DAS-Handlungsfeld Wald und Forstwirtschaft
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
In Deutschland bedecken Wälder rund 11,4 Mio. Hektar Fläche, das entspricht etwa einem Drittel der gesamten Landoberfläche. Aufgrund ihrer vielfältigen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Funktionen kommt Waldökosystemen eine besondere Bedeutung zu. Das Bundeswaldgesetz sieht daher vor, den Wald mit all seinen Funktionen zu erhalten, falls erforderlich auch zu mehren und seine ordnungsgemäße Bewirtschaftung sicherzustellen.
Die Hitze- und Dürrejahre 2018 bis 2020 und 2022 haben in bisher nicht gekannter Deutlichkeit gezeigt, welche Bedrohung der Klimawandel für die Existenz des Waldes darstellt. Plötzlich geht es nicht mehr „allein“ um Waldzustand, Zuwachsleistung und gute Waldstruktur, sondern um die Walderhaltung per se. Die bestehende Waldfläche zu sichern, wird zur Herausforderung, die Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen zur Herkulesaufgabe, die erhebliche finanzielle und personelle Kapazitäten bindet. Ziel muss bleiben, die im Klimawandel noch bedeutsameren Waldfunktionen für den Schutz von Wasser, Boden, Biodiversität und Regionalklima sowie für die Erholung des Menschen zu erhalten. Nicht zuletzt ist die Walderhaltung auch unverzichtbar für einen erfolgreichen Klimaschutz, denn Wälder sind bedeutende Kohlenstoffsenken. Wenn Wälder großflächig absterben oder brennen, werden sie – ganz entgegen diesem Ziel – zu zusätzlichen Quellen von Treibhausgasemissionen.
Der Klimawandel und damit einhergehende Witterungsextreme wie Hitze, Trockenheit und möglicherweise auch Stürme sind eine der größten Herausforderungen für die Forstwirtschaft. Die Auswirkungen auf den Wald sind insofern gravierend, als sich die Klimaveränderungen in einer bisher nicht gekannten Geschwindigkeit vollziehen und die natürliche Anpassungsfähigkeit der langlebigen Waldökosysteme überfordern.
Die Folgen des Klimawandels auf die Wälder zeigen sich sowohl in natürlichen, unbewirtschafteten Wäldern ebenso wie in Wäldern, die einer mehr oder weniger intensiven forstlichen Nutzung unterliegen. Seit nun mehr als 30 Jahren wird der Waldzustand erfasst, um ein integrales Bild zur Vitalität der Bäume und Wälder zu erhalten (siehe Indikator FW-I-3). Bis Ende der 1990er-Jahre bildeten die Daten die positiven Folgen verminderter Schadstoffeinträge ab. Erstmalig wurde aber nach dem Sommer 2003 deutlich, dass Trockenheit und Hitze die Waldökosysteme stark beeinträchtigen, insbesondere in Wäldern mit nicht standortgerechter Bestockung. Die Dürrejahre 2018 bis 2020 führten dann die ganze Tragweite des Problems vor Augen: Die Kronenverlichtung nahm deutlich zu. Ab 2019 sind auch die Absterberaten (Anteil noch stehender toter Bäume) bei allen Baumarten sprunghaft angestiegen. Bei Fichte und Kiefer erreichte die Absterberate 2020 ihren Höhepunkt, bei den Laubbaumarten Buche und Eiche erhöhten sich die Werte auch 2021 weiter (siehe Indikator FW-I-4). Viele Bäume sind in diesen Jahren auch vollständig abgestorben und mussten aus den Wäldern entnommen werden. Der Anteil sogenannter nicht planmäßiger Nutzung in Form von Schadholz am Gesamteinschlag erreichte in den Jahren 2019 mit 67 % und 2020 mit fast 75 % Rekordwerte (siehe Indikator FW-I-5). In 2021 war dieser Anteil mit knapp 61 % immerhin fast so hoch wie nach Orkan Lothar im Jahr 1991 (66 %). Bis 2018 waren die Spitzenwerte bei der nicht planmäßigen Nutzung noch durch markante Sturmereignisse verursacht. Ab 2019 macht das „Insektenholz“ mit knapp 70 %, 2021 mit bereits mehr als 81 % den deutlich überwiegenden Anteil am Schadholzaufkommen aus. Vor allem die Borkenkäfer konnten bei der warmen Witterung und dem üppigen Brutraumangebot in kürzlich abgestorbenen oder auch geschwächten Bäumen profitieren. Es war eine deutlich höhere Anzahl von Vermehrungszyklen und Bruten (regional bis zu sechs Zyklen) pro Jahr möglich (siehe Indikator FW-I-6). Diese Massenvermehrung von Käfern machte vor allem der Fichte zu schaffen: Die Schadholzmengen infolge von Buchdruckerbefall waren in einigen Bundesländern in den Jahren 2019 bis 2021 um das Hundert- bis Zweihundertfache höher als im Durchschnitt der Jahre 1998–2017 (siehe Indikator FW-I-7).
