Bund und Länder erheben regelmäßig Daten zum Zustand von Nord- und Ostsee über verschiedene Monitoringmethoden – das nennt man Überwachung. So kann der Zustand der Meeresumwelt bewertet und negativen Entwicklungen entgegengewirkt werden. Neben der klassischen Beprobung mit Schiffen und Flugzeugen kommen zunehmend innovative Methoden wie Satellitenbilder und Modellierung zum Einsatz.
Überwachung von Nord- und Ostsee: Negative Entwicklungen in der Meeresumwelt erkennen und ihnen entgegenwirken
Daten zum Zustand der deutschen Meeresgebiete in Nord- und Ostsee werden regelmäßig im Rahmen des Bund-Länder-Messprogramms (BLMP) erhoben. Diese Gebiete umfassen Ästuare, Übergangsgewässer sowie Küsten- und Meeresgewässer der ausschließlichen Wirtschaftszone. Diese Überwachung beruht auf Anforderungen nationaler, (sub-)regionaler und europäischer rechtlicher Vorgaben, darunterder regionalen Meeresübereinkommen OSPAR und HELCOM, der Trilateralen Wattenmeerkooperation, und relevanter EU-Richtlinien wie der Nitrat-Richtlinie, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL), der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL). Mit Hilfe der langfristigen und routinemäßigen Datenerhebungen kann der Zustand der Meeresumwelt umfassend dokumentiert werden, um negativen Entwicklungen entgegenwirken zu können.
Überwachungsmethoden
Mit Schiffen werden biologische, physikalisch-chemische sowie hydrografische Daten erfasst. Feste Bojen messen im Dauereinsatz hydrografische und physiko-chemische Werte. Aus Flugzeugen wird die großräumige Verteilung etwa von Großalgen, Seegras oder von Meeressäugern beobachtet. Das Monitoringhandbuch des BLMP enthält ausführliche Informationen unter anderem zu Messstationen, Messparametern und Messmethoden. Die kontinuierliche Datenerhebung kann je nach Bedarf durch überblicksartige Erfassungen und Forschungsaktivitäten ergänzt werden.
Diese klassische Beprobung wird zunehmend durch innovative Methoden erweitert. Satelliten überwachen die Konzentrationen von Chlorophyll und Algenblüten, Messgeräte auf Bojen oder Fähren messen autonom. Das Screening von Wasser-, Sediment- und Organismenproben auf die Vielzahl von möglichen Schadstoffen ergänzt die übliche Monitoringanalyse solcher Proben auf bekannte Indikatorschadstoffe. Die Beprobung von freier Plankton-DNA im Meer (eDNA) dient zur ergänzenden Untersuchung der marinen Biodiversität. KI-basierte Methoden ermöglichen zunehmend die automatische Erkennung und Klassifizierung von Planktonarten in Unterwasseraufnahmen.
Für meereswissenschaftliche Fragestellungen werden häufig marine Ökosystemmodelle eingesetzt. Diese Modelle ermöglichen es, Referenzzustände zu bestimmen, indem sie historische, unbelastete Zustände der Meeresgewässer rekonstruieren. Dabei können sie deutlich weiter in die Vergangenheit zurückblicken, als es mit den verfügbaren Messdaten möglich wäre. Für die Nord- und Ostsee werden Ökosystemmodelle auch eingesetzt, um erforderliche Nährstoffeintragsreduktionen zu ermitteln. Neben marinen Modellen spielt für den Meeresschutz auch die Abbildung der Situation in den Flusseinzugsgebieten eine große Rolle. Solche Einzugsgebietsmodelle können z.B. Informationen liefern, aus welchen Quellen Nähr- und Schadstoffeinträge stammen. Das Umweltbundesamt entwickelt im Rahmen von Forschungsvorhaben die Modellkapazitäten ständig weiter und nutzt Modellergebnisse zur Beantwortung meereswissenschaftlicher Fragestellungen.
Zustandsbewertungen
Um negative Veränderungen in der Meeresumwelt zu erkennen und ihnen entgegenwirken zu können, ist zunächst eine detaillierte Bestandsaufnahme erforderlich. Während diese in der Vergangenheit meist auf lokale Eingriffe wie z.B. die Verklappung von Klärschlamm, Baggergut oder Bohrgut von Ölplattformen beschränkt war, entwickelten sich vor dem Hintergrund neuer rechtlicher Vorgaben zunehmend komplexere Bewertungsverfahren. Dabei werden zunächst einzelne Indikatoren bewertet und dann unter Anwendung bestimmter Bewertungsregeln zu einer Gesamtbewertung verschnitten. Man unterscheidet grundsätzlich die Bewertung von Belastungen (z.B. Eutrophierung, Abfälle im Meer) von der Bewertung des Zustands von biologischen Komponenten (Arten, Artengruppen oder Habitate). Z.B. für Meeressäuger, Eutrophierung und Schadstoffe existieren bereits ausgereifte Bewertungsverfahren, während für andere Belastungen wie der Lärmverschmutzung oder dem Eintrag von Abfällen und andere biologische Komponente wie Nahrungsnetzen und pelagische Habitaten derzeit Indikatoren und Bewertungsverfahren unter anderem im Rahmen von Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes entwickelt werden.
