawandel dienen, bereits im Flächennutzungsplan dargestellt werden. Damit soll den zumeist eher informellen Aussagen zum städtebaulichen Klimaschutz sowie zum Ausbau der erneuerbaren Energien zusätzliches rechtliches Gewicht verliehen und die Gemeinden dazu veranlasst werden, die Steuerungsfunktion des Flächennutzungsplans voll auszuschöpfen. Eine verbesserte Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung bei der Aufstellung der Flächennutzungspläne soll die Akzeptanz derartiger Maßnahmen erhöhen.
Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme
Während unsere Metropolen und Großstädte wachsen, wandern immer mehr Menschen aus den ländlichen Gemeinden ab. Diese Entwicklung hat auch zur Folge, dass sich die Nutzungsansprüche der Wohnbevölkerung in der Stadt und auf dem Land verändern. Während die Städte gezwungen sind, ihre Innenbereiche weiter zu verdichten und neue Bauflächen auszuweisen, um dem Siedlungsdruck standzuhalten, versäumen es vor allem schrumpfende ländliche Kommunen, ihre teils verwaisten Ortskerne zu entwickeln. Stattdessen weisen sie oftmals neue Baugebiete für Wohnen und Gewerbe auf unversiegelten Flächen an den Siedlungsrändern aus, um insbesondere bauwilligen jungen Familien ein vermeintlich attraktives Angebot zur Ansiedelung machen zu können oder um neue Gewerbetreibende anzulocken. Diese neuen Baugebiete müssen wiederum durch neue Straßen erschlossen werden, so dass in der Folge auch die Verkehrsflächen zunehmen. Insgesamt führt diese umfangreiche Ausweisung neuer Baugebiete auf der "grünen Wiese" zu einem Wachstum der Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke, der in Deutschland mit ca. 58 Hektar pro Tag (gleitender 4-Jahresdurchschnitt 2014 - 2017) nach wie vor zu hoch ist. Diesen sogenannten "Flächenverbrauch" will die Bundesregierung gemäß den Zielen der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag verringern.
Vorrang der Innenentwicklung
Erreicht werden soll das durch eine stärkere Berücksichtigung des Prinzips „Innen vor Außen“ in der Bauleitplanung. Gemeint ist damit die vorrangige Entwicklung von Brachflächen, Baulücken oder Leerständen innerhalb der Gemeinden statt der Nutzung von unbebauten Flächen im Außenbereich. Deshalb müssen bei der Aufstellung oder Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen solche Maßnahmen vorrangig geprüft und umgesetzt werden. Sollte die Gemeinde sich dennoch entscheiden, bspw. Landwirtschafts- oder Waldflächen in Anspruch zu nehmen, muss dies seit 2013 begründet werden, wobei die Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden sollen. Außerdem unterliegen flächenintensive landwirtschaftliche Anlagen (insbesondere Tierhaltungsanlagen) nunmehr nicht mehr der Privilegierung im Außenbereich, so dass diese nur noch nach Aufstellung von Bebauungsplänen errichtet werden können.
Stadt der kurzen Wege
Für die Senkung der Flächenneuinanspruchnahme spielen insbesondere Art und Maß der baulichen Nutzung, also die Menge neu ausgewiesener Flächen sowie die zulässigen Nutzungen und die bauliche Dichte, eine entscheidende Rolle. Deshalb sollen die kommunalen Planungsträger mit Hilfe der Bauleitplanung die Errichtung flächensparender, kompakter und nutzungsgemischter Quartiere anstreben. Außerdem soll vorhandener aber ungenutzter Baubestand flexibler umgenutzt werden können, indem vor allem im unbeplanten Innenbereich gewerblich genutzte Gebäude in Wohnnutzung umgewandelt werden können. Auf diese Weise kann die Lebens- und Nutzungsdauer von Gebäuden erhöht werden, was sich wiederum positiv auf den Flächen- und Rohstoffverbrauch auswirkt.
Doppelte Innenentwicklung
Bei alledem darf die zunehmende Verdichtung von städtischen Gebieten nicht zulasten von Natur und Biodiversität sowie gesunder Wohnverhältnisse gehen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn insbesondere quartiersnahe städtische Grünflächen erhalten und ausgeweitet werden. Nebeneffekt ist nicht nur die Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität in verdichteten urbanen Gebieten, sondern auch die Förderung der Durchlüftung und Kühlung der Quartiere.
Energiewende und Ressourcenschutz
Unser Lebensstandard fordert den Einsatz großer Mengen natürlicher Ressourcen, insbesondere beim Gebäudebau. Das Baurecht kann daher dazu beitragen, sparsamer mit nicht erneuerbaren Ressourcen umzugehen und diese so auch für zukünftige Generationen zu sichern. Das Umweltbundesamt setzt sich hier dafür ein, dass auch der Ressourcenschutz als städtebauliches Leitbild im BauGB verankert wird.
In Bebauungsplänen können beispielsweise Vorgaben zur Anordnung und Planung von Gebäuden gemacht werden, sodass notwendige Erschließungsstraßen und -wege möglichst kurz sind. Darüber hinaus könnten Gemeinden festsetzen, dass beim Gebäudebau bestimmte Anteile an Sekundär- und Recyclingbaustoffen zu verwenden sind. Gleiches sollte auch bei der Vereinbarung von städtebaulichen Verträgen mit privaten Vorhabenträgern berücksichtigt werden. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Rohstoffkreislauf, von der Rohstoffgewinnung bis zum Abfallrecycling.
