Der Flächenverbrauch für Siedlung und Verkehr soll bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag reduziert werden. Um dies zu erreichen, soll die Innenentwicklung in städtischen Bereichen verstärkt und attraktiv gestaltet werden. Die Revitalisierung und Nutzung von Brachflächen (Flächenrecycling) ist dabei ein wesentliches Handlungsfeld.
Wenn Städte und Ortschaften wachsen, werden immer wieder neue Flächen beansprucht: Zum Beispiel, wenn der Außenbereich von Ortschaften in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt wird. Die Ansiedlung von Einkaufszentren, Gewerbegebieten oder Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese ist in den vergangenen 30 Jahren beachtlich gestiegen. Hierzu hat auch die zunehmende Motorisierung und Mobilität der Bevölkerung beigetragen. Gleichzeitig hat aber im Zuge des Strukturwandels auch der Bestand an Brachflächen im Innenbereich der Ortschaften zugenommen. Diese Brachflächen stellen ein Flächenpotenzial dar, das für neue Nutzungen hergerichtet werden könnte. Denn sie sind aufgrund ihrer früheren Nutzung in der Regel infrastrukturell gut erschlossen.
Mit dem Begriff „Brachfläche“ werden Grundstücke bezeichnet, die entweder gar nicht oder nicht entsprechend ihrer städtebaulichen Potenziale genutzt werden. Das heißt, dass die Flächen ungenutzt oder untergenutzt sind („Rumpelflächen“). Eine offizielle Brachflächendefinition gibt es nicht. Es handelt sich bei Brachflächen meist um aufgegebene Betriebsgrundstücke oder Betriebsflächen, die von den Unternehmen nicht mehr benötigt werden. Wirtschaftlicher Strukturwandel und Betriebsschließungen sind meist die Ursache für das Entstehen von Brachflächen. Um Brachflächen zu nutzen, muss vorher ein Flächenrecycling durchgeführt werden. Bestehende Bebauung, alte Versorgungsleitungen, alte Fundamente und vornutzungsbedingte Umweltschäden (Altlasten), bremsen allerdings die Bereitschaft zum Flächenrecycling. Abriss- und Rückbauerfordernisse sowie eventuelle Sanierungsverpflichtungen hemmen das Flächenrecycling ebenso wie Rechts- und Planungsunsicherheiten. Das macht es oft attraktiver, neue Flächen ohne „Vornutzungsmakel“ auf der „Grünen Wiese“ in Anspruch zu nehmen.
Brachflächenbestand
Zuverlässige und aktuelle bundesweite Daten zum innerörtlichen Brachflächenbestand liegen nicht vor. Aus früheren Erhebungen ist bekannt, dass die untergenutzten und brachliegenden Flächen im Siedlungsbestand seit 1993 deutlich zunahmen. Bestandsaufnahmen aus der ersten Hälfte der 2010er-Jahre schätzten den gesamten Bestand an bundesweit ungenutzten Flächen auf circa 150.000 bis 176.000 Hektar. Nach Angaben von über 600 Gemeinden in der Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR)-Baulandumfrage 2006 liegt das städtebaulich relevante und ohne aufwändige Aufbereitung verfügbare Wiedernutzungspotenzial der Brachflächen in Deutschland hochgerechnet bei mehr als 63.000 Hektar. Diese Zahlen machen die Bedeutung des Flächenrecyclings für die Innenentwicklung deutlich.
Innenentwicklung und Flächenrecycling
Was bedeutet Innenentwicklung?
Die städtebauliche Strategie der Innenentwicklung hat das Ziel, den zukünftigen Flächenbedarf möglichst weitgehend durch die Nutzung von innerörtlichen, bereits erschlossenen Flächen zu decken. Neue Flächen im Außenbereich sollen geschont werden. Flächenrecycling und verstärkte Innenentwicklung sind in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie als Kernelemente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme ausgewiesen. Die Stärkung der Innenentwicklung hat mit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) 2013 (Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts) mittlerweile auch Eingang in das Bau- und Planungsrecht gefunden. Dort wird nun explizit geregelt, dass die städtebauliche Entwicklung vorrangig als Innenentwicklung erfolgen soll. Weiter werden die Planungsträger im BauGB verpflichtet, die Möglichkeiten zur Innenentwicklung (Innenentwicklungspotenziale) zu ermitteln bevor landwirtschaftliche oder als Wald genutzte Flächen umgewandelt werden.
Was bedeutet Flächenrecycling?
Flächenrecycling bezeichnet den Prozess der Wiederherrichtung einer Fläche für eine neue Nutzung nach Beendigung der alten Nutzung. Es umfasst nach einer Definition des Ingenieurtechnischer Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e.V. (ITVA) „die nutzungsbezogene Wiedereingliederung solcher Grundstücke in den Wirtschafts- und Naturkreislauf, die ihre bisherige Funktion und Nutzung verloren haben – wie stillgelegte Industrie- oder Gewerbebetriebe, Militärliegenschaften, Verkehrsflächen und Ähnliches – mittels planerischer, umwelttechnischer und wirtschaftspolitischer Maßnahmen“.