Hitze und Trockenheit haben sich auch in der Waldbrandstatistik niedergeschlagen. Zwischen 1991 und 2017 gingen die Fläche und Anzahl von Waldbränden trotz der zunehmenden meteorologischen Waldbrandgefährdung noch zurück. Waldbrandprävention und rasches Eingreifen im Brandfall verhinderten große Schäden. In 2018 und 2019 hingegen schlug sich die extreme Witterung auch deutlich im Waldbrandgeschehen nieder. Es kam zu erheblich mehr und in den nordöstlichen Bundesländern auch zu großflächigen Bränden. Der größte Brand zerstörte in Mecklenburg-Vorpommern eine Fläche von 944 ha (siehe Indikator FW-I-8).
Die massiven Waldschäden und das hohe Aufkommen an Kalamitätsholz haben auch Folgen für die Produktionsfunktion des Waldes. Aktuell sind Daten zur Beschreibung der Zuwachsraten allerdings nur für die Periode 2012–2017 verfügbar. Sie zeigen deutlich sinkende Zuwachsraten bei Buche, Eiche und Kiefer (siehe Indikator FW-I-2). Neben Hitze und Trockenheit dürften hier allerdings auch Faktoren wie das generell erhöhte Bestandesalter eine Rolle spielen. Die Zuwachsraten der Fichten lagen 2012–2017 wieder leicht höher als im vorherigen Zeitraum 2008–2012. Nach 2017 sind jedoch insbesondere bei der Fichte massive Einbrüche des Zuwachses zu erwarten. Auch in den Naturwaldreservaten, die frei von direkten steuernden Eingriffen sind, lassen sich Veränderungen beobachten, die mit dem Klimawandel in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden können. So verändert sich die Baumartenzusammensetzung vor allem in Gebieten, die durch Wassermangel gekennzeichnet sind, und zwar dahingehend, dass die Anteile der Buche abnehmen (siehe Indikator FW-I-1). Nicht standortgerechte Fichten spielen in den Naturwaldreservaten keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle. Die zurückgehenden Anteile der Buche deuten darauf hin, dass die Buche an Konkurrenzstärke gegenüber den trockenheitstoleranteren Baumarten verliert. Da Wälder sehr langlebige Ökosysteme sind, vollziehen sich viele Entwicklungen in den Wäldern grundsätzlich in langen Zeiträumen. Allerdings verlaufen die Klimaänderungen mit einer so hohen Dynamik, dass es in der Folge teilweise zu überraschend schnellen Veränderungen der Waldbilder kommt.
Im Rahmen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 wurden bereits für die Mitte des Jahrhunderts hohe Risiken für Hitze- und Trockenstress, Stress durch Schädlinge und Krankheiten sowie nachteilige Auswirkungen auf den Holzertrag identifiziert. Zum Ende des Jahrhunderts wird auch für Waldbrände ein hohes Risiko erwartet. Hier ist – wie bei den anderen Klimawirkungen – die Gewissheit gering. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gerade in der Forstwirtschaft deutlich gemacht, dass Überraschungen einkalkuliert werden müssen. Bei den Schäden durch Windwurf wurde das Risiko für die Gegenwart bis zum Ende des Jahrhunderts gleichbleibend (in einem Bewertungsraster gering – mittel – hoch) als mittel eingeschätzt, weil bisher keine Entwicklungstrends von Stürmen erkennbar sind. Auch hier ist die Gewissheit der Abschätzung gering.
