Gewässerentwicklung in der Stadt – geht (fast) überall

Foto: Ein Bach mit hohen Ufermauern und angrenzenden Häusern und Straßen in Ortslage. Die Gewässersohle ist offen, mit Kies bedeckt und stellenweise bewachsen. Der Bach verläuft leicht schwingend im Kastenprofil.zum Vergrößern anklicken
Renaturierter Abschnitt des Eipbaches in Eitorf (2018)

Fließgewässer lassen sich im urbanen Raum ökologisch aufwerten, auch ohne den Verlauf oder die Ufer zu verändern.

Quelle: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

Gewässerrenaturierung ist in der Stadt aufgrund von Hochwasserschutz und Flächennutzungsdruck zwar nur eingeschränkt möglich, aber schon kleine Maßnahmen können eine Aufwertung der Lebensqualität bewirken. Frühzeitige Kooperation mit allen Interessengruppen ist besonders wichtig, um den unterschiedlichen Anforderungen, die an urbane Gewässer auf engstem Raum gestellt werden, gerecht zu werden.

Inhaltsverzeichnis

 

Renaturierungen in Städten schaffen Lebensqualität

Sponge city (Schwammstadt), nature-based solutions (Naturbasierte Lösungen), green-blue infrastructure (Grün-blaue Infrastruktur) – all diesen Begriffen und Konzepten liegt ein gemeinsamer Gedanke zugrunde: Leben in der Stadt mit Natur und Wasser! (Perini & Sabbion 2017). Naturnahe Fließgewässer in der Stadt können helfen klimatische Veränderungen abzufedern. Traditionelle Nutzungen (z. B. Transport, Stromproduktion) können gleichzeitig erhalten bleiben. Mehr dazu: Leistungen und Nutzen renaturierter Flüsse

Attraktiv gestaltete Gewässer strahlen positiv auf den städtischen Raum aus und werten das Wohnumfeld auf. Fließgewässerrenaturierungen können daher wichtige Impulse für die Stadtentwicklung geben und zur Wiederbelebung und Aufwertung der Lebensqualität in Städten beitragen. Die Ruhr in Arnsberg wandelte sich beispielsweise vom verbauten, technischen Gerinne zu einem attraktiven Erlebnis- und Erholungsraum mit hoher Bedeutung für die Stadtentwicklung. Mehr dazu: Ruhr: Erlebbare Wildnis in der Stadt

Luftbildaufnahme der renaturierten Ruhr, die umgeben ist von Häusern, Straßen und einer Bahnlinie. Ein Ausflugslokal bietet direkten Blick auf die Renaturierung. Im Fluss selbst liegen Kiesbänke und Totholz. Der Uferbereich ist mit zahlreichen Gehölzen bewachsen.
Renaturierung der Ruhr in Arnsberg (2018)

Naturnahe Fließgewässer sind Anziehungspunkte für Erholung in der Stadt.

Quelle: Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau
 

Vielfältige Anforderungen an städtische Gewässerentwicklung

Im städtischen Umfeld werden auf engstem Raum besonders viele unterschiedliche Anforderungen an die Gewässer gestellt. Die Wasserwirtschaft kümmert sich um Hochwasserschutz und –vorsorge, muss Wasserqualität und Hygiene aufrechterhalten und verbessern sowie zuverlässig für die Ableitung von Regen- und Schmutzwasser sorgen. Hinzu kommen städtebauliche Ziele, beispielsweise Fließgewässer als öffentlichen Raum gut erreichbar zu machen und attraktiv zu gestalten. Infrastrukturen wie Liegewiesen, Badestellen, Grillplätze, Spielplätze oder Fuß- und Radwege erschließen die Gewässer für Erholung und Freizeit.

Die vielen konkurrierenden Nutzungsansprüche an urbane Gewässer machen die Erfüllung aller Anforderungen sehr schwierig. Andererseits können Flächen wie beispielsweise naturnahe Sekundärauen, in denen dem Gewässer eine eigendynamische Entwicklung erlaubt wird, auch als ⁠Retentionsflächen⁠ in den Hochwasserschutz integriert werden (Mehr dazu: Eigendynamik und Erholung in urbaner Sekundäraue der Murg). Um den unterschiedlichen Ansprüchen an urbane Gewässer gerecht werden zu können, Konflikte zu lösen und Synergien zu nutzen, sollten die verschiedenen urbanen Interessensgruppen besonders frühzeitig in die Planung integriert werden (DWA 2009, DWA 2016). Mehr dazu: Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen

 

Renaturierungsmöglichkeiten im urbanen Raum

In Siedlungsbereichen sind bauliche Maßnahmen der Gewässerentwicklungen aus Platzgründen oftmals nur eingeschränkt möglich. Eine Verbesserung der Durchgängigkeit und von Sohle und Ufer ist jedoch in den meisten Fällen umsetzbar.