Das Flächenrecycling ist ein komplexer Prozess mit vielen Akteuren. Flächeneigentümer, Anwohner, Investoren, Stadt- und Raumplaner sowie Politiker sind beteiligt und haben sehr unterschiedliche Interessen. Zudem sind oft mehrere Ämter zuständig, da verschiedene Rechtsbereiche (Umweltrecht, Bauplanungs- und Raumplanungsrecht) zusammenwirken.
Lohnt sich das Flächenrecycling für alle Brachflächen?
Die Rentabilität von Flächenentwicklungen wird grundsätzlich vom örtlichen Immobilienmarkt und den aufgrund der Bodenpreise erzielbaren Erlösen bestimmt. Es kann helfen, die Brachen nach einer Kosten-/Erlösrelation in „Selbstläufer“, „Entwicklungsflächen“ und „Reserveflächen“ aufzuteilen:
Typ A „Selbstläufer“: Standorte, bei denen der zu erwartende Ertrag des Flächenrecyclings deutlich über den erwarteten Kosten der Baureifmachung liegt (z. B. Objekte in guter Lage in prosperierenden Regionen). Diese Flächen sind auch ohne zusätzliche Hilfe (z. B. Fördermittel) attraktiv für private Investitionen und liegen daher nicht längere Zeit brach.
Typ B „Flächen mit Entwicklungspotenzial“: Standorte, bei denen die Rentabilität aufgrund von Risiken nicht sicher ist. Um Risiken zu mindern, Kosten zu verteilen und den Prozess zu beschleunigen, sind in der Regel bestimmte Maßnahmen nötig, wie zum Beispiel fehlende Erschließung nachzureichen oder ungeeigneten Parzellenzuschnitt zu korrigieren.
Typ C „Reserveflächen“: Standorte, bei denen der zu erwartende Ertrag des Flächenrecyclings deutlich unter den erwarteten Kosten der Baureifmachung liegt (zum Beispiel bei einem großen Immobilien-Überangebot). Diese Flächen können nur mit Hilfe erheblicher öffentlicher Subventionen entwickelt werden.
Aktivierungs- und Managementstrategien für Brachflächen orientieren entsprechend ihrer Region an dieser Klassifizierung. Dabei sind planerische, ökonomisch/fiskalische und rechtliche Maßnahmen mit Relevanz für das Flächensparen insbesondere auf die Kategorie der B-Flächen ausgerichtet. Durch gezielte öffentliche/private Kooperationen (PPP = Public Private Partnership) lassen sich beispielsweise rechtliche und finanzielle Risiken mindern und dadurch Flächen für das Flächenrecycling mobilisieren.
Maßnahmen und Instrumente zur Förderung der Innenentwicklung und des Flächenrecycling
Innenentwicklung und Bestandserneuerung (und damit auch das Flächenrecycling) wurden in den vergangenen Jahren durch mehrere Novellierungen des Baugesetzbuches geschärft. Dennoch gibt es eine Fülle weiterer Ansätze beispielsweise in der Regionalplanung, im Steuerrecht oder im Subventionsrecht, um auf eine Reduzierung des Flächenverbrauchs hinzuwirken. Das Umweltbundesamt setzt sich seit langem für deren zielgerichtete Umsetzung ein und unterbreitet entsprechende Vorschläge. Bereits im Jahr 2003 hat das UBA ein Strategiepapier mit zahlreichen Vorschlägen, wie eine Trendwende bei der Flächeninanspruchnahme erreicht werden könnte, als Materialienband veröffentlicht.
Die wichtigsten Maßnahmen und Instrumente, die das UBA derzeit als flächensparend einstuft und vorschlägt sind:
Erleichterung der Rücknahme von Baurechten (auch in Verbindung mit Flächenzertifikaten),
Stärkung der Landes- und Regionalplanung. Grundsätzlich könnte die Landes- und Regionalplanung verbindliche Obergrenzen für die Flächeninanspruchnahme als raumplanerische Ziele festlegen. Dadurch ließe sich vom Grundsatz her die Einhaltung des 30-Hektar-Ziels für das Jahr 2020 erreichen. Die rechtliche Machbarkeit wurde in mehreren Gutachten im Auftrag des UBA mit positivem Ergebnis geprüft. Der Bund kann sich bei der Festlegung der Länder-Obergrenzen als Bundesgesetz (beispielsweise im Raumordnungsgesetz (ROG)) auf die konkurrierende Kompetenz zur Raumordnung berufen. Alternativ könnte der Bund sich auch auf seine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz „Kraft der Natur der Sache“ für die länderübergreifende Raumordnung berufen. Wenn aus politischen Gründen keine Vorgaben zu länderbezogenen Flächensparzielen gemacht werden sollen, kann der Bund es den Trägern der Raumordnung und Landesplanung zur Vorgabe machen, eigene Flächensparziele obligatorisch festzulegen. Das heißt, dass die Träger der Regionalplanung verpflichtet werden, eigene Reduktionsziele festzusetzen.
