Nachhaltigkeitsstandards / Zertifizierung von Biomasse

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Der Maisanbau hat sich in den letzten Jahren stark ausgeweitet.
Quelle: S. Marahrens / Umweltbundesamt

Mit der Zertifizierung von Biomasse sollen ökologische und soziale Mindeststandards sichergestellt werden. Die Zertifizierung ist eine Chance, gute und wichtige Impulse in der Produktion zu setzen. Für die Wirksamkeit der Zertifizierung müssen jedoch hohe Voraussetzungen erfüllt sein, welche die Reichweite und Effektivität der Zertifizierung begrenzen.

Die Zertifizierung von Produkten und Produktionsweisen bietet gewisse Chancen, die Produktion von biotischen Rohstoffen (vornehmlich Agrar- und Forstgütern) in sozial- und umweltverträglichere Bahnen zu lenken, sie hat aber auch klare Grenzen. Damit eine Zertifizierung ihre positive Wirkung entfalten kann, müssen zum einen Nachhaltigkeitsanforderungen  an die Produktion und Verarbeitung von ⁠Biomasse⁠ inhaltlich ausreichend konkretisiert sein und zum anderen die jeweiligen Kriterien und Standards dann auch zuverlässig überprüft werden.

Sind die Nachhaltigkeitsanforderungen zu niedrig und/oder ungeeignet, bleibt die erwünschte Steuerungswirkung auf die Produktion gering. Werden dagegen anspruchsvolle Standards unzureichend umgesetzt oder sind die Sanktionsmechanismen ineffektiv, ist die Zertifizierung nicht hinreichend glaubwürdig.

Die Nachhaltigkeitszertifizierung von Biomasse unterscheidet sich von der anderer Produkte und Produktionsweisen. Generell sind die Aus- und Wechselwirkungen von Landnutzungen komplex und zum Teil nur schwer in quantifizierbare und praxistaugliche Kriterien und Indikatoren übersetzbar. Dies ist für die Zertifizierung aber erforderlich. Viele Missstände treten nicht als messbares Ereignis auf der Fläche auf, sondern erst auf anderen Ebenen oder im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren. So müssen zum Beispiel Verlagerungs- und Verdrängungseffekte, der Schutz der ⁠Biodiversität⁠ oder das Recht auf Nahrung berücksichtigt werden.

Wenn es gelänge, auf europäischer Ebene für die gesamte Nachfrage nach biotischen Rohstoffen (Nahrungs- und Futtermittel, stofflich und energetisch genutzte Biomasse) eine Nachweispflicht für die Einhaltung geeigneter, einheitlicher Standards zum Schutz von Mensch und Natur einzuführen, so  wäre dies ein klares Signal für den Markt und ein deutlicher Anreiz zur Verbesserung der Produktion im In- und Ausland. Dennoch bestünde die Gefahr, dass die so zertifizierten biotischen Rohstoffe dann für den europäischen Markt genutzt werden, während die Agrar- und Forstgüter mit kritischer Herkunft andere Nachfrager bedienen. Der gewünschte Effekt bliebe so  schlimmstenfalls marginal.
Dieser inhärenten Grenzen der Zertifizierung müssen sich alle Akteure (Politik, Konsumenten, Produzenten, etc.) bewusst sein.

Nachhaltigkeitszertifizierung für energetische Biomassenutzung

Aufgrund der zunehmenden Kritik an der Nutzung von Biomasse als Energieträger in der öffentlichen Debatte gibt es vielfältige Zertifizierungsinitiativen, die freiwillige oder verbindliche Nachhaltigkeitsstandards für Bioenergie festlegen und deren Einhaltung sicherstellen wollen. Zu nennen sind hier auf globaler Ebene die Global Bioenergy Partnership (GBEP), an der wichtige Bioenergiehandelsstaaten sowie 13 internationale Organisationen beteiligt sind. GBEP hat im Jahr 2011 24 Nachhaltigkeitsindikatoren für die Bioenergieproduktion verabschiedet. Sie sollen dazu beitragen, die politischen Rahmenbedingungen für Bioenergie an ambitionierten Nachhaltigkeitskriterien auszurichten.