Im Rahmen der Energiewende hat der Gesetzgeber erste Anpassungen im Baurecht vorgenommen. Die Gemeinden können in ihrer Planung nunmehr erhöhte Anforderungen an die Energieeffizienz und den Einsatz erneuerbarer Energien in neuen Gebäuden vorsehen. Außerdem hat der Gesetzgeber das Instrument der städtebaulichen Sanierung gestärkt. Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenbündel zur Behebung eines städtebaulichen Missstandes, welches durch eine gemeindliche Planung ausgelöst wird. Als Anlass der Ausweisung eines solchen Sanierungsgebietes können nunmehr auch ein überhöhter Energieverbrauch oder mangelhafte Anpassung an den Klimawandel im Gebiet dienen.
Zudem hat der Gesetzgeber auch die Regelungen über die Nutzung erneuerbarer Energien zur Versorgung der Wohngebiete verbessert. Die Nutzung von Solarenergie auf Dächern und Außenwänden als Nebenanlagen ist nun einfacher möglich. Dies gilt auch für Anlagen, die Kraft-Wärme-Kopplung nutzen.
BauGB-Novelle 2017
Bebauungspläne im beschleunigten Verfahren (v.a. Paragraf 13b BauGB)
Ein Ziel der Novellierung des BauGB war es im Jahr 2017, die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme weiter zu stärken. Dass der Gesetzgeber es, befristet bis 2019, ermöglicht hat, Bebauungspläne für Wohnnutzungen mit einer bebauten Grundfläche von unter 10.000 Quadratmetern in Ortsrandlagen im beschleunigten Verfahren aufzustellen, steht dazu in Widerspruch (vgl. Paragraf 13b BauGB). Dieses Verfahren ermöglicht es den Gemeinden, auf die frühzeitige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in den Planungsprozess und auf die Durchführung einer Umweltprüfung zu verzichten. Zudem wird gesetzlich fingiert, dass die grundsätzlich nach dem BauGB erforderlichen Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen für den Eingriff in Natur und Landschaft als erfolgt gelten. Die Eingriffsregelung wird also schlicht nicht angewandt.
Außerdem wird die Befristung die Gemeinden dazu veranlassen, Bebauungspläne auf Vorrat auszuweisen, was unmittelbar eine vermehrte Flächenneuinanspruchnahme zur Folge hätte. Erste Evaluierungsvorhaben, auch des Umweltbundesamtes, bestätigen diese Befürchtung. Insbesondere kleinere ländliche Gemeinden nutzen dieses Instrument am häufigsten und weisen vermehrt Bauflächen für freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser auf schützenswerten Freiflächen im Außenbereich aus. Die eigentlichen Adressaten dieser Regelung, Städte mit hohem Bedarf an Wohnungsausbau, nutzen das Instrument hingegen kaum. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher dringend, Paragraf 13b BauGB baldmöglichst auslaufen zu lassen und keinesfalls zu entfristen.
"Urbane Gebiete (MU)" (Paragraf 6a BauNVO)
Aufgrund des zunehmenden Wohnraumdrucks auf die attraktiven Innenstadtlagen soll auch das Bauen zu Wohnzwecken dort erleichtert werden. Dazu wurde die neue Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“ eingeführt. In Urbanen Gebieten sind eine höhere Baudichte und -höhe sowie ein verstärktes Mischen von Wohnen und nicht wesentlich störender gewerblicher Nutzung möglich. Dies soll innerhalb von Gemeinden das städtebauliche Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“ fördern und damit innerstädtische Verkehre mit Kraftfahrzeugen reduzieren helfen. Die höhere Verdichtung sollte allerdings nicht mit niedrigeren Schutzstandards, wie geänderten Lärmgrenzwerten, erkauft werden, sondern mittels intelligenter planerischer und baulicher Maßnahmen bei Beibehaltung eines hohen Schutzniveaus für Anwohner und Anwohnerinnen angestrebt werden. Die mit der Einführung des Urbanen Gebiets angehobenen Lärmgrenzwerte für Anlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz von 60 auf 63 dB(A) tagsüber sind daher aus Sicht eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes kritisch zu sehen.
Wohnumnutzung
Bei der Umwandlung bestehender Gebäudenutzungen in Wohnnutzung kann im Einzelfall vom bauplanerischen Grundsatz abgewichen werden, dass sich Nutzungen in die Eigenart der Umgebung einfügen müssen, ohne dass die Vornutzung eine Rolle spielt. Umnutzungen waren unter diesen Voraussetzungen bisher nur zugelassen, wenn die Vornutzung ein Gewerbe- oder Handwerksbetrieb war. Diese Änderung soll insbesondere dem steigenden Wohnraumdruck entgegenwirken und die Anzahl der Neuausweisung von Bauflächen senken.
Forschung des UBA
Im Rahmen einer Forschungsarbeit evaluiert das Umweltbundesamt derzeit die praktische Anwendung und Wirkung der sog. BauGB-Klima- und Innentwicklungsnovellen von 2011/2013. Anhand von Fallstudien und Interviews mit Städteplanerinnen und Städteplanern soll ermittelt werden, inwieweit die Gemeinden von den neu eröffneten planungsrechtlichen Regelungen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung sowie zur Innenentwicklung Gebrauch machen. Ergänzt wird diese Forschungsarbeit durch eine zusätzliche, in jüngster Zeit durchgeführte Stichprobenuntersuchung zur planungspraktischen Anwendung des befristet eingeführten Paragraf 13b BauGB. Mit einer Veröffentlichung der Ergebnisse ist voraussichtlich Anfang 2020 zu rechnen.
Zudem hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit seinen Forschungsnehmern ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs entwickelt. Vorschläge im Bereich des öffentlichen Baurechts sind beispielsweise, einen Flächenzertifikatehandel oder eine regelmäßige Überprüfungspflicht für Flächennutzungspläne einzuführen.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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