Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB)
Bauprodukte können über ihre Emissionen wesentlich zur Belastung der Innenraumluft durch flüchtige organische Verbindungen (VOC) beitragen. Um die Grundlage für eine einheitliche und nachvollziehbare gesundheitliche Bewertung von Bauproduktemissionen in Deutschland bereitzustellen, hat der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) Prüfkriterien und Bewertungsmaßstäbe erarbeitet und daraus ein Bewertungsschema für VOC-Emissionen aus innenraumrelevanten Bauprodukten entwickelt und veröffentlicht. Das Bewertungsschema setzt gesundheitsbezogene Qualitätsmaßstäbe für die Herstellung und für die Verwendung von Bauprodukten für den Innenraum. Auch soll es die Entwicklung besonders emissionsarmer Produkte unterstützen.
Verschiedene Bauproduktgruppen emittieren unterschiedliche VOC. Es ist wichtig, dass alle Bauprodukte quellenunabhängig nach denselben gesundheitlichen Kriterien beurteilt werden. Dies sorgt für Gleichbehandlung, Rechtssicherheit und Transparenz sowohl für die Hersteller als auch für die Anwender.
Zusätzlich zu Bauproduktemissionen können weitere Quellen durch ihre Schadstoffemissionen die Qualität der Innenraumluft nachteilig beeinflussen. Zu ihnen gehören Einrichtungsgegenstände, Lebensgewohnheiten (z.B. Tabakrauchen, das Abbrennen von Kerzen, beim Kochen vor allem mit Gasflammen, Reinigungsmaßnahmen) und auch der Mensch selbst, indem er Kohlendioxid und Feuchtigkeit ausatmet. Zur gesundheitlichen Bewertung der Luftqualität in einem Innenraum erarbeitet der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR) Bewertungsmaßstäbe für verschiedene Schadstoffe in Form von Richtwerten oder Leitwerten für die Innenraumluft.
Der AgBB wurde im Jahr 1997 durch die Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz und der Bauministerkonferenz von der Länderarbeitsgruppe "Umweltbezogener Gesundheitsschutz" (LAUG) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) eingesetzt. Vertreten sind im AgBB neben den Ländergesundheitsbehörden auch das Umweltbundesamt, das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), die Bauministerkonferenz – die Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU), die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Die Geschäftsstelle des AgBB führt das Umweltbundesamt und ist dort im Fachgebiet II 1.3 „Innenraumhygiene, gesundheitsbezogene Umweltbelastungen“ angesiedelt.
Gesundheitliche Bewertung der Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen aus Bauprodukten
Die Kriterien des AgBB-Bewertungsschemas sind so gewählt, dass mit ihnen Gesundheitsgefahren durch Bauproduktemissionen für die Allgemeinbevölkerung in Aufenthaltsräumen abgewehrt werden. Es wird dabei auf die Exposition über die gesamte Lebenszeit abgestellt. Ziel ist es, die gesamte VOC-Emission und alle emittierten VOC-Stoffe aus Bauprodukten zu beurteilen.
Der Grundsatz zur Bewertung von stofflichen Ausgasungen (Emissionen) aus Bauprodukten im AgBB-Schema ist die Berücksichtigung der toxikologischen Bedeutung der Einzelstoffe. Diese werden identifiziert und je nach gesundheitlicher Relevanz gewichtet. Zur toxikologischen Bewertung von Stoffemissionen aus Bauprodukten zieht der AgBB bereits verfügbare wissenschaftlich anerkannte Informationen aus der Fachliteratur heran, die Kenntnisse über Dosis-Wirkungs-Beziehungen enthalten. Bewertungskriterium für den VOC-Einzelstoff ist die niedrigste interessierende Konzentration (NIK). Die NIK-Werte definieren das Konzentrationsniveau, oberhalb dessen nachteilige Wirkungen auf die Gesundheit zu befürchten sind.
Das Konzept des AgBB berücksichtigt zudem die folgenden Kriterien
- R-Wert (Gefahren- oder Risikoindex),
- TVOC (Summe der Konzentrationen der flüchtigen organischen Verbindungen),
- TSVOC (Summe der Konzentrationen der schwerflüchtigen organischen Verbindungen) und - Summe der nicht identifizierten und nicht bewerteten Stoffe (VOC ohne NIK-Wert).
Die Vorgehensweise bei der Produktprüfung, ihre Hintergründe und Bewertung mit 185 NIK-Werten finden Sie ausführlich erläutert im AgBB-Bewertungsschema von 2024*.
Das AgBB-Bewertungsschema wird laufend auf Grundlage neuer Erkenntnisse aus Forschung und Wissenschaft und im fachlichen Austausch mit allen Beteiligten weiterentwickelt.
In den Anhängen finden sich sowohl die aktuelle Version des AgBB-Bewertungsschemas mit ergänzenden Informationen, die früheren Versionen des Bewertungsschemas, die Ergebnisse der durchgeführten Fachgespräche sowie aktuelle Publikationen.
