Fulda: Kommunen teilen sich Kosten naturnahen Hochwasserschutzes

Luftbild der Fulda, eines neu geschaffenen Nebenarms und dem direkt benachbarten Breitenbacher Kiessees.zum Vergrößern anklicken
Flussaufweitung und -aufspaltung am Breitenbacher Kiessee (2018)

Durch die Renaturierung der Fulda und ihrer Aue entstehen Lebensräume für seltenen Pflanzen- und Tierarten, z. B. für Vogelarten wie Flußuferläufer, Uferschwalbe oder Eisvogel.

Quelle: Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau

Der Masterplan Fuldaaue ist ein Beispiel für gute Zusammenarbeit zwischen den hessischen Kommunen Bebra, Rotenburg und Alheim. Die Fulda wurde naturnaher gestaltet und der Hochwasserschutz verbessert. Die Finanzierung erfolgte dabei über unterschiedliche Fördertöpfe und die Kosten wurden durch kreative Lösungen gering gehalten.

Inhaltsverzeichnis

 

Film: Naturnaher Hochwasserschutz an der Fulda

Naturnaher Hochwasserschutz an der Fulda
Quelle: Umweltbundesamt

Naturnaher Hochwasserschutz an der Fulda

 

Hochwasser & Masterplan Fuldaaue

Die Hochwasserproblematik an der Fulda war 2012 Auslöser für ein interkommunales Konzept für Raumentwicklung, den Masterplan Fuldaaue. Den drei Kommunen Bebra, Rotenburg und Alheim dient dieser Masterplan seitdem als flexibles Planungsinstrument außerhalb starrer Genehmigungsverfahren (Otte-Witte & Schneider 2012).

Bei der Entwicklung des Masterplans konnten die Interessen von Naturschutz, Wasserwirtschaft, Tourismus und Kulturlandschaft sowie der Bevölkerung eingebracht werden. In Zusammenarbeit entwickelten alle Beteiligten Ziele, Strategien und Handlungsvorschläge.

Kern des Masterplans ist ein Zonierungskonzept, das räumliche Schwerpunkte für Nutzungen wie Naturschutz, Ackerbau, Grünlandnutzung, Freizeit oder Kiesabbau definiert. Auf Basis dieses Konzeptes entstehen nach und nach konkrete Lösungsvorschläge und Umsetzungsmaßnahmen.

Maßnahmenträger der zahlreichen Renaturierungsprojekte im Zuge des Masterplans Fuldaaue sind die Kommunen Bebra, Rotenburg und Alheim. Die Einzelmaßnahmen unterscheiden sich erheblich in Projektdauer, Kosten und Finanzierung – von einer nahezu kostenfreien und kurzfristigen Initialmaßnahme im Gewässer bis hin zu großräumigen und langwierigen Auenreaktivierungen.

 

Breitenbach – Flussaufweitung und -aufspaltung der Fulda

Für die Renaturierung der Fuldaaue im Stadtteil Breitenbach wurde die Fulda auf einem Kilometer Länge an einem See, der durch Kiesabbau entstanden ist und jetzt als Freizeitsee genutzt wird, verbreitert und aufgespaltet. Baumstämme wurden als Strukturgeber und Strömungslenker eingebaut. Seitdem entwickeln sich Steilufer, Flachwasserzonen und Kiesflächen. Die Vegetation im Umfeld darf "frei" wachsen. So konnten verloren gegangene typische Lebensräume einer natürlichen Flussaue neu entstehen. Als Nebeneffekt entsteht durch die Aufweitung zusätzlicher Retentionsraum, der Hochwasserspitzen der Fulda mildert. Der Zugang zu der als Fuldaauenerlebnispark Bebra bekannten Fläche ist durch eine Besucherlenkung geregelt. Mehr dazu: Erholung und Tourismus am renaturierten Fluss

Das Regierungspräsidium Kassel förderte das Projekt zu 100 % aus Landesmitteln – ca. 1 Mio. Euro. Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt Bebra als Maßnahmenträger, die Umsetzung des Projekts zu organisieren. Die Baumaßnahmen wurden in 2 Jahren (2017-2018) durchgeführt. Mehr dazu: Maßnahmen im Gewässer und im Nahbereich – wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert werden können

Luftbild der Fulda und einem Nebenarm mit geringer Wasserführung. An den strukturreichen Ufern wachsen Gräser, Sträucher und Bäume.
Aufspaltung der Fulda bei Breitenbach (2018)

Große Steine und Baustämme sorgen als Strömungslenker für eine Verzweigung der Fulda.

