Kommunale Verkehrsplanung

Fußgängerzone mit Radspur, Tischen vor Cafés, Geschäften und Bäumen in Kübeln mit Sitzgelegenheitenzum Vergrößern anklicken
Zur Flaniermeile umgestaltete Friedrichstraße in Berlin-Mitte im August 2020
Quelle: Stefan Lehmkühler / changing-cities.org

Die kommunale Verkehrsplanung hat die Aufgabe, Gebiete verkehrlich zu erschließen, Verkehrswege zu erneuern und umzugestalten, die Verkehrssicherheit zu steigern und den öffentlichen Personennahverkehr zu planen. Sofern sie einem nachhaltigen Mobilitätskonzept folgt, trägt die Verkehrsplanung zu einer attraktiven Stadt und Region der kurzen Wege bei und mindert Lärm, Luftschadstoffe und Klimagase.

Inhaltsverzeichnis

 

Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung – Kommunen stellen Weichen

Alle sind auf gute Erreichbarkeiten und eine sichere Mobilität angewiesen. Gleichzeitig dürfen Städte und Gemeinden nicht im Kraftfahrzeugverkehr ersticken, sondern sollen gesunde, sichere und attraktive Orte zum Leben sein.

Die kommunale Verkehrsentwicklungsplanung beeinflusst das Verkehrsgeschehen und die Lebensqualität einer Kommune maßgeblich. Sie bestimmt, wie viel Fläche für den Pkw-, Lkw- und Bus-Verkehr, für Straßenbahnen, für den Fuß- und Radverkehr sowie für Parkplätze zur Verfügung steht. Eine integrierte Verkehrsentwicklungsplanung blickt dabei auf alle Mobilitätsformen. Sie ist in ein Stadtentwicklungskonzept eingebettet und eng verknüpft mit der Luftreinhalte- und Lärmaktionsplanung. Ausgangspunkt sind Prognosen oder Szenarien der Bevölkerungs- und Mobilitätsentwicklung. Unter Beteiligung von Interessensgruppen (Stakeholdern) und interessierter Bürgerinnen und Bürger werden dann Ziele für die künftige Verkehrsentwicklung definiert, die die ⁠Raumordnung⁠, die Stadtentwicklung sowie die Luftreinhaltung und Lärmaktionsplanung einbeziehen.

Eine Rechtspflicht, einen kommunalen Verkehrsentwicklungsplan aufzustellen, besteht bisher nicht. Viele Förderprogramme setzen aber voraus, dass ein Verkehrsentwicklungsplan vorliegt und ein Großteil der Kommunen stellt auch solche Pläne auf. Unterstützung bei der Erstellung und Fortschreibung erfahren sie durch die Leitlinien für eine nachhaltige urbane Mobilitätsplanung der Europäischen Kommission – siehe SUMP-Central Competence Center (in Deutsch und Englisch).

 

Nachhaltige Siedlungsstrukturen – kurze Wege

Bei der Entwicklung der Quartiere entsteht weniger Verkehr, wenn auf eine vielfältige Nutzungsmischung sowie auf kompakte fuß- und radverkehrsfreundliche Strukturen mit einer ausreichenden Bevölkerungsdichte und auf eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel geachtet wird.

Die Charta von Athen – entwickelt 1943 von dem Architekten und Stadtplaner Le Corbusier als Ergebnis eines Kongresses von 1933 in Athen – steht für die Trennung städtischer Funktionen: Wohnen, Arbeiten und Erholung sollten entflochten, gegliedert und durch Verkehrsachsen miteinander verbunden werden. Mit dem Ziel, die damaligen Lebensumstände der Stadtbevölkerung zu verbessern, orientierte sich der Städtebau über mehrere Dekaden hinweg an der Charta von Athen mit ihrem Konzept der „funktionellen Stadt“.

