Beim Wettbewerb „Blauer Kompass“ des Umweltbundesamtes werden wegweisende Projekte zum Umgang mit den Folgen des Klimawandels gesucht. Zwei Gewinnerprojekte aus dem Vorjahr berichten, welche Wirkung der Preis vor Ort erzielte und wie ihre Arbeit nach der Preisverleihung weiterging.
Der „Blaue Kompass“: spürbare Folgen des Klimawandels brauchen neuartige Lösungsansätze
Wärmer, trockener, extremer: bereits heute spüren und sehen wir die weitreichenden Folgen der Klimaänderung für Mensch und Natur. Wie sich das Klima in den vergangenen Jahren verändert hat und welche Folgen das auf Umwelt, Gesellschaft, Infrastrukturen und verschiedene Sektoren hat, wurde im kürzlich veröffentlichten Monitoringbericht zur Deutschen Klimaanpassungsstrategie deutlich. Das Jahresmittel der Lufttemperatur ist zwischen 1881 und 2018 um 1,5 Grad Celsius gestiegen, gab es 1951 nur drei Tage mit Temperaturen von mehr als 30 Grad so waren es 2018 bereits 20 Tage. Menschen sorgen sich zunehmend um die Folgen dieser Hitzeextreme für ihre Gesundheit, auch das geht aus dem Bericht hervor. Die Zahlen zeigen: Strategien und Initiativen zum Umgang mit den Folgen des Klimawandels sind neben ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen wichtiger denn je.
Das Umweltbundesamt (UBA) zeichnet mit dem „Blauen Kompass“ daher bereits zum vierten Mal private und kommunale Unternehmen, Vereine, Verbände, Stiftungen, Forschungsinstitute und Bildungseinrichtungen aus, die Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland innovativ und wegweisend umsetzen. Die Idee des Wettbewerbs: die besten Projekte zum Umgang mit den Folgen des Klimawandels sollen bundesweit bekannt gemacht werden und als Beispiele für eine gute Praxis Nachahmer motivieren, eigene Maßnahmen in ihrer Region zu initiieren und umzusetzen.
Wettbewerb „Blauer Kompass“ erreichte 2018 einen Teilnahmerekord
In der letzten Runde 2018 gingen für den „Blauen Kompass“ 111 Bewerbungen ein – so viele wie noch nie zuvor. Darüber hinaus wurden 12.600 Stimmen beim Online-Voting abgegeben, die bundesweite Presse- und Öffentlichkeitsarbeit erreichte circa 7,2 Millionen Kontakte in Print, Online und Hörfunk/TV: Eine enorme Reichweite, die den Preis zu einem zentralen Kommunikationsinstrument im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) macht.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze überreichte 2018 vier Trophäen des „Blauen Kompass“: In der Kategorie „Private und kommunale Unternehmen“ an die Technischen Betriebe Solingen, in der Kategorie „Bildungs- und Forschungseinrichtungen“ an die Pädagogische Hochschule Heidelberg, in der Kategorie „Vereine, Verbände und Stiftungen“ an die Initiativgruppe „Unternehmen engagiert fürs Veedel“ und den Publikumspreis an die Universität und Kunsthochschule Kassel. Neben Zertifikat und Trophäe wird zu jedem Gewinnerprojekt ein Kurzfilm produziert, mit dem die Prämierten ihre Projekte weiter bewerben konnten.