Quelle: Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau
 

Rotenburg – Hochwasserabsenkung durch Auenreaktivierung an der Fulda

Weiträumig wurden zwei 60 m breite und ca. 2 m unter dem Auen-Geländeniveau liegende Hochflutrinnen reaktiviert. Grundlage für die Rekonstruktion dieser Rinnen bildeten historische Karten. Zusätzlich wurden vorhandene Baggerseen in die ca. 2 km lange Auenreaktivierung einbezogen.

Im innerstädtischen Bereich von Rotenburg wurde die Fulda auf einer Länge von ca. 500 m entsprechend ihrem Leitbild auf 60 bis 70 m aufgeweitet. Damit konnte eine Absenkung des Hochwasserspiegels der Fulda um ca. 80 cm bis weit in das Stadtgebiet hinein wirksam werden.

Neben den Wirkungen für den örtlichen Hochwasserschutz können sich auf ca. 60 ha naturraumtypische Auenstrukturen mit ihren spezialisierten Pflanzen- und Tiergemeinschaften entwickeln. Die Hochflutrinnen dienen beispielsweise dem Hecht als Laichgebiet.

Träger der Maßnahme war die Stadt Rotenburg. Die Bauzeit betrug 6 Jahre (1997-2003). Die Kosten der insgesamt fünf Bauabschnitte beliefen sich auf ca. 2 Mio. Euro. Neben Eigenleistungen finanzierte die Stadt Rotenburg die einzelnen Bauabschnitte über unterschiedliche Förderungen:

  • Bauabschnitt 1 (Kosten ca. 350.000 DM): 80 % über naturschutzrechtliche Ausgleichsabgaben und 20 % Eigenleistung,
  • Bauabschnitt 2 (Kosten ca. 400.000 DM): 80 % über Grundwasserabgabe (Eigenleistung) und 20 % Förderung,
  • Bauabschnitt 3 (kostenneutral): Finanzierung über Kiesabbau
  • Bauabschnitt 4 (Kosten ca. 1 Mio. Euro): 80 % über Förderprogramm Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz und 20 % durch Einbringung eigener Grundstücke
  • Bauabschnitt 5 (Kosten ca. 250.000 Euro): Flurneuordnung, Förderung

Mehr dazu: Maßnahmen im Gewässer und im Nahbereich – wenn das Gewässerprofil und die Ufer verändert werden können

Luftbild der Fulda mit weit ausladenden Nebengewässern. Entlang der Ufer wachsen größtenteils Gehölze. Im Vordergrund ist eine Fußgängerbrücke zu sehen.
Hochwasserschutz durch Auenreaktivierung bei Rotenburg (2018)

Die Verzahnung von Fulda und Aue schafft großflächigen Retentionsraum für Hochwasser.

Quelle: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich
 

Alheim – Inititialmaßnahmen für eigendynamische Entwicklung an der Fulda

Die Fulda verfügt über sehr günstige Voraussetzungen für eine natürliche Entwicklung aus eigener Kraft. Über weite Strecken kann der Fluss frei fließen. Nur an wenigen Stellen ist die Fulda aufgestaut. Wechselnde Abflussverhältnisse und ein natürlicher Sedimenttransport machen eine Renaturierung aus eigener Kraft möglich. Solche eigendynamischen Prozesse wurden bei Alheim durch sogenannte Initialmaßnahmen angestoßen. Im Gegensatz zu aufwändigen Baumaßnahmen wurden diese impulsgebenden Maßnahmen relativ schnell und kostengünstig umgesetzt. Voraussetzung dafür war die Verfügbarkeit der Flächen im Uferbereich. An 12 Stellen wurde Steinschüttung aus der Ufersicherung entnommen und zur Strömungslenkung in die Gewässersohle eingebracht. Durch die veränderten Strömungsverhältnisse entstehen seitdem vielfältige Strukturen wie Sand- und Kiesbänke, Kolke und Uferabbrüche. Mehr dazu: Maßnahmen bis weit in die Aue – wenn weiträumige, eigendynamische Entwicklung möglich ist