Dies führte dazu, dass die Orte, an denen die Menschen wohnen, arbeiten und sich versorgen immer weiter auseinanderdrifteten, die Wege immer länger wurden und die Landschaft zunehmend zersiedelt wurde. Das daraus in den 1960er Jahren entwickelte Leitbild der "autogerechten Stadt" führt bis heute zu wachsenden Verkehrsmengen. Dies geht mit hohen Luftschadstoff- und Lärmbelastungen sowie einer übermäßigen Flächenbeanspruchung durch Autos in den Städten einher. Das innerstädtische Wohnumfeld leidet unter dem Autoverkehr und wird unattraktiv. Deshalb ziehen die Menschen zum Wohnen an die Stadtränder und ins Umland. Dadurch steigt der ⁠Verkehrsaufwand⁠ weiter.

Nach Abkehr von der Charta von Athen und der „autogerechten Stadt“ ab den 1970er Jahren wurden Leitbilder für eine nachhaltige Stadtentwicklung formuliert, wie 1994 mit der „Charta von Aalborg“, 2007 mit der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ und 2020 die „Neue Leipzig-Charta – Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl". Sie zielen darauf ab, die Vorzüge der kompakten europäischen Stadt zu stärken und damit die Flächenversiegelung und die Zersiedlung zu verringern. Die Qualität des öffentlichen Raumes soll gesteigert werden. Weniger Autoverkehr, stattdessen mehr Fuß- und Radverkehr sowie ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr sollen zum ⁠Klimaschutz⁠ beitragen. Diese Leitbilder prägen heute zunehmend moderne Stadtentwicklungskonzepte.

Auf ihrem Weg zur ⁠Nachhaltigkeit⁠ benötigen Städte und Gemeinden die Unterstützung von Bund und Ländern. Dazu gehören auch mehr Entscheidungskompetenzen über die Anordnungen an Innerortsstraßen und größere rechtliche Spielräume, um den öffentlichen Straßenraum umzuverteilen. Die ⁠UBA⁠-Studien "Leitkonzept Stadt und Region der kurzen Wege", "Lärm und Klimaschutz durch Tempo 30: Stärkung der Entscheidungskompetenzen der Kommunen" und "Geht doch! Grundzüge einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie" zeigen, wie der Bund die Kommunen beim Erreichen einer nachhaltigen Mobilität unterstützen kann. Eine Vision für die nachhaltige Stadtmobilität in der Zukunft hat das UBA mit der „Stadt für Morgen“ entworfen.

Das Leitbild "Stadt und Region der kurzen Wege" zielt auf eine Siedlungsentwicklung, die Verkehr vermeidet und sparsam mit Flächen umgeht. Je besser ein Quartier oder eine Ortschaft mit Versorgungs-, Bildungs-, Kultur- und Erholungsangeboten ausgestattet ist, desto geringer sind die Distanzen. Diese sind dann auch leichter zu Fuß oder mit dem Rad zu bewältigen. Städte und Gemeinden können planerische, ordnungsrechtliche und ökonomische Instrumente nutzen, um zu kurzen Wegen beizutragen.

Behörden und Betriebe unterstützen die kommunalen Bemühungen, indem sie ein betriebliches Mobilitätsmanagement einführen. Auch Schulen können entscheidend zur nachhaltigen Mobilität in ihrem Quartier beitragen: Elternhaltestellen, die Aktion „Zu Fuß zur Schule“ und die „Kindermeilenkampagne“ sind günstige Maßnahmen mit Spaßfaktor, von denen Kinder, Eltern und Umwelt gleichermaßen profitieren.

 

Verkehrsberuhigung und nachhaltige Quartiersmobilität

Die Verkehrswende erfordert Veränderungen an innerörtlichen Straßen und Plätzen. Es gilt, Verkehrsbelastungen und die Übernutzung der öffentlichen Straßenräume durch Kraftfahrzeuge deutlich zu reduzieren. In Quartieren können durch Mobilitätskonzepte Flächen für die aktive Mobilität, den Aufenthalt, für Spiel und Stadtgrün zurückgewonnen werden. Im Idealfall werden diese von der Verwaltung und der Quartiersbevölkerung gemeinsam entwickelt.