Nachwuchskräfte für den Klimawandel sensibilisieren: Azubis entwickeln Lösungsansätze für die Logistik
Dass sich die Teilnahme am Wettbewerb Blauer Kompass lohnt, wissen die Projektmitarbeiterinnen zweier Gewinner aus 2018. Eine davon ist Dr. Svenja Brockmüller, die das Projekt klimAZUBI des Kompetenzzentrums für geoökologische Raumerkundung der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Siegmund betreute. Das Projekt hatte das Ziel, das Bewusstsein für Klimawandelfolgen von Auszubildenden zu schärfen und sie zu Lösungsansätzen in ihren Betrieben zu ermutigen und zu befähigen. „Wir wollten die betriebliche Umwelt in den Fokus rücken und haben einen Dreiklang an Fragestellungen entwickelt: Welche Folgen hat der Klimawandel für die Region? Inwieweit ist das Unternehmen direkt betroffen? Und welche nachhaltigen Anpassungsstrategien können gefunden werden?“, erklärt die Geografin. Antworten hierzu wurden bei Untersuchungen im Außengelände, im Labor sowie in theoretischen Szenarien und Computersimulationen gefunden, die soziale und ökologische Aspekte in die ökonomische Ebene eingebunden haben. „Azubis sind nicht nur die Generation, die wir sensibilisieren möchten, sondern auch die Multiplikatoren, die von unten in ihren Abteilungen etwas bewegen können. Und das freiwillig statt verordnet.“
Das funktioniert auch sehr erfolgreich bei dem Folgeprojekt, das nach dem Gewinn des „Blauen Kompass“ aus klimAZUBI entstand: „TRANSFER TOGETHER – Climate Change Education“ heißt es und wurde zusammen mit den Auszubildenden des internationalen Logistikunternehmens Contargo mit Leben gefüllt. Die Azubis kamen für einen dreitägigen Workshop in Mannheim zusammen und beschäftigten sich mit ganz unterschiedlichen Folgen des Klimawandels auf das Logistikunternehmen. Zum Beispiel, wie sich häufigere Hitzewellen auf LKW-Fahrer auswirken. „Es wurden Ideen für Wohlfühloasen entwickelt, in denen sich die Fahrer während der Wartezeit zur Abfertigung erholen können: Wasserspender und begrünte, schattige Plätze waren hier Ansätze“, erzählt Svenja Brockmüller. Ebenso wurde die physikalisch optimale Stapelung von Containern erprobt, um die Standfestigkeit bei künftig verstärkt auftretenden Stürmen zu erhöhen. „Dabei stellten die Azubis beim Experimentieren fest, dass weiß getünchte Container die bestmögliche Kühlung von Ware erzielen. Wir haben durchweg in einen direkten Bezug gesetzt, an welchen Punkten das Unternehmen vom Klimawandel betroffen sein wird. Die eingeschränkte Schiffbarkeit bei zunehmenden Hoch- und Niedrigwasserphasen gehörte ebenso dazu.“
Die Projektbetreuerin lobt die große Unterstützung seitens des Unternehmens: „Die Azubis konnten mit Hilfe der Methode ‚Design Thinking‘ innovative Anpassungsoptionen entwickeln und diese direkt mit den Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus dem Unternehmen abgleichen. Es war toll, wie das Engagement auch auf höchster Unternehmensebene gewürdigt wurde.“ freut sich Svenja Brockmüller, die das Thema Klimaanpassung mittlerweile in Forschung und Lehre der Universität Koblenz-Landau einbringt.