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*Der AgBB beschloss in seiner Sitzung am 20.2.2008, dass bei Veröffentlichungen von überarbeiteten Neufassungen des AgBB-Schemas sowie auch der aktualisierten NIK-Werte-Listen die jeweils alten Fassungen noch ein Jahr weiter gelten sollen. Dies wurde beschlossen, um den betroffenen Herstellern von Bauprodukten ausreichend Zeit zur Anpassung ihrer Produkte an die neuen Anforderungen zu geben.
NIK-Werte
Die Hilfsgrößen der gesundheitsbezogenen Einzelstoffbewertung bei der Produktemissionsprüfung, die sog. NIK-Werte, werden ausschließlich durch die NIK-Arbeitsgruppe des AgBB festgelegt und in einem ca. zweijährlichem Turnus aktualisiert. Um Missinterpretationen vorzubeugen, werden sie nur innerhalb des kompletten Textes des AgBB-Bewertungsschemas veröffentlicht. Die Aktualität ist an der Jahreszahl sichtbar. In der Bearbeitungsliste (wird demnächst aktualisiert) finden Sie die zurzeit diskutierten oder bereits beschlossenen Änderungen zu Ihrer Information vor der nächsten Aktualisierung. Für noch nicht gelistete Stoffe besteht die Möglichkeit, die Ableitung eines NIK-Wertes beim AgBB unter Vorlage vorhandener Daten zu beantragen (NIK-Antrag). Das Gleiche gilt für begründete Anträge auf Änderung eines bestehenden NIK-Wertes.
Sensorische Prüfung (Geruchsprüfung) von Bauprodukten
Seit Einführung des Bewertungsschemas für VOC-Emissionen aus Bauprodukten war es dem AgBB wichtig, auch die von Bauprodukten ausgehenden geruchlich wahrzunehmenden Stoffe im Beurteilungsverfahren zu berücksichtigen. In den vergangenen Jahren wurde die Methodik für die Messung von Geruchstoffemissionen erarbeitet, weiterentwickelt und in der ISO 16000-28 standardisiert. Am 5. Dezember 2011 wurde in einem 1. Fachgespräch zur Geruchsprüfung bei Bauprodukten im DIBt mit den Verbänden, Hersteller, Messinstitutionen, Behörden und Wissenschaftlern über die vorhandenen Erfahrungen bei der Erfassung und Bewertung von Gerüchen aus Bauproduktemissionen erörtert. Der Verlauf dieses Fachgesprächs und die Beiträge können hier heruntergeladen werden.
Als Ergebnis dieses Fachgesprächs wurde entschieden, zusammen mit den Herstellern eine Pilotphase zu starten. Während der Pilotphase soll im Verbund mit den Herstellern erprobt werden, inwieweit mit diesem Know-how eine objektive Geruchsbewertung von Bauprodukten vorgenommen werden kann. Zwei Ringversuche mit verschiedenen Prüfinstituten wurden im Auftrag des Umweltbundesamts durchgeführt. Die Pilotphase für die Einführung der Geruchsprüfung bei Bauprodukten endete im Sommer 2015. Die Ergebnisse wurden in einer Fachkonferenz am 01.-02.10.2015 im Umweltbundesamt in Dessau präsentiert und erörtert. In der Gesamtschau der vorliegenden Erkenntnisse hat der AgBB die sensorische Prüfung (Geruchsprüfung) von Bauproduktemissionen als neues Kriterium erstmals in der Version des AgBB-Bewertungsschemas 2018 eingeführt. Allerdings ist bislang die Anwendung des Kriteriums ‚sensorische Prüfung‘ nicht verbindlich, sondern stellt ein freiwillig einzusetzendes Instrument dar.
Fachgespräche und Konferenzen
Das AgBB Bewertungsschema wurde in Fachgesprächen mit den betroffenen Kreisen vorgestellt und diskutiert. Im Mai 2001 fand ein 1. Fachgespräch zur Einführung in die Emissionsmessung von Bauprodukten statt. Zum Austausch der Erfahrungen, die in der Einführungsphase des AgBB-Bewertungsschemas in 2002 bis 2004 gewonnen wurden, erfolgte am 25. November 2004 ein 2. Fachgespräch im Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt). An diesem Austausch nahmen 70 Vertreterinnen und Vertretern aus Industrie, Hersteller- und Verbraucherverbänden, Messinstituten, Behörden und Ministerien teil.
Im Juni 2007 fand im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine zweitägige internationale Konferenz zu "Construction Products and Indoor Air Quality" in Berlin statt. Über 100 Teilnehmer aus 16 Ländern haben die bisherigen Erfahrungen mit der Verbesserung der Innenraumluftqualität, verschiedenen emissionsbezogenen Gütekennzeichnungen und Strategien zur Produktoptimierungen diskutiert und den Bedarf einer europäischen Harmonisierung im Bereich Bauproduktemissionen betont. Das Umweltbundesamt hat die positive Resonanz während sowie nach der Konferenz aufgegriffen und hierauf eine europäisch ausgerichtete Harmonisierungsinitiative für Bewertungsverfahren von Bauproduktemissionen gestartet.