Das Risiko für Einschränkungen der Erholungsfunktion der Wälder wird ab der Mitte des Jahrhunderts mit geringer Gewissheit als mittel geschätzt. Großflächige Waldschäden können die Erholungsqualität und Attraktivität von Wäldern stark einschränken. Wenn gleichzeitig die Erholungsfunktion an Bedeutung gewinnt, könnte der Nutzungsdruck auf gesunde Wälder steigen.
Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung und im Zuwachs werden im Rahmen der Bundeswaldinventur (BWI) erfasst, die aber nur alle 10 Jahren durchgeführt wird. Dies ist auch der Grund, warum in diesem Monitoringbericht nicht erneut über die inzwischen erreichten Baumartenmischungen beziehungsweise Mischwaldanteile berichtet werden kann. Bereits 2019 war für diesen wichtigen Indikator (damals FW-R-1 Mischbestände) keine Datenaktualisierung gegenüber dem Monitoringbericht 2015 möglich. Für die Aktualisierung sind Daten aus der BWI 2022 erforderlich, die erst nach der Berichtslegung 2024 verfügbar sein werden. Der Indikator Mischbestände ruht deshalb vorübergehend für den Monitoringbericht 2023. Zwischeninventuren erfassen den Zustand des deutschen Waldes mit einem eingeschränkten Merkmalsspektrum auf einem Viertel der BWI-Inventurpunkte und liefern vor allem Daten für die Treibhausgasberichterstattung des Bundes. Die Zwischeninventur-Daten aus dem Jahre 2017 zu den Kohlenstoffvorräten ermöglichten die Aktualisierung und Neuauflage des Indikators zu den Humusvorräten im Wald (siehe Indikator FW-R-3). Außerdem konnten die Inventurdaten für den Indikator zum Holzzuwachs (siehe Indikator FW-I-2) genutzt werden.
In Forschungsvorhaben werden inzwischen Untersuchungen unter anderem zur Nutzung von Satellitenbilddaten durchgeführt, um zeitlich gegenüber der BWI höher aufgelöste Informationen zu Veränderungen der Baumartenzusammensetzung zu erhalten. So ermittelt das TI für Waldökosysteme im Verbundprojekt WaldSpektrum (finanziert aus dem Waldklimafonds) fernerkundungsbasierte Informationen zu den aktuellen Fichtenflächen, um Forstleuten und Waldbesitzenden ein verbessertes Planungsinstrumentarium an die Hand zu geben. Mit Blick auf die rasanten Veränderungen der Waldbilder in Folge der Dürrejahre und die intensiven Bemühungen zum Waldumbau wird die 10-jährige BWI nicht mehr ausreichen, um die Veränderungen zeitnah abzubilden.
Daten- und Informationslücken bestehen derzeit auch noch bei der Ermittlung von Kalamitätsflächen und Schadholzaufkommen. Während die Diagnose flächiger Windwürfe oder großflächiger Absterbeerscheinungen durch Schaderreger operationell und zeitnah mithilfe von Satelliten-Fernerkundungsdaten möglich ist, sind Methoden zur Erfassung des Schadholzumfangs noch nicht etabliert. Diese Lücke soll ab 2023 das Waldklimafonds-Projekt „Fernerkundungsbasierte Nationale Erfassungssystem Waldschäden“ (FNEWs) des TI teilweise schließen. Es soll Informationen zu flächigen Absterbeerscheinungen, Schadholzumfang und wirtschaftlichen Schäden liefern.
Daten aus dem intensiven Forstlichen Umweltmonitoring (LEVEL II) wurden bisher nicht für Indikatoren im DAS-Handlungsfeld „Wald und Forstwirtschaft“ genutzt. Für das DAS-Handlungsfeld „Boden“ wurde ein Indikator zu Bodenwasser in Waldböden (siehe Indikator BO-I-2) als Fallstudie für Bayern entwickelt. Für die LEVEL II-Untersuchungen sind trotz Harmonisierungsbemühungen nach wie vor länderübergreifende Auswertungen nur begrenzt möglich. Für das Bodenwassers wird im TI derzeit daran gearbeitet, mit Hilfe von Wasserhaushaltsmodellen homogene und lückenlose Zeitreihen zu erzeugen.
