Bereits aufgetretene und erwartete Klimaänderungen
Rheinland-Pfalz ist durch ein westeuropäisch-atlantisches Klima geprägt, das sich durch milde Winter, gemäßigte Sommer und hohe jährliche Niederschlagsmengen kennzeichnet. Aufgrund der Topografie treten innerhalb des Landes jedoch starke räumliche Unterschiede auf. Die wärmsten Regionen sind der Oberrheingraben, sowie die großen Flusstäler und Becken von Rhein und Mosel. In den wärmsten Regionen ist es im Jahresmittel um mehr als 4 °C wärmer als in den kältesten Regionen, welche sich in den Höhenlagen von Eifel, Westerwald und Hunsrück befinden. Im Zeitraum von 1881 bis 1910 betrug die Jahresmitteltemperatur 8,1 °C, in den zurückliegenden 30 Jahren 9,8 °C. Damit ist die Temperatur in Rheinland-Pfalz bereits um 1,7 °C angestiegen. Die Erwärmung ist in allen Naturräumen und Höhenlagen ähnlich stark. Die mittlere Anzahl der Sommertage (aktuell 44 Tage) und auch der heißen Tage (aktuell 11 Tage) ist stark ansteigend. Der Anteil der Frost- und Eistage ist landesweit rückläufig, allerdings mit großen Unterschieden von Jahr zu Jahr.
Seit Beginn der Messungen hat der Jahresniederschlag in Rheinland-Pfalz nur leicht zugenommen, von 739 mm in der Periode 1881 bis 1910 auf 782 mm in der Periode 1994 bis 2023. Es zeigt sich eine Abnahme der Sommerniederschläge und eine deutliche Zunahme der Winterniederschläge. Die Niederschläge in Herbst und Frühjahr nehmen leicht zu, ihr Anteil am Gesamtjahresniederschlag bleibt aber nahezu unverändert. Die Klimaveränderung ist bereits so deutlich, dass Auswirkungen auf die Natur zu erkennen sind. Die Wachstumsphasen werden immer länger und der Frühling beginnt deutlich früher. Das führt zu Veränderungen in der Pflanzenphänologie sowie Artenvielfalt und hat Konsequenzen für Land- und Forstwirtschaft. Auch werden die Auswirkungen von Extremereignissen, wie längeren Trockenphasen und häufigeren Starkregenereignissen immer deutlicher.
Länderspezifische Klimamodelle und Klimaprojektionen
Rheinland-Pfalz nutzt seit 2020 für die Analyse des zukünftigen Klimas ein Ensemble von dynamischen Klimaprojektionen. Das Ensemble ist mit dem Bund-Länder-Fachgespräch „Interpretation von Klimamodelldaten“ abgestimmt. Die Auswahl erfolgte mittels eines objektiven Audit-Verfahrens. Dieses prüft die Plausibilität der Klimaprojektionen in der Vergangenheit gegenüber einem Referenzdatensatz von Messdaten. Kriterien sind die Wiedergabe von Mittelwerten, Jahresgängen und räumlichen Mustern. Darüber hinaus finden im KLIWA-Projekt noch vier statistische Klimaprojektionen Anwendung. Für die Analyse der zukünftigen Entwicklung von Starkregenereignissen und der Regenerosivität stehen aktuell sechs hochauflösende, konvektionserlaubende Klimaprojektionen zur Verfügung.
Bereits beobachtete und erwartete Klimafolgen
Landwirtschaft und Weinbau: Verlängerte Vegetationsperiode, höhere Variabilität der Witterung (z. B. vermehrtes Auftreten von Hitzeschäden), Bedarf an winterfesten Arten geht zurück (reduzierte Frostgefahr, Abnahme der Frostresistenz), Ertragszunahme bei ausreichender Wasserversorgung, wachsender Beregnungsbedarf im Oberrheingebiet, steigender Befallsdruck durch Schaderreger und verstärktes Aufkommen von Schädlingen, neue Pflanzenkrankheiten und Schädlinge (Oberrheingraben als Einwanderungskorridor), Probleme durch Umverteilung niederschlagsreicher Phasen (Infektionsrisiko durch Pilze und Bakterien), Schäden durch Starkniederschläge, Qualität des Riesling, Trend zu Rotweinen/wärmeliebenden Rebsorten (auf Basis des Huglin-Index).
