FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

Das Bild zeigt mehrere Streifenbarben, die am Grund des Meeres schwimmen. Unter und hinter den Fischen sind Felsen und Wasserpflanzen zu erkennen.zum Vergrößern anklicken
In der südlichen und zentralen Nordsee werden bei Beprobungen häufig auch Streifenbarbe gefangen.
Quelle: André LABETAA / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

In der Nordsee zeigen sich die Auswirkungen des Klimawandels auf die Fischbestände im Vordringen südeuropäischer, wärmeliebender (lusitanischer) Arten nach Norden. In den am südlichsten und am nächsten zur deutschen Nordseeküste gelegenen Untersuchungsgebieten kommt inzwischen in den meisten Fängen eine südliche Art vor. In einem der nördlicher gelegenen Untersuchungsgebiete gibt es ebenfalls eine Zunahme.

Die Abbildung FI-I-1 "Verbreitung warmadaptierter mariner Arten" zeigt mithilfe von sechs Kurven den prozentualen Anteil von Fängen mit mindestens einer lusitanischen Fischart für verschiedene Boxen in einer Zeitreihe von 1987 bis 2021. Dargestellt ist jeweils das gleitende 3-Jahres-Mittel. Die Zeitreihe zu Box C verläuft nahe der 0 Achse mit einem Maximalwert von knapp 20 Prozent im Jahr 2014. Ähnlich ist der Kurvenverlauf für Box H, hier gibt es ein Maximum mit rund 5 Prozent im Jahr 2003.
FI-I-1: Verbreitung warmadaptierter mariner Arten

Die Abbildung FI-I-1 "Verbreitung warmadaptierter mariner Arten" zeigt mithilfe von sechs Kurven den prozentualen Anteil von Fängen mit mindestens einer lusitanischen Fischart für verschiedene Boxen in einer Zeitreihe von 1987 bis 2021. Dargestellt ist jeweils das gleitende 3-Jahres-Mittel. Die Zeitreihe zu Box C verläuft nahe der 0 Achse mit einem Maximalwert von knapp 20 Prozent im Jahr 2014. Ähnlich ist der Kurvenverlauf für Box H, hier gibt es ein Maximum mit rund 5 Prozent im Jahr 2003. Die Boxen E und K zeigen einen zum Teil schwankenden Verlauf, aber einen signifikant ansteigenden Trend. In Box E liegen die Werte seit 2007 über 90 Prozent. In Box K lag der bisherige Höchstwert mit über 50 Prozent im Jahr 2015. In Box A wurden 1998 die 100 Prozent erreicht. Ab 2014 wurden jedoch wieder Werte unterhalb 100 Prozent verzeichnet mit einem bisherigen Tiefstand von rund 67 Prozent im Jahr 2021. Diese Linie zeigt eine deutliche Trendumkehr hin zu fallenden Werten.

Quelle: Thünen-Institut für Seefischerei (GSBTS: German-scale Bottom Trawl Survey

Wärmeliebende Fischarten in der Nord- und Ostsee

Steigende Wassertemperaturen (siehe ⁠IndikatorKM-I-1), veränderte Strömungsverhältnisse und steigende ⁠CO2⁠-Konzentrationen im Meerwasser verändern die Lebensbedingungen für alle Meeresorganismen. Das Wasser der Nordsee erwärmt sich dabei nicht in einem einfachen Nord-Südgefälle. Die Wassererwärmung vollzieht sich in komplexeren räumlichen Mustern. In der Nordsee verlagern sich mit zunehmender Erwärmung die Bestände von kälteliebenden Arten von Fischen, Weichtieren und Krebstieren tendenziell in kühlere Zonen. Ihr Organismus benötigt eine bestimmte Temperaturspanne, die ihnen ihr bisheriger, zu warm gewordener Lebensraum nicht mehr bietet. Außerdem folgen sie Pflanzen, Plankton und anderen Meeresorganismen, von denen sie sich ernähren und die ebenfalls kältere Wassertemperaturen bevorzugen. Gleichzeitig dringen neue Arten in die Nordsee vor, die bisher eher in südlicheren Meeresgebieten beheimatet waren.
Im Brackwassermilieu der Ostsee, in dem sich Süß- und Salzwasser mischen, haben sich aufgrund der spezifischen Bedingungen labile ökologische Gleichgewichte eingestellt. Die hohe Variabilität der Umweltbedingungen bietet dort nur wenigen sehr toleranten Fischarten ausreichende Lebens- und Reproduktionsbedingungen. Aufgrund der höheren Toleranz der Arten ist zu erwarten, dass sich die Folgen des Klimawandels in der Ostsee auch weniger deutlich in Artenverschiebungen niederschlagen werden als in der Nordsee. Allerdings sind Veränderungen in der Produktivität der Fischbestände auch für die Ostsee bereits sichtbar (siehe Indikator FI-I-2).