Die Natur und der Mensch profitieren von diesen kostengünstigen Maßnahmen:

Träger der Initialmaßnahmen war die Gemeinde Alheim. Die Umsetzung der Maßnahmen dauerte einen Monat und kostete 2.000 Euro. Finanziert wurden die Maßnahmen über Ausgleichsgelder. Mehr dazu: Finanzierung und Förderung von Gewässerrenaturierungen – Finanzierung von Renaturierungen

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Zonierungskonzept ermöglicht strategisches Flächenmanagement an der Fulda

Ein Konzept, das räumliche Zonen mit spezifischen Zielstellungen definiert, stellt das Herzstück des Masterplans Fuldaaue dar. In den einzelnen Zonen sind Nutzungsschwerpunkte gesetzt, die jeweils Priorität genießen: ⁠Gewässerentwicklung⁠ und Naturschutz, Offenland (Ackerbau und Grünlandnutzung), Freizeitnutzung, Kiesabbau und Nutzung von Stillwasserbereichen. Ein Wegekonzept ergänzt das Zonierungskonzept. Das Zonierungskonzept vereinfacht die Flurbereinigung. So können im Flurbereinigungsverfahren gezielt Flächen im Hinblick auf die Umsetzung des Zonierungskonzepts und des Wegekonzepts umgelegt werden. Zudem bündelt das Zonierungskonzept die Möglichkeiten für Ausgleichsmaßnahmen im Sinne eines Flächenpools. Das fördert die Wirkung der Ausgleichsmaßnahmen auf möglichst alle Schutzgüter, erleichtert die Maßnahmenumsetzung auf größeren, zusammenhängenden Flächen und sichert die Betreuung und Pflege bis zur Erreichung der Maßnahmenziele ab. (Otte-Witte & Schneider 2012) Mehr dazu: Flächenbereitstellung für Gewässerrenaturierungen – Instrumente für Flächenbereitstellung und –management

Foto: Im Vordergrund steht ein Schild mit der Aufschrift „Zone 3 (Naturbereich)“ und eine Hand, die das Stopp-Zeichen symbolisiert mit der Beschriftung „kein Zutritt“. Dahinter liegt ein Holzhaufen. Im Hintergrund sind ein Gewässer und Büsche zu erkennen.
Besucherlenkung durch Beschilderung und Hindernisse im Fuldaauenerlebnispark Bebra (2018)

Die Renaturierungsfläche ist in unterschiedliche Bereiche unterteilt, teilweise für Besucher zugänglich, teilweise geschützt für Tiere und Pflanzen.

Quelle: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich
 

Renaturierung der Fulda führt zu spürbarer Verbesserung bei Hochwasser

An der Fulda sind nach der Renaturierung ca. 90 % der natürlichen Überschwemmungsgebiete wieder vorhanden, lediglich 10 % sind ausgedeicht. Daher sind hier die Voraussetzungen für eine Wiederverzahnung des Flusses mit seinen Auen sehr gut. So führte beispielsweise die Auenreaktivierung bei Rotenburg (siehe Rotenburg – Hochwasserabsenkung durch Auenreaktivierung an der Fulda) dazu, dass der natürliche Hochwasserrückhalteraum um über 250.000 m³ erhöht wurde. Bei einem Hochwasser im Winterhalbjahr 2001 wurden dadurch die Hochwasserspiegellagen im Stadtgebiet um fast 1 m gegenüber vergleichbaren Abflussereignissen abgesenkt. Die Verlängerung des Fließweges führt außerdem zu einer Verlangsamung der Hochwasserwelle und entlastet damit die Unterlieger. Mehr dazu: Hochwasser durch Renaturierung entschärfen

Luftbild auf breites Gewässerbett der Fulda in Rothenburg. Mehrere mit Vegetation bewachsene Inseln liegen im Gewässer. Im Gewässerumfeld liegen bebaute Flächen.
Aufgeweitete Fulda in Rothenburg (2018)

Flussaufweitungen und Auenreaktivierung sorgen für einen deutlich verbesserten Hochwasserschutz in Rothenburg.