Wald und Forstwirtschaft: Veränderung der Wuchsdynamik und der Konkurrenzfähigkeit der Arten untereinander, Veränderung der Wuchszonen der Baumarten. In den Tieflagen (planar) können weniger trockenheitstolerante Baumarten aufgrund einer sich ändernden (negativen) Wasserbilanz an ihre Grenzen stoßen. Der Eignungsverlust von einigen Baumarten kann in kollinen Mittelgebirgen zu ökologischen Vorteilen für andere Baumarten führen, indem sich beispielsweise die Konkurrenzverhältnisse verschieben. Die Höhenlagen (submontan und montan) können aufgrund von Temperaturerhöhungen künftig günstigere Standorte für einzelne Baumarten werden. Der allgemein erkennbare Eignungsverlust der Baumarten kann die Vulnerabilität der Waldökosysteme gegenüber baumartenspezifischen Schädlingen oder weiteren Extremereignissen erhöhen (Sturmwurf, Windbruch, Hagel, Trockenperioden).
Wasserwirtschaft: Kleinere und mittlere Hochwasser haben in Rheinland-Pfalz in den letzten 80 Jahren an einer Mehrzahl der Pegel zugenommen, jedoch zum größten Teil nicht signifikant. In den letzten 15 Jahren haben sich die zunehmenden Trends abgeschwächt. Die Entwicklung von Niedrigwasserphasen zeigen keinen eindeutigen Trend, nachteilige Änderungen können aber in Verbindung mit Trockenperioden zu Problemen für eine Vielzahl an Akteuren führen z. B. für Binnenschifffahrt, Landwirtschaft, Energiewirtschaft und Trinkwasserversorgung. Auch ist dabei ein wachsender Beregnungsbedarf und eine Veränderung der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften im Wasser (Gewässerökologie) zu erwarten. Die Grundwasserstände und die Grundwasserneubildung haben in der letzten Dekade tendenziell abgenommen. Es gibt bisher keine signifikante Zunahme von Starkniederschlägen, wenngleich in den vergangenen Jahren einige besonders seltene Ereignisse stattfanden.
Boden: Bodenwasserhaushalt: Zunahme von Perioden mit geringem Wasservorrat im Boden während der Vegetationsperiode (Trockenstressrisiko steigt); besonders betroffen sind Böden mit einer geringen nutzbaren Feldkapazität und grundwasserferne Standorte. Bodenerosion (Regenerosivität): Mit einer Zunahme von Starkregenereignissen wird in Zukunft gerechnet. Die Gefahr für Bodenerosion steigt besonders für Standorte und Kulturen, die eine geringe Bodenbedeckung aufweisen. Saisonale Veränderungen der Niederschlagsmengen (Qualität und Quantität der Grundwasserneubildung, Auftreten von Zwischen- und Oberflächenabfluss). Bodenkohlenstoff: Der Gehalt an organischem Kohlenstoff ist stark standortsabhängig. Ein eindeutiger Trend lässt sich zur Zu- oder Abnahme lässt sich bisher nicht erkennen.
Gesundheit: Eine zunehmende Häufigkeit, Intensität und Länge von Hitzewellen, sowie die Zunahme von Tropennächten führt insbesondere im Oberrheingraben zu einer hohen gesundheitlichen Belastung. Durch neu eingewanderte bzw. verstärkte Vermehrung von Vektoren (vor allem Zecken und Stechmücken) steigt die Gefahr der Übertragung von Krankheiten. Durch einen früheren Frühlingsbeginn hat sich die Pollenflugzeit verlängert. Die Ausbreitung von invasiven Arten, wie der Beifuß-Ambrosie, führt zu weiteren Belastungen. Die lufthygienische Belastung verstärkt sich durch Ozon (Veränderung des Strahlungshaushalts in Kombination mit der Erwärmung) und Feinstaub (Zunahme der Länge von Trockenperioden).
Natur- und Artenschutz: Zunehmende Trockenheit führt zu Bestandsrückgängen der Tier- und Pflanzenarten in Mooren, Sümpfen und Quellgebieten. Weiterhin verändert sich das Artenspektrum durch Wanderbewegungen (Zu- und Abwanderung) und Arealverschiebungen. In den Flusstälern von Rhein, Mosel und Nahe werden künftig mehr Arten als heute erwartet – als Einwanderungswege für mediterrane Arten, die ihre Verbreitungsgrenze nach Norden verschieben, sind sie wichtige Biodiversitätszentren.
Tourismus: Durch die zunehmend milden Winter und einem deutlichen Rückgang der Schneedeckentage verliert der Wintersporttourismus an Bedeutung. Dagegen steht für Frühjahrs- und Herbst-Aktivitäten, Wanderurlaube (Mandelblüte, Weinlese etc.), Badezeit eine längere Saison zur Verfügung. Die zunehmende Häufigkeit, Intensität und Länge von Hitzewellen kann sich in den besonders belasteten Gebieten des Oberrheingrabens negativ auf die Sommeraktivitäten auswirken. Eine zunehmende Belastung von Badegewässern durch Blaualgen ist möglich.