Veränderungen in der Verbreitung von Fischbeständen und in der Artenzusammensetzung stellen die Meeresfischerei vor neue Herausforderungen. So können mit der räumlichen Verschiebung von Fischpopulationen der Nordsee in kühlere Zonen wirtschaftliche Einbußen für die entsprechenden Fischereien einhergehen, wenn die neuen Verbreitungsgebiete der bekannten Arten nur noch schwer und mit deutlich höherem Aufwand zu erreichen sind. Inwieweit solche wirtschaftlichen und ökologischen Effekte durch Änderungen in Verbreitung und Abundanz anderer Arten ausgeglichen werden können, lässt sich bisher nicht sicher vorhersagen. In der Nordsee lohnt ein gezielter Fang auf diese alternativen Arten derzeit noch nicht.
Wichtige Grundlage für künftige Anpassungen des Fischereimanagements ist die genaue Beobachtung räumlicher Verschiebungen von Fischbeständen und Änderungen der Artengemeinschaften. Im Rahmen des „German Small-scale Bottom Trawl Survey“ (GSBTS) werden in festgelegten Gebieten der Nordsee jährlich standardisierte Fänge durchgeführt. Sie dienen dem Ziel, die natürliche Variabilität der Fangraten diverser Fischarten abzuschätzen und mittel- bis langfristige Veränderungen in den Fischgemeinschaften zu erfassen.

Analysiert man die Fangergebnisse der letzten mehr als 30 Jahre in fünf Untersuchungsgebieten innerhalb der Deutschen Bucht, stellt man fest, dass immer häufiger wärmeliebende südeuropäische (lusitanische) Arten in den Fängen aufgetaucht sind. Typische Vertreter dieser Artengruppe sind beispielsweise der Rote Knurrhahn (Chelidonichthys lucerna), die Streifenbarbe (Mullus surmuletus), die Zwerg- und Lammzunge (Buglossidium luteum und Arnoglossus laterna) sowie die Sardelle (Engraulis encrasicolus) und die Sardine (Sardina pilchardus). In den beiden südlichsten Fanggebieten, die der deutschen Küste am nächsten liegen (Box A und Box E), fand sich in den letzten Jahrzehnten in fast jedem Fang mindestens eine dieser Arten, während Ende der 1980er-Jahre solche Fänge noch eher eine Seltenheit waren. Um die Jahrtausendwende wurden in Box A bereits mit jedem Fang auch wärmeliebende Arten gefangen.
In den vergangenen Jahren jedoch ging die Häufigkeit solcher Fänge in Box A zurück, nach 2017 nahm sie sogar deutlich ab. Dort sank die Fanghäufigkeit der im Indikator repräsentierten lusitanischen Arten zwischen 2017 und 2021 von nahe 100 % auf 67 % im Jahr 2020. Diese Trendumkehr geht zurück auf ein selteneres Auftreten der beiden kleinen Plattfischarten Lammzunge (Arnoglossus laterna) und insbesondere Zwergzunge (Buglossidium luteum). Die Gründe dafür werden aktuell untersucht.
In der etwas nördlicher, ungefähr auf der Breite des dänischen Esbjergs gelegenen Box K erschienen seit Mitte der 1990er-Jahre Vertreter der lusitanischen Arten und entwickelten sich in der Folge – allerdings nicht kontinuierlich – auf ein mittleres Häufigkeitsniveau. Sporadisch gab es auch weiter nordwärts in der in der östlichen Nordsee gelegenen Box C Funde, die auf eine potenzielle Verbreitung bei ansteigenden Temperaturen auch in diesen Bereichen hindeuten.
Gleichzeitig mit dem Vordringen der südeuropäischen Arten wird bereits eine Abnahme kälteliebender Arten beobachtet. So ist der Kabeljau (Gadus morhua) aus der südlichen Nordsee, die die südliche Grenze seines Verbreitungsgebiets darstellt, inzwischen fast verschwunden. Dies ist nicht nur die Folge intensiver Fischerei, sondern liegt auch daran, dass die wärmeren Bedingungen in diesen Breiten die Ernährungsgrundlage und den Stoffwechsel dieser Fischart nachteilig beeinflussen.
Die zunehmende Erwärmung scheint eine wichtige Rolle bei der räumlichen Verlagerung von Fischbeständen zu spielen, obwohl neben dem ⁠Klimawandel⁠ auch andere Faktoren wie die kommerzielle Fischerei verantwortlich sind für Veränderungen in der räumlichen Verteilung von Fischbeständen. Die milden Winter ermöglichen einigen südlichen Fischarten, auch in der Nordsee zu überwintern und sich fortzupflanzen.