Während im Bereich der Impact-Indikatoren für das Handlungsfeld „Wald und Forstwirtschaft“ bereits ein breites Themenspektrum im DAS-Monitoring abgebildet werden kann, gibt es auf der Response-Ebene noch Lücken in relevanten Handlungsbereichen. So konnte zum Thema Waldschutzmaßnahmen (Reduzierung von Wildschäden, Wildbestandsregulierung, Kontrolle und Bekämpfung von Forstschädlingen) bisher noch kein geeigneter Indikator entwickelt werden. Auch Verbesserungen der Waldbrandprävention und -bekämpfung lassen sich bisher nicht mit Daten abbilden.
Da Wälder sehr langlebige Ökosysteme sind, muss die Forstwirtschaft weitblickend vorausplanen und sich ändernde Wuchsbedingungen berücksichtigen. Die Folgen der Dürrejahre haben deutlich gemacht, dass den Forstbetrieben eine große Reaktionsbereitschaft abverlangt wird. Die planmäßige Bewirtschaftung muss in der Priorität immer wieder zurücktreten, um ausreichend Kapazitäten für die Bewältigung der Extremereignisse bereitzustellen.
Der Waldumbau hin zu klimastabileren Bestockungen wird auf vielen Ebenen politisch und operativ unterstützt. Neben der Forschungsförderung im Rahmen des Waldklimafonds sind die Finanzierung von Waldumbaumaßnahmen im Staatswald sowie die Förderung für den Privatwald insbesondere im Rahmen der GAK stark ausgeweitet worden (siehe Indikator FW-R-1). Ende 2018 wurde in der GAK ein neuer Fördertatbestand „Förderung von Maßnahmen zur Bewältigung der durch Extremwetterereignisse verursachten Folgen im Wald“ eingeführt, um Räumung und Wiederbewaldung von Kalamitätsflächen voranzutreiben. Für private und kommunale Waldbesitzende wurde außerdem 2022 das Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ des BMEL etabliert, das mit Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) ausgestattet ist und den beschleunigten Aufbau stabiler und klimaresilienter Wälder fördern soll. Zu den Förderbedingungen gehört unter anderem, dass auch Maßnahmen zur Wasserrückhaltung sowie zur Erhaltung und Pflege von Humus (siehe Indikator FW-R-3) umgesetzt werden. Auch das BMBF fördert mit der Maßnahme „REGULUS“ innovative Lösungen für eine klimaschützende Wald- und Holzwirtschaft.
Um eine standortgerechte und zukunftsfeste Baumartenwahl bei Verjüngung und Wiederbewaldung sicherzustellen, wurden und werden von den forstlichen Landesämtern und -anstalten Planungshilfen unter anderem mit Baumartenempfehlungen überarbeitet und neu erstellt. Zudem wird die Beratung von Privatwaldbesitzenden vorangetrieben (siehe Indikator FW-R-6), da es insbesondere auch hier großen Handlungsbedarf gibt.
Das 2021 am Julius Kühn-Institut (JKI) gegründete Institut für Waldschutz hat die Aufgabe, zur Biologie, Vermeidung und integrierten Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten im Wald sowie zur Stärkung natürlicher Regulations- und Abwehrmechanismen des Waldes zu forschen. Daraus sollen praxistaugliche Konzepte für den Waldschutz unter Berücksichtigung des Klimawandels abgeleitet werden.
Im Zuge des Waldumbaus und der sich damit verändernden Baumartenzusammensetzungen muss auch der Holzmarkt weiterentwickelt werden. Es gilt, für Laubholz vermehrt stoffliche Verwendungen zu erschließen (siehe Indikator FW-R-4) und dessen Einsatzmöglichkeiten im konstruktiven Holzbau zu erweitern und Praxiserfahrungen zu sammeln (siehe Indikator FW-R-5).