Verkehrsberuhigung, Parkraummanagement und die Definition von Nutzungsrechten tragen wesentlich dazu bei, dass die Menschen wieder mehr zu Fuß gehen und mit dem Rad fahren. Wird Mobilität innerhalb der Quartiere nachhaltig organisiert, stärkt dies den ⁠Umweltverbund⁠ im Nahverkehr auch stadtweit. Dazu gehören neben dem Fuß- und Radverkehr, auch der ÖPNV und das Carsharing. Eine nachhaltige Quartiersmobilität verringert die Lärm- und Schadstoffbelastungen und verbessert die Verkehrssicherheit und die Aufenthaltsqualität im Straßenraum. Wie Verkehrsbelastungen im Quartier reduziert und Flächen zurückgewonnen werden können, stellt der ⁠UBA⁠-Leitfaden "Quartiersmobilität gestalten" anschaulich dar.  

Während die Motorisierung weiter zunimmt, wird der Wunsch nach Lärmschutz und der Rückgewinnung von Straßenraum bei vielen Menschen größer. Die Verkehrsberuhigung sollte deshalb auch auf Hauptverkehrsstraßen ausgedehnt werden. Dies würde einen wichtigen Beitrag zu einer umwelt- und klimaschutzorientierten Verkehrswende leisten. Den Menschen sind vor allem komfortable Gehwege, sichere Querungsmöglichkeiten, attraktive Routen für den Radverkehr und ein leichter Zugang zu den Haltepunkten des öffentlichen Verkehrs wichtig. Auch das Teilen der Autonutzung und weitere Teilhabemöglichkeiten im Quartier gewinnen an Aufmerksamkeit.

Vorbildliche Beispiele für attraktive Straßenraumumgestaltungen in deutschen Städten und Gemeinden zeigt die UBA-Broschüre "Straßen und Plätze neu denken" auf.

 

Kleine Kreisverkehre

Kreisverkehre führen zur Verringerung der gefahrenen Geschwindigkeit und zu einem gleichmäßigeren Verkehrsfluss im Stadtverkehr. Dies trägt zur Minderung des Lärms und des Energieverbrauches bei.

Bei innerörtlichen Kreisverkehren kommt es aber darauf an, dass dem Fußverkehr durch einen Kreisverkehr nicht zu lange Wege zugemutet werden, denn zu Fuß Gehende nehmen ungern Umwege in Kauf. Deshalb kommen innerorts aus Umweltsicht bevorzugt kleine Kreisverkehre in Betracht. Sie sollten nur dort angelegt werden, wo zu Fuß Gehende nicht vorrangig queren sollen und der Kreisverkehr städtebaulich eingepasst werden kann.

Kleine Kreisverkehre versiegeln weniger Fläche als eine entsprechende Kreuzung, sofern die Kreisinsel bepflanzt wird. Sie sind durch die geringeren Fahrgeschwindigkeiten eine sehr sichere Knotenpunktform. Zur Absicherung von zu Fuß Gehenden und Radfahrenden in den Zu- und Ausfahrten sollten aber Verkehrsinseln und Zebrastreifen angelegt werden. Bei einspurigen Kreisverkehren ist die Verkehrsführung entsprechend der Straßenverkehrsordnung leicht begreifbar.

Auf eine tangentiale Anbindung der Knotenpunktarme (Bypässe) sollte verzichtet werden, weil sie hohe Gefahren für den Fuß- und Radverkehr birgt. Der Radverkehr kann entweder separat parallel zum Fußverkehr um den Kreisverkehr geführt werden oder er benutzt die Kreisfahrbahn mit. Bei Führung auf der Fahrbahn ist darauf zu achten, dass keine Überholungen durch Kraftfahrzeuge in der Kreisfahrbahn stattfinden können. Aus diesem Grund dürfen nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) keine Radfahrstreifen und Schutzstreifen in der Kreisfahrbahn angelegt werden.