Umfangreiche praktische Hinweise bietet eine zweiteilige DWA-Publikation zur Entwicklung urbaner Fließgewässer:

Querbauwerke und Verrohrungen umgestalten

Querbauwerke in städtischen Bereichen dienen vor allem dem Hochwasserschutz, der Schifffahrt und der Nutzung der Wasserkraft. Dabei kommt es oft zu verstärkten Sedimentablagerungen in Staubereichen und mangelhafter Durchgängigkeit. Renaturierungsmaßnahmen in urbanen Gebieten zielen deshalb auf die Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Geschiebetransport und Wanderung/Ausbreitung von ⁠Flora⁠ und ⁠Fauna⁠ durch den Rückbau von Querbauwerken oder die Installation von Auf- und Abstiegshilfen ab. Dabei muss der Hochwasserschutz und ggf. der Gebäudeschutz mit Erhalt der Wasserspiegellage berücksichtigt werden (Mehr dazu: Umgestaltung der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler).

Bei der Renaturierung von Gewässerabschnitten mit Durchlässen und Verrohrungen ist insbesondere darauf zu achten, dass die Durchgängigkeit für den Auf- und Abstieg von Lebewesen gegeben ist. Durch die Gestaltung einer möglichst naturnahen Sohle kann sowohl die Durchgängigkeit, als auch die Strukturvielfalt in solchen Bereichen gefördert werden.

Mehr dazu: Maßnahmen für die Durchgängigkeit – wenn Hindernisse vorhanden sind

Uferverbau ökologischer gestalten

In urbanen Gebieten ist die Sicherung der Ufer und angrenzender Gebiete vor Hochwasserschäden von großer Bedeutung. Häufig werden dazu abgedichtete Pflasterungen oder betonierte Uferböschungen eingesetzt. Über eine ingenieurbiologische (z. B. Holz statt Beton) oder eine offene Bauweise (z. B. Trockenmauern) kann im urbanen Raum eine ökologische Aufwertung der Ufer stattfinden. Dabei ist zu beachten, dass die Standfestigkeit einer ökologisch freundlicheren Anlage auch bei extremer Anströmung gegeben sein muss.

Mehr dazu: Naturnahe Gewässerunterhaltung als Renaturierungsmaßnahme, Ingenieurbiologische Maßnahmen – mit Hilfe der Natur bauen

Gewässersohle aufwerten

In Städten verlaufen Flüsse und Bäche oftmals in technischen Profilen mit verbauter Sohle. Doch gerade eine strukturreiche Sohle ist die Grundvoraussetzung für eine naturnahe ⁠Gewässerentwicklung⁠ und die Vernetzung von Habitaten auch ober- und unterhalb von Städten.

Wenn aufgrund von städtebaulichen Restriktionen keine Möglichkeiten zur Renaturierung über die Gewässerufer hinaus bestehen, kann zumindest eine naturnahe Gewässersohle geschaffen werden. Beispielsweise wasserbauliche Maßnahmen wie die Erstellung von Naturstein-Sohlenriegeln mit groben Steinen geben ansonsten glatten Gewässersohlen die nötige Strukturvielfalt. Buhnen zur Strömungslenkung und Störsteingruppen fördern zusätzlich die Strömungsdiversität.

Mehr dazu: Maßnahmen im bestehenden Profil – wenn der Gewässerlauf nicht verändert werden kann

Naturnahe Gewässerunterhaltung

Eine weitere einfache und kostengünstige Möglichkeit Fließgewässer in Städten ökologisch aufzuwerten ist die Umstellung der Gewässerunterhaltung. Dazu zählt z. B. die Entwicklung von standorttypischen Wasserpflanzen zuzulassen, ⁠Totholz⁠ im ⁠Gewässerprofil⁠ zu belassen oder eine reduzierte, abschnittsweise einseitige Böschungsmahd.

Mehr dazu: Naturnahe Gewässerpflege "im Profil"

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Literaturangaben

Links Urbane Renaturierung