Auf europäischer Ebene wurden mit der EU-Renewable Energies Directive (EU-RED) von 2009 für die flüssigen Biomassen beziehungsweise Biokraftstoffe verbindliche Nachhaltigkeitsanforderungen festgeschrieben. Die Richtlinie regelt unter anderem, dass bestimmte schützenswerte Flächen nicht für die Gewinnung von Biomasse genutzt werden dürfen. So darf die Biomasse beispielsweise nicht von Flächen stammen, die durch Rodung gewonnen wurden, die als Grasland mit hoher Biodiversität einzustufen sind oder die durch Drainage von Moorflächen gewonnen wurden.
Nur wenn diese Kriterien eingehalten werden, dürfen sich Mitgliedsstaaten den jeweiligen Bioenergiebeitrag für die Erfüllung ihrer Biokraftstoffquote beziehungsweise ⁠Treibhausgas⁠-Einsparziele anrechnen lassen und die jeweilige Produktion fördern. Dies gilt auch für importierte Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe.
Deutschland hat die Vorgaben der RED in Form der Biomassestrom-(BioSt-NachVO) und der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnungen (BioKraftNachV) in nationales Recht umgesetzt. Insgesamt ist die Implementierung der Vorgaben auf europäischer Ebene aus Sicht des ⁠UBA⁠ noch unbefriedigend, da eine Vielzahl von Zertifizierungssystemen entstanden ist, von denen einige als nicht hinreichend glaubwürdig einzustufen sind. Beispielsweise ist eine externe Kontrolle nicht in allen Systemen gefordert.

Trotz der zahlreichen positiven Teilergebnisse aus den Diskursen darüber, wie die Produktion umwelt- und sozialverträglicher gestaltet werden könnte, zeichnet sich ab, dass freiwillige Ansätze verbindliche gesetzliche Vorgaben nicht ersetzen können. Sie sind vielmehr die Voraussetzung dafür, dass umwelt- und sozialethische Mindeststandards in der Produktion nicht unterschritten werden.

Eine weitere, bislang große Herausforderung, ist die Berücksichtigung von Treibhausgas-Emissionen, die durch indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) hervorgerufen werden. Die Einbeziehung von ILUC ist notwendig, um die Auswirkungen von Biokraftstoffen und anderen Bioenergieträgern auf den globalen ⁠Kohlenstoffkreislauf⁠ realistisch einzuschätzen. Nach heutigen Erkenntnissen können Beiträge der Bioenergie zur Treibhausgas-Emissionsminderung vielfach signifikant niedriger sein als ursprünglich angenommen und in bestimmten Fällen können die Emissionen sogar die des substituierten fossilen Äquivalents überschreiten. Diese Erkenntnisse dürfen nicht ignoriert oder gar negiert werden, sondern weisen dringenden politischen Handlungsbedarf aus.

Nachhaltigkeitszertifizierung für stoffliche Biomassenutzung

Für biotische Rohstoffe, die stofflich genutzt werden sollen, liegt eine derartige Regelung/ Nachhaltigkeitszertifizierung weder bei uns in Deutschland noch auf europäischer Ebene vor.  Allerdings fördert das ⁠BMELV⁠ die „Initiative Nachhaltige Rohstoffbereitstellung für die stoffliche Nutzung“ (INRO), welche von einem externen Politikberatungsbüro koordiniert wird. Mit INRO sollen keine neuen Systeme entwickelt, sondern bestehende beziehungsweise in Aufbau befindliche für den stofflichen Bereich anwendbar gemacht werden. Ziel ist es, eine freiwillige Vereinbarung zu erreichen. Ob dies ausreicht, ist aus Sicht des UBA fragwürdig.

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