Nebel: Flächenmanagement zur weiträumigen Gewässeraufwertung
Langfristiges Flächenmanagement und Bodenneuordnung ermöglichten weiträumige Renaturierungen an der mecklenburgischen Nebel. In den Niederungsbereichen waren dazu Baumaßnahmen nötig, da nicht genügend Gewässerdynamik für eine selbständige Entwicklung vorhanden ist. Durch die Renaturierungen konnten Ökosystemleistungen wie etwa Kohlenstoffspeicherung oder Kühlung der Landschaft gesteigert werden.
Film: Flächenmanagement und Gewässeraufwertung an der Nebel
Quelle: Umweltbundesamt
Flächenmanagement und Gewässeraufwertung an der Nebel
Die Nebel – Fluss mit geringer Eigendynamik in Niederungsbereichen
Land- und Gewässernutzungen haben über die Jahrhunderte an der Nebel zu vielfältigen Veränderungen geführt. Hydromorphologisch bedeutsame Beeinträchtigungen sind vor allem Mühlenstaue, Wehre, die Anlage des Güstrow-Bützow-Kanals als Wasserstraße sowie der Gewässerausbau zur Vorflutoptimierung (Begradigungen und Vertiefungen für Nutzungen hydraulisch optimierter Profile).
Bereits Anfang der 1990er Jahre wurden Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Situation eingeleitet. Diese sind besonders seit Inkrafttreten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 auch in der Umsetzung systematisch angegangen worden. Zentraler Ausgangspunkt waren Gewässerentwicklungspläne für die beiden Flussabschnitte der Nebel ober- und unterhalb des Krakower Sees.
In den träge fließenden Niederungsbereichen der Nebel ist eine Renaturierung alleine durch Initiierung eigendynamischer Entwicklung kaum möglich. Daher waren hier in der Regel auch wasserbauliche Eingriffe bis hin zu Neutrassierungen notwendig, um die Gewässerstrukturen zu verbessern.
Von 1994 bis 2018 wurden mehr als 7 Mio. Euro Fördermittel von EU, Bund und Land für die Maßnahmenplanung und -umsetzung an der Nebel eingesetzt. Träger der Maßnahmen war das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mittleres Mecklenburg (StALU-MM).
Fischaufstiegsanlage an der Nebel bei Lüssow
Zur Wiederherstellung der Durchwanderbarkeit der Nebel bei Lüssow wurde das alte Streichwehr im Zeitraum von 2014 bis 2015 zurückgebaut und durch eine Fischaufstiegsanlage in naturnaher Bauweise ersetzt. Der 130 m lange Beckenpass überbrückt eine Höhendifferenz von ca. 2,5 m bei einem Längsgefälle von 2 %. Er ist durch einen treppenartigen Aufbau im Wechsel von 29 aufgelösten Querriegeln und daran anschließenden Beckenstrukturen gekennzeichnet. Eine Straßenbrücke musste neu errichtet werden.
Durch die neue Fischaufstiegsanlage Lüssow konnte der Unterlauf der Nebel wieder für Fische durchgängig gestaltet und das Ökosystem Nebel – Krakower See, einschließlich der potenziellen Laichgebiete des naturnahen Mittellaufs, wieder an Warnow und Ostsee angebunden werden.
Laufgestaltung und Strukturverbesserung an der Alten Nebel
Die Alte Nebel zwischen Lüssow und Bützow war der ursprüngliche Mündungsverlauf der Nebel in die Warnow. Mit dem Bau des Bützow-Güstrow-Kanals 1896 für den Transport von Torf und Zuckerrüben wurde aus der Alten Nebel ein begradigter und eingetiefter Abzweig, der nur untergeordnet mit Wasser versorgt wurde. Da der Bützow-Güstrow-Kanal seit langem nicht mehr als Transportweg fungiert, konnte die parallel zum Kanal laufende Alte Nebel renaturiert werden: Deutlich mehr Wasser wird jetzt wieder in die Alte Nebel umgeleitet.
Zur Strukturverbesserung der Alten Nebel wurden von 2011 bis 2013 umfangreiche Bauarbeiten im und am Gewässer durchgeführt. Der Gewässerverlauf wurde mit Baggern geschwungen neutrassiert. Durch die Abflachungen der Uferbereiche erfolgte die Schaffung eines bis zu 200 m breiten Entwicklungskorridors. Zudem wurden durch Einbau von Totholz die Lebensraumbedingungen für standorttypische Tiere und Pflanzen verbessert.
Mit dem Rückbau von seitlichen Uferbefestigungen und dem Anschluss von fünf ehemals vom Gewässer abgetrennten Altarmen konnte der Lauf der Alten Nebel um ca. 1,5 km verlängert werden und bietet so neuen Lebensraum.
Entwicklungskorridor und Sekundäraue an der Nebel zwischen Dobbin und Linstow
Im Zuge der Renaturierung von 2012 bis 2013 erhielt die begradigte Nebel entlang einer Strecke von 2,5 km zwischen Dobbin und Linstow einen neuen, geschwungenen Verlauf in einer Sekundäraue. Über den zusätzlichen Einbau von Störelementen wie z. B. Totholz konnte eine typspezifische Breiten- und Tiefenvarianz initiiert werden.
Zusätzlich erhielt die Nebel beiderseits eine 7 bis 10 m breite Wasserwechselzone auf Höhe des Mittelwasserstandes. In diesem Bereich wird die eigendynamische Entwicklung des Gewässers durch periodische Überflutungen und Trockenfallen gefördert sowie neue Habitate für Flora und Fauna geschaffen.