Auf das Flächensparen hin ausgerichtete Anwendung der Strategischen Umweltprüfung. Einige Bundesländer haben bereits quantitative Flächenziele festgelegt. Die Regierungsparteien in Nordrhein Westfalen haben sich auf 5 Hektar pro Tag und Niedersachsen auf 3 ha pro Tag festgelegt und haben dies in ihren Koalitionsverträgen vereinbart. In Sachsen wurde ein Flächensparziel von zwei Hektar in einem gemeinsamen Handlungsprogramm des Umwelt- und Innenministeriums festlegt. Gemäß Paragraph14g Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeit (UVPG) muss der hierin vorgeschriebene unter anderem die für den Plan geltenden Ziele des Umweltschutzes und deren Art der Berücksichtigung darstellen. Das heißt, quantifizierte Flächenziele können so beispielsweise in Bundesverkehrswegeplanung, Landesverkehrswegepläne, Nahverkehrspläne, kommunale Verkehrsentwicklungspläne, Landesentwicklungspläne, Regionalpläne, Flächennutzungspläne und sonstige, die Flächennutzung befördernde Fachplanungen, wirken.
Abbau von Hemmnissen für das Flächenrecycling.
Verstärkte Förderung von Brachflächenrevitalisierungsmaßnahmen,
Direkte Förderung von Sanierungs- und Abbruchmaßnahmen,
Indirekte Förderung durch beispielsweise Investitionszusatzförderung auf Brachflächen oder besondere Wohnungsbauförderung auf Brachflächen,
Bündelung der Verwaltungszuständigkeiten zur besseren Koordination von Planung, Bodenschutz und Wirtschaftsförderung,
Institutionalisieren von Schnittstellen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren am Grundstücksmarkt.
Verbindliche Kosten-Nutzen-Analysen oder Bevölkerungsprognosen im Rahmen der Baulandausweisung. Gemeinden dürfen neue Baugebiete ausweisen, sobald und soweit sie für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sind (Paragraph 1 Absatz 3 Baugesetzbuch, sogenannte Planrechtfertigung). Die „Erforderlichkeit“ könnte an Kosten-Nutzen-Analysen oder Bevölkerungsprognosen geknüpft werden.
Zoniertes kommunales Satzungsrecht für die Grundsteuer. Eigentümer, die baureife Grundstücke nicht nutzen, sollen mehr Steuern zahlen. Dies soll sie dazu motivieren, ihre Grundstücke entweder selbst baulich zu nutzen oder an andere Bauwillige zu verkaufen.
Förderung nur, wenn abgestimmte regionale Entwicklungspläne und Mindestanforderungen bezüglich Wirtschaftlichkeitsrechnung vorgelegt werden. Einbezogen werden alle langfristigen Kosten einschließlich der Umweltkosten),
schrittweise Reduktion der Förderung von Neuerschließung auf der „Grünen Wiese“,
Streichung der Subventionen für den land- und forstwirtschaftlichen Wegebau in der Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes".
Reform der Grunderwerbsteuer. Die Grunderwerbsteuer sollte so reformiert werden, dass der Handel mit bereits bebauten und genutzten Grundstücken entlastet und der Handel mit unbebauten beziehungsweise neu erschlossenen Grundstücken stärker belastet wird. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Grunderwerbsteuer bei ihrer Bemessung nur noch den Wert des Grundstücks (mit entsprechend höheren Hebesätzen), aber nicht den Wert des Gebäudes einbezieht.
Reform der Grundsteuer. Die Grundsteuer sollte in eine Flächennutzungssteuer überführt werden, die die Umweltwirkungen der Flächennutzung berücksichtigt (zum Beispiel Bodenversiegelung).
Änderung der Einkommensteuer. Die Zuweisungen der Anteile an der Einkommensteuer an die Gemeinden erfolgen nach der Einkommensteuerleistung ihrer Einwohner (vgl. Artikel 106 Absatz 5 Grundgesetz (GG)). Dies steigert die Konkurrenz zwischen den Gemeinden um Einwohner.
Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs. Der kommunale Finanzausgleich sollte mit der Zielsetzung weiterentwickelt werden, ökologische Leistungen der Kommunen etwa durch Freihaltung und ökologische Entwicklung der Freiflächen zu honorieren.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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