Schifffahrt: Sommer: häufigere und längere Niedrigwasserperioden (Verminderung des Tiefganges / Frachtreduzierung), Winter: Schifffahrtsbeschränkungen durch Hochwasser möglich.
Energiewirtschaft: Kühlwasserprobleme im Sommer aufgrund eines geringeren Wasserdargebots bzw. wegen reglementierter Einleittemperaturen möglich. Eine Spitzenlast durch Kühlanlagen herrscht während Hitzeperioden. In milden Wintern besteht weniger Energiebedarf.
Finanzwirtschaft: Die zunehmende Gefährdung durch Extremereignisse (Hagel, Starkregen, Hitze und Trockenheit) verlangt vorsorgende Maßnahmen zum Schutz privaten und öffentlichen Eigentums. Neben baulicher und struktureller Maßnahmen gewinnen Versicherungen zunehmend an Bedeutung (z. B. erweiterte Elementarschadenversicherung).
Räumliche Planung: Kommunale Anpassung an den Klimawandel wird dringlicher hinsichtlich Schutz vor Hochwasser und Starkregen, Sicherung der Grundwasserspeicher und Trinkwasserversorgung, Schutz vor Hitze an Arbeits- und Wohnorten sowie öffentlichen Plätzen, Erhalt der biologischen Vielfalt und Schutz vor gesundheitsgefährdenden Tier- und Pflanzenarten.
Wichtige Studien und Projekte
Erkenntnisse zu bereits beobachteten und erwarteten Klimafolgen in Rheinland-Pfalz liegen aus folgenden Quellen vor:
- Projekt "KLIWA – Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft" (1999 – heute): Ziel dieser länder- und fachübergreifenden Zusammenarbeit ist es, mögliche Auswirkungen der Klimaveränderung auf den Wasserhaushalt und die Ökologie der Flussgebiete im Süden Deutschlands herauszuarbeiten, Konsequenzen aufzuzeigen, eine Basis für Handlungsempfehlungen zu schaffen und diese zu bewerten.
- Projekt "KlimaWandelAnpassungsCOACHRLP" (04.2018 bis 03.2021): Kommunen wurden über die Anpassung an die Folgen des Klimawandels beraten, auf ihrem Weg zur Anpassung begleitet und bei der Integration des Themas in Verwaltungsabläufe unterstützt.
- Projekt "KlimLandRP – Klima- und Landschaftswandel in Rheinland-Pfalz" (04.2008 bis 09.2011): Das Forschungsprojekt untersuchte Auswirkungen auf Natur und Umwelt – einschließlich möglicher Risiken und Chancen und entwickelte daraus wissenschaftlich fundierte Anpassungsoptionen.
- Projekt "Klimawandel in der Praxis (KLIMPRAX – Stadtklima)" (2016 bis 2019): Mit den Modellkommunen Wiesbaden und Mainz wurden Lösungsvorschlägen und Vorgehensweisen erarbeitet, um den temperaturbedingten Veränderungen des Klimas und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in der Stadt Rechnung tragen zu können.
- Projekt "Erforschung der möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf den Zuckerrübenanbau in Rheinland-Pfalz": Ziel war die Untersuchung der vergangenen und möglichen zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels auf den regionalen Zuckerrübenanbau unter Zuhilfenahme von Wirk- und Klimamodellen.
Länderspezifische Wirkmodelle
In Rheinland-Pfalz wurden bisher folgende Wirkmodelle verwendet:
- LARSIM (Large Area Runoff Simulation Model) zur Modellierung des Wasserhaushalts
- WASIM-ETH (Wasserhaushalts-Simulations-Model ETH) zur Modellierung des Standortwasserhaushalts
- CoupModel (Coupled heat and mass transfer model for soil plant atmosphere systems) zur Modellierung des Standortwasserhaushalts
- GWN-BW (Grundwasserneubildung-BW) zur Simulation der Grundwasserneubildung und des Bodenwasserhaushalts
- STOFFBILANZ zur Simulation des Landschaftswasserhaushalts, Bodenerosion, Nitrat
- BALANCE zur Waldwachstumssimulation
- SILVA zur Waldwachstumssimulation
- BIOKLIMAHÜLLEN zur Modellierung der bioklimatischen Nische der Baumarten
- KLIMAEIGNUNGSMATRIX zur Modellierung der klimatischen/wirtschaftlichen Eignung der Baumarten
- ABAG (Allgemeine Bodenabtragsgleichung) zur Simulation der Bodenerosion
- LISEM (Limburg Soil ErosionModel) zur Simulation der Bodenerosion
- ÖKOLOGISCHE-NISCHEN-MODELLE zur Simulation der ökologischen Nische ausgewählter Arten