Zur Förderung einer natürlichen, eigendynamischen Entwicklung des Gewässers wurde außerdem ein durchgehender, 40 m breiter Entwicklungskorridor angelegt, in dem keine Bewirtschaftung stattfindet und sich eine natürliche Vegetation selbstständig etablieren kann. Zusätzliche Initialpflanzungen entlang des neu geschaffenen Entwicklungskorridors dienen dabei als Abgrenzung zwischen Nutz- und Entwicklungsfläche.
Die Finanzierung des Projektes mit Kosten von ca. 700.000 Euro erfolgte zu 90 % aus Landes-, Bundes- und EU-Fördermitteln (FöRiGeF-Förderung) sowie zu 10 % aus Ausgleichsgeldern der Deutschen Bahn und Eigenmitteln eines Fördervereins.
Effektive Umsetzung durch langfristig angelegtes Flächenmanagement an der Nebel
Für die Verbreiterung der Alten Nebel, die Entwicklungskorridore und die Wasserwechselzonen wurden ca. 120 ha seinerzeit landwirtschaftlich genutzte Flächen benötigt. Um die Flächenverfügbarkeit abzusichern, wurden Personen mit Landeigentum oder Landnutzung von Anfang an kooperativ beteiligt. Im Zuge des extra für die Renaturierung angeordneten Flurbereinigungsverfahrens "Alte Nebel" sowie den laufenden Flurneuordnungsverfahren "Dobbin-Glave" und "Linstow" wurden bereits frühzeitig sogenannte Planwunschgespräche mit den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben geführt. Dabei wurde die genaue Planung der Renaturierungsmaßnahme ebenso vorgestellt wie die entsprechenden Flächenbetroffenheiten und Abfindungsmöglichkeiten für Eigentum und Bewirtschaftung.
Im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren konnten landwirtschaftliche Betriebe ihre Flächen oft vorteilhaft arrondieren. Neu angelegte Wirtschaftswege verbesserten die Erschließung der landwirtschaftlichen Flächen. Deshalb waren landwirtschaftliche Akteure diesen Verfahren gegenüber aufgeschlossen. Ein wichtiger Aspekt dabei war, das Gebiet der Bodenneuordnung deutlich größer zu fassen als das Gebiet der Renaturierung, damit ausreichend geeignete Tauschflächen zur Verfügung standen. Das Zusammenwirken von Wasserwirtschaftsverwaltung und Flurneuordnungsbehörde bildete eine zentrale Säule der Nebel-Renaturierungen.
Forellen können wieder zu geeigneten Laichgebieten in der Nebel aufsteigen
Mit der Errichtung der Fischaufstiegsanlage Lüssow (siehe Fischaufstiegsanlage an der Nebel bei Lüssow) wird nach über 130 Jahren wieder ein natürliches hydrologisches Regime im Unterlauf der Nebel hergestellt und das Flussökosystem der Nebel auf einer Gesamtlänge von ca. 100 km an das der Warnow und Ostsee angeschlossen. Damit sind die potenziellen Laichgebiete des naturnahen Mittellaufes auch wieder für Wanderfischarten wie Meerforelle und Flussneunauge erreichbar. Die erste Sichtung einer Forelle in der Fischaufstiegsanlage wurde von lokalen Fischfans schon wenige Wochen nach Eröffnung gemeldet. Am Hauptwehr in Güstrow befindet sich zudem eine automatische Zähleinrichtung für Wanderfische, die im Rahmen eines Projektes des Instituts für Fischerei der Landesforschungsanstalt betrieben wird. Mehr dazu: Lokale Fischexpertise für Gewässerentwicklung einbinden und Erfolgskontrolle mit Monitoring vorher / nachher
Positive Effekte von Renaturierungen auf Ökosystemleistungen der Nebel
Die Renaturierungen an der Nebel wurden hinsichtlich ihrer Wirkung auf Ökosystemleistungen untersucht. Die Nebel war ein Untersuchungsgebiet des Forschungsprojektes RESI, das Leistungen von Fluss- und Auenökosystemen für die menschliche Gesellschaft erfasst, bewertet und visualisiert.
Diese Untersuchungen haben ergeben, dass infolge der Renaturierungsmaßnahmen ein um ca. 16 % größerer Hochwasserrückhalteraum an der Nebel zur Verfügung steht als vorher (Mehl et al. 2018). Dies ist vor allem auf die Laufverlängerung und Wiedererschließung größerer Teile der ehemaligen Flussauen im Bereich der Alten Nebel zurückzuführen. In Zahlen ausgedrückt entspricht der berechnete monetäre Vorteil des Hochwasserschutzes durch Renaturierungsmaßnahmen gegenüber einer technischen Lösung (z. B. Polder oder Deich) ähnlichen Ausmaßes für die Nebel rund 174 Mio. Euro (Mehl et al. 2018).
Ebenfalls konnten durch die Renaturierungsmaßnahmen positive Effekte auf die Ökosystemleistung Niedrigwasserregulation (z. B. bessere Bodenwasserversorgung durch verzögerte Grundwasserabsenkung), Sedimentregulation, Kühlwirkung und Bodenbildung (z. B. natürliche Moorbildung) abgeleitet werden (Mehl et al. 2018).
Mehl, D. & Thiele, V. (2018): Renaturierung der Nebel bei Hoppenrade, in: Schneider, E., Werling, M., Stammel, B., Januschke, K., Ledesma-Krist, G., Scholz, M., Hering, D., Gelhaus, M., Dister, E. & Egger, G. [Hrsg.]: Biodiversität der Flussauen Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 163: 337-351.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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