Die WRRL wird in Deutschland durch die Oberflächengewässerverordnung (OGewV) umgesetzt und sieht alle sechs Jahre eine Bewertung des chemischen Zustands und des ökologischen Potentials der Übergangs- und Küstengewässer anhand von Schwellenwerten und Grenzwerten vor, die in der OGewV festgelegt sind. In der Ostsee sind in Deutschland keine Übergangsgewässer definiert. In der Nordsee wird gemäß WRRL in Übergangs- und Küstengewässer unterschieden. Der chemische Zustand wird bis zur 12 Seemeilen-Zone bestimmt. Dafür werden die prioritären und prioritär gefährlichen Stoffe überwacht und an Hand von Umweltqualitätsnormen (UQNs) bewertet. Die Bewertung der Einhaltung der UQNs der flussgebietsspezifischen Schadstoffe (PCBs, zinnorganische Verbindungen, verschiedene Metalle) geht in die Bewertung des ökologischen Zustands ein. Das ökologische Potential wird in den Übergangs- und Küstengewässern bis zur 1-Seemeilen-Zone bestimmt und umfasst die Bewertung der drei biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten und Makrozoobenthos. Unterstützend werden eine Reihe physiko-chemischer Parameter herangezogen (Nährstoffe, Sauerstoff, Sichttiefe).
Anders als die WRRL trennt die MSRL bei der Bewertung nicht streng zwischen dem biologischen und chemischen Zustand. Jedoch beschreiben drei sogenannte „Statusdeskriptoren“ (Deskriptor 1 „Biodiversität“, Deskriptor 4 „Nahrungsnetz“ und Deskriptor 6 „Meeresboden“) im weitesten Sinne den biologischen Zustand der Meeresgewässer. Darüber hinaus müssen gemäß Anhang III MSRL Biotoptypen und biologische Merkmale bewertet werden. In den Küstengewässern betrachtet die WRRL die drei biologischen Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten und Makrozoobenthos. Unter der MSRL kommen das Zooplankton, Fische, Seevögel und Meeressäuger hinzu. Abgesehen von Mikroorganismen sind somit durch eine EU-Richtlinie erstmals alle marinen Organismengruppen erfasst.
Weiterhin umfasst die MSRL acht sogenannte „Belastungsdeskriptoren“ – D2 Nicht-einheimische Arten, D3 Zustand kommerzieller Fisch- und Schalentierbestände, D5 Eutrophierung, D7 Hydrographische Bedingungen, D8 Schadstoffe, D9 Schadstoffe in Fischen und Meeresfrüchten, D10 Abfälle im Meer und D11 Energie inklusive Unterwasserlärm. Über einen ergänzenden Beschluss der EU-Kommission wurden für die Deskriptoren zudem spezifische Kriterien und methodische Standards für die Beschreibung eines guten Umweltzustands festgelegt fest. Eine besondere Herausforderung bei der Umsetzung der MSRL stellt die Notwendigkeit der Betrachtung kumulativer Auswirkungen dar. Außerdem ist eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Analyse der Nutzung der betreffenden Gewässer sowie der Kosten einer Verschlechterung der Meeresumwelt erforderlich.
Bewertung gemäß Nitratrichtlinie
Die Nitratrichtlinie sieht alle 4 Jahre eine Bewertung der Nitratkonzentrationen im Grundwasser und Oberflächengewässern inklusive Küsten- und Meeresgewässer vor. Langzeittrends der Nitratkonzentrationen an vereinbarten Messstellen werden in Konzentrationsklassen eingeteilt mit dem Ziel, den Erfolg von Reduktionsmaßnahmen der Nitrateinträge in die Gewässer durch abnehmende Trends zu dokumentieren. Für die resultierende Eutrophierungsbewertung wird auf die Bewertungen nach WRRL und MSRL zurückgegriffen.
Bewertungsverfahren gemäß OSPAR und HELCOM
Im Rahmen der regionalen Meeresübereinkommen OSPAR und HELCOM wird der Zustand des Nordostatlantiks inklusive der Nordsee und der Ostsee regelmäßig bewertet und in Form von holistischen Zustandsberichten publiziert. Der HELCOM „State of the Baltic Sea Report“ und der OSPAR „Quality Status Report“ enthalten dabei eine Vielzahl thematischer Zustandsberichte (z.B. zu Eutrophierung, pelagischen Habitaten, Schadstoffen, Nahrungsnetze, Abfällen im Meer etc.) sowie eine Reihe von Indikatorbewertungen, Pilotbewertungen und sonstigen Bewertungen. Diese regionalen Bewertungen werden von den Anrainern des Nordostatlantiks und der Ostsee die EU-Mitgliedsstaaten zur Bewertung des Zustands gemäß MSRL herangezogen. Die von OSPAR und HELCOM verwendeten Bewertungsverfahren beruhen deshalb überwiegend auf den Vorgaben der MSRL.
Über diese Kooperation der drei Länder Deutschland, Dänemark und Niederlande werden Arten, Habitate und Gemeinschaften, menschliche Aktivitäten, ausgewählte Belastungen und das Klima und die Geomorphologie in regelmäßig erscheinenden Qualitätszustandsberichten beschrieben. Für die Bewertung werden überwiegend die Verfahren von OSPAR und der WRRL herangezogen.
Mit der FFH-Richtlinie verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten in Art. 11 zur Überwachung des Erhaltungszustandes (Monitoring) der Lebensraumtypen (Anhang I) und Arten (Anhänge II, IV und V) von europäischem Interesse. Die Ergebnisse dieses Monitorings stellen eine wichtige Grundlage für den alle 6 Jahre zu erstellenden nationalen Bericht gemäß FFH-Richtlinie dar.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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