Grüne und soziale Stadtteilentwicklung: der Preis „Blauer Kompass“ stärkt das Wir-Gefühl
Auch dem Projekt „Gemeinsam fürs Klima in Bilderstöckchen“ hat der „Blaue Kompass“ 2018 noch einen zusätzlichen Schub verliehen. „Das ist ein Pfund! Man braucht es nur zu erwähnen, es kommt überall total gut an und stärkt enorm das Wir-Gefühl“, berichtet Dr. Brigitte Jantz, Sozialraumkoordinatorin im Stadtteil Bilderstöckchen. Der Kölner Stadtteil ist einer von elf Sozialräumen der Stadt, die aufgrund ihrer geschichtlich-gewachsenen und sozialen Struktur besonderer Förderung bedürfen. „Da es hier auch viele Bereiche gibt, die aufgrund des Klimawandels im Sommer stark überhitzen und bei Starkregen über zu wenig Versickerungsfläche verfügen, haben wir Bilderstöckchen in das Projekt ‚Engagiert fürs Veedel‘ eingebunden und aus der Bevölkerung Ideen herausgekitzelt, wie wir uns hier direkt vor Ort anpassen und das Klima schützen können“ schildert Brigitte Jantz. Aus den rund 100 Vorschlägen schafften es acht Ideen, als Teilprojekte umgesetzt zu werden. Dazu gehört der „KlimaPark“: Auf einer zwei Hektar großen Brachfläche haben Anwohnerinnen und Anwohner mit weiteren Freiwilligen 46 Obst- und Nussbäume gepflanzt, eine Wildblumenwiese und natürliche Hecken angelegt, Erdhügel für Insekten angehäuft und mit Hilfe eines Imkers Bienenstöcke integriert. „Die Mitwirkenden haben in den zwei vergangenen heißen Sommern regelmäßig gegossen, der Park hat irre viel Engagement und Gemeinschaftssinn hervorgebracht“, berichtet die Projektleiterin, für die auch Klimagerechtigkeit eine große Rolle spielt.
Denn in Bilderstöckchen leben Menschen, die selbst wenig zum Klimawandel beitragen, ihm aber auf der anderen Seite verstärkt ausgeliefert sind, weil sie ihren Stadtteil kaum verlassen und ihre Wohnungen nicht mit Klimaanlagen oder ökologischeren Alternativen kühlen können. Funktionierende Naherholungsgebiete sind hier besonders wertvoll. Dieses Jahr soll im KlimaPark ein Wegenetz entstehen und Bänke aufgestellt werden, ein Teich ist ebenfalls in Planung. Nach der Verleihung des „Blauen Kompass“ gab es Lob aus dem Büro der Oberbürgermeisterin und sogar der dänische Umweltattaché wurde dadurch auf das Projekt aufmerksam und besuchte das Bilderstöckchen. „Der ‚Blaue Kompass‘ ist mit Geld nicht aufzuwiegen, im Gegenteil. Er ist viel mehr als Projektförderung. Wir haben durch ihn noch einmal ganz andere, neue Menschen aktiviert“, sagt Brigitte Jantz. Ihr Fazit: „Ich hätte nicht gedacht, was das für Wellen schlägt und kann die Bewerbung nur jedem empfehlen.“
Noch bis zum 17. Februar für den „Blauen Kompass“ bewerben!
Ob Bildungsprojekte zu sektoraler Klimafolgenanpassung, Entsiegelung und Begrünung von Flächen oder der Anbau klimaangepasster Pflanzensorten in der Landwirtschaft: beim „Blauen Kompass“ werden innovative und wegweisende Ideen für einen nachhaltigen Umgang mit Klimafolgen gesucht. Projekte können sich in folgenden drei Kategorien noch bis zum 17. Februar bewerben:
Private und kommunale Unternehmen
Bildungs- und Forschungseinrichtungen
Vereine, Stiftungen und Verbände
Nach Ende der Einreichungsfrist trifft das UBA zusammen mit dem Wettbewerbsbüro eine Vorauswahl und legt pro Kategorie jeweils fünf nominierte Projekte fest. Die 15 nominierten Projekte treten im April bei einer öffentlichen Internetabstimmung auf www.uba.de/tatenbank um den Publikumspreis an. Anschließend wählt eine Expertenjury aus Politik, Zivilgesellschaft und Medien jeweils einen Gewinner pro Kategorie.
Die vier Gewinner werden am 26. Juni 2020 im Bundesumweltministerium in Berlin im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung öffentlichkeitswirksam ausgezeichnet. Die Erfahrung zeigt: Der „Blaue Kompass“ leistet einen wertvollen Beitrag für eine klimaresiliente Zukunft, sozialen Zusammenhalt vor Ort und bringt weiteres Engagement ins Rollen.
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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