Quelle: Marco Linke / Medieningenieurbüro Manntau
 

Masterplan Fuldaaue schafft Interessensausgleich an der Fulda

Der Masterplan Fuldaaue ersetzt keine politischen Prozesse oder behördlichen Genehmigungsverfahren, die im Rahmen von Renaturierungsprojekten notwendig sind. Vielmehr ist er das Ergebnis einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen und liefert so einen Grundkonsens für die Entwicklung der Fuldaaue. Ausgehend von Aspekten des Hochwasserschutzes als Hauptargument fanden auch Interessen von ehrenamtlichen Naturschutzverbänden und Angelvereinen Berücksichtigung. Daher stehen die konkreten Entwicklungsvorhaben hinsichtlich ihrer Akzeptanz auf einem soliden Fundament.

Ca. 100 von insgesamt 220 km Flussstrecke sind an der Fulda als Bundeswasserstraße bzw. Binnenwasserstraße des Bundes deklariert. Hier sind an mehreren Abschnitten – trotz Status als Wasserstraße – Veränderungen der Gewässermorphologie (Entfernung von Uferverbau, Anlage von Entwicklungskorridoren etc.) geplant. Die Fulda ist ein Beispiel dafür, wie das Bundesprogramm Blaues Band, das die Renaturierung von Deutschlands Wasserstraßen zum Ziel hat, in der Praxis funktionieren kann.

Mehr dazu: Kooperation und Partizipation für erfolgreiche Renaturierungen

 

Mit kreativer Finanzierung zur Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen an der Fulda

Die Maßnahmenträger setzen bei der Umsetzung des Masterplans Fuldaaue auf eine Kombination von unterschiedlichen Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten. Teilweise kann so eine hundertprozentige Förderung von sogenannten Synergiemaßnahmen erreicht werden, beispielsweise durch 85 % aus Landesmitteln des Hessischen Förderprogramms Naturnahe Gewässer und 15 % aus Naturschutzmitteln (z. B. über Abwasserabgaben finanziert). Synergien ergeben sich auch aus der "Umleitung" von Mitteln für den technischen Hochwasserschutz in Renaturierungsprojekte. So konnte beispielsweise an einem Zulauf der Fulda statt eines geplanten Kanals und Rückhaltebeckens, ein Seitenarm der Fulda als natürlicher Retentionsraum geschaffen und ca. 200.000 Euro Baukosten eingespart werden. Besonders kostengünstig und effektiv sind Initialmaßnahmen wie die 12 Strömungsbuhnen aus ehemaligem Uferverbau bei Alheim (siehe Alheim – Initialmaßnahmen für eigendynamische Entwicklung an der Fulda). Bei diesen Maßnahmen waren keine kostspieligen Erdbewegungen notwendig und der Flächenbedarf für die eigendynamische Entwicklung hält sich in Grenzen. Die Baukosten je Maßnahme lagen deutlich unter 1.000 Euro. Ein weiterer Weg, Auenflächen der Fulda zu reaktivieren, ist die Kombination mit dem Kiesabbau. Dabei werden zunächst die Kiesvorkommen abgebaut und dann naturnahe Sekundärauen im Zuge der ⁠Rekultivierung⁠ hergestellt. Mehr dazu: Finanzierung und Förderung von Gewässerrenaturierungen

Foto: Eine Gewässerfläche mit Krautvegetation (Seitenarm) im Vordergrund und Bäumen im Hintergrund (Uferbewuchs der Fulda)
Hochwasserrückhalt durch renaturierten Seitenarm der Fulda statt technischem Rückhaltebecken (2018)

An einem Zulauf der Fulda wurde statt eines geplanten Kanals und Rückhaltebeckens, ein Seitenarm der Fulda als natürlicher Retentionsraum für Niederschlagswasser geschaffen.

Quelle: Georg Lamberty / Planungsbüro Zumbroich

Links Fulda

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 Fluss  Fließgewässer  Hydromorphologie  Gewässerstruktur  Renaturierung  Eigendynamik