Gewässerentwicklung in der Stadt – geht (fast) überall
Gewässerrenaturierung ist in der Stadt aufgrund von Hochwasserschutz und Flächennutzungsdruck zwar nur eingeschränkt möglich, aber schon kleine Maßnahmen können eine Aufwertung der Lebensqualität bewirken. Frühzeitige Kooperation mit allen Interessengruppen ist besonders wichtig, um den unterschiedlichen Anforderungen, die an urbane Gewässer auf engstem Raum gestellt werden, gerecht zu werden.
Renaturierungen in Städten schaffen Lebensqualität
Sponge city (Schwammstadt), nature-based solutions (Naturbasierte Lösungen), green-blue infrastructure (Grün-blaue Infrastruktur) – all diesen Begriffen und Konzepten liegt ein gemeinsamer Gedanke zugrunde: Leben in der Stadt mit Natur und Wasser! (Perini & Sabbion 2017). Naturnahe Fließgewässer in der Stadt können helfen klimatische Veränderungen abzufedern. Traditionelle Nutzungen (z. B. Transport, Stromproduktion) können gleichzeitig erhalten bleiben. Mehr dazu: Leistungen und Nutzen renaturierter Flüsse
Attraktiv gestaltete Gewässer strahlen positiv auf den städtischen Raum aus und werten das Wohnumfeld auf. Fließgewässerrenaturierungen können daher wichtige Impulse für die Stadtentwicklung geben und zur Wiederbelebung und Aufwertung der Lebensqualität in Städten beitragen. Die Ruhr in Arnsberg wandelte sich beispielsweise vom verbauten, technischen Gerinne zu einem attraktiven Erlebnis- und Erholungsraum mit hoher Bedeutung für die Stadtentwicklung. Mehr dazu: Ruhr: Erlebbare Wildnis in der Stadt
Vielfältige Anforderungen an städtische Gewässerentwicklung
Im städtischen Umfeld werden auf engstem Raum besonders viele unterschiedliche Anforderungen an die Gewässer gestellt. Die Wasserwirtschaft kümmert sich um Hochwasserschutz und –vorsorge, muss Wasserqualität und Hygiene aufrechterhalten und verbessern sowie zuverlässig für die Ableitung von Regen- und Schmutzwasser sorgen. Hinzu kommen städtebauliche Ziele, beispielsweise Fließgewässer als öffentlichen Raum gut erreichbar zu machen und attraktiv zu gestalten. Infrastrukturen wie Liegewiesen, Badestellen, Grillplätze, Spielplätze oder Fuß- und Radwege erschließen die Gewässer für Erholung und Freizeit.
Die vielen konkurrierenden Nutzungsansprüche an urbane Gewässer machen die Erfüllung aller Anforderungen sehr schwierig. Andererseits können Flächen wie beispielsweise naturnahe Sekundärauen, in denen dem Gewässer eine eigendynamische Entwicklung erlaubt wird, auch als Retentionsflächen in den Hochwasserschutz integriert werden (Mehr dazu: Eigendynamik und Erholung in urbaner Sekundäraue der Murg). Um den unterschiedlichen Ansprüchen an urbane Gewässer gerecht werden zu können, Konflikte zu lösen und Synergien zu nutzen, sollten die verschiedenen urbanen Interessensgruppen besonders frühzeitig in die Planung integriert werden (DWA 2009, DWA 2016). Mehr dazu: Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen
Renaturierungsmöglichkeiten im urbanen Raum
In Siedlungsbereichen sind bauliche Maßnahmen der Gewässerentwicklungen aus Platzgründen oftmals nur eingeschränkt möglich. Eine Verbesserung der Durchgängigkeit und von Sohle und Ufer ist jedoch in den meisten Fällen umsetzbar.
Umfangreiche praktische Hinweise bietet eine zweiteilige DWA-Publikation zur Entwicklung urbaner Fließgewässer:
Entwicklung urbaner Fließgewässer, Teil 2: Maßnahmen und Beispiele (September 2018), DWA-Merkblatt M 609-2.
Querbauwerke und Verrohrungen umgestalten
Querbauwerke in städtischen Bereichen dienen vor allem dem Hochwasserschutz, der Schifffahrt und der Nutzung der Wasserkraft. Dabei kommt es oft zu verstärkten Sedimentablagerungen in Staubereichen und mangelhafter Durchgängigkeit. Renaturierungsmaßnahmen in urbanen Gebieten zielen deshalb auf die Wiederherstellung der Durchgängigkeit für Geschiebetransport und Wanderung/Ausbreitung von Flora und Fauna durch den Rückbau von Querbauwerken oder die Installation von Auf- und Abstiegshilfen ab. Dabei muss der Hochwasserschutz und ggf. der Gebäudeschutz mit Erhalt der Wasserspiegellage berücksichtigt werden (Mehr dazu: Umgestaltung der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler).
Bei der Renaturierung von Gewässerabschnitten mit Durchlässen und Verrohrungen ist insbesondere darauf zu achten, dass die Durchgängigkeit für den Auf- und Abstieg von Lebewesen gegeben ist. Durch die Gestaltung einer möglichst naturnahen Sohle kann sowohl die Durchgängigkeit, als auch die Strukturvielfalt in solchen Bereichen gefördert werden.
In urbanen Gebieten ist die Sicherung der Ufer und angrenzender Gebiete vor Hochwasserschäden von großer Bedeutung. Häufig werden dazu abgedichtete Pflasterungen oder betonierte Uferböschungen eingesetzt. Über eine ingenieurbiologische (z. B. Holz statt Beton) oder eine offene Bauweise (z. B. Trockenmauern) kann im urbanen Raum eine ökologische Aufwertung der Ufer stattfinden. Dabei ist zu beachten, dass die Standfestigkeit einer ökologisch freundlicheren Anlage auch bei extremer Anströmung gegeben sein muss.
In Städten verlaufen Flüsse und Bäche oftmals in technischen Profilen mit verbauter Sohle. Doch gerade eine strukturreiche Sohle ist die Grundvoraussetzung für eine naturnahe Gewässerentwicklung und die Vernetzung von Habitaten auch ober- und unterhalb von Städten.
Wenn aufgrund von städtebaulichen Restriktionen keine Möglichkeiten zur Renaturierung über die Gewässerufer hinaus bestehen, kann zumindest eine naturnahe Gewässersohle geschaffen werden. Beispielsweise wasserbauliche Maßnahmen wie die Erstellung von Naturstein-Sohlenriegeln mit groben Steinen geben ansonsten glatten Gewässersohlen die nötige Strukturvielfalt. Buhnen zur Strömungslenkung und Störsteingruppen fördern zusätzlich die Strömungsdiversität.
Eine weitere einfache und kostengünstige Möglichkeit Fließgewässer in Städten ökologisch aufzuwerten ist die Umstellung der Gewässerunterhaltung. Dazu zählt z. B. die Entwicklung von standorttypischen Wasserpflanzen zuzulassen, Totholz im Gewässerprofil zu belassen oder eine reduzierte, abschnittsweise einseitige Böschungsmahd.
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