Schadstoffkonzentrationen in Organismen der Ostsee
In die Küstengewässer der Ostsee über Luft oder Flüsse eingetragene Schadstoffe reichern sich in Meeresorganismen an. Die Maßnahmen, um diese Schadstofffrachten zu senken, führten bislang nur in einigen Fällen zur Abnahme der Belastung von Miesmuscheln, Aalmuttern und Silbermöweneiern mit organischen und anorganischen Schadstoffen.
Deutschland untersucht mit der Umweltprobenbank des Bundes (UPB) seit Anfang der 1990er Jahre regelmäßig Schadstoffgehalte in Meerestieren und-pflanzen aus dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft (siehe Karte „Probenahmegebiet Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft“).
Die Umweltprobenbank
Unter der Leitung des Umweltbundesamtes sammeln Umweltexperten systematisch Proben für die Umweltprobenbank (UPB). Dazu werden seit Anfang der 1990er Jahre Eier von Silbermöwen (Larus argentatus) auf der Insel Heuwiese und Miesmuscheln (Mytilus edulis) und Aalmuttern (Zoarces viviparus) in der Ostsee vor Darßer Ort gesammelt, charakterisiert, aufgearbeitet und bei minus 150 Grad Celsius (°C) gelagert. Regelmäßig werden dabei die Konzentrationen von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), chlorierten Kohlenwasserstoffen und teilweise auch von Methylquecksilber bestimmt. Dazu kommen die Metalle Blei, Cadmium, Kupfer und Quecksilber sowie die beiden Elemente Arsen und Selen. Zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen zählen Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Vertreter der Gruppe der polychlorierten Biphenyle (PCB) und Hexachlorcyclohexan (HCH).
Mit Hilfe der archivierten Proben lassen sich auch rückblickend Stoffe untersuchen, die zum Zeitpunkt der Probenahme noch unbekannt waren, nicht analytisch bestimmt werden konnten oder für ungefährlich gehalten wurden. Jedoch liegen nicht immer für alle Jahre Proben und Auswertungen vor.
Die Helsinki-Kommission (HELCOM), in der die Anrainerstaaten der Ostsee gemeinsam für den Schutz der Ostsee arbeiten, hat im Juni 2016 Obergrenzen für eine Reihe von Stoffen veröffentlicht, die zur Erlangung eines guten Umweltzustandes nicht überschritten werden sollten.
In küstennahen Gewässern darf ein Gramm (g) Miesmuschelfleisch (Trockengewicht) bis zu 1,3 Mikrogramm (µg) Blei und bis zu 0,96 µg Cadmium enthalten (HELCOM, 2016).
Ein Gramm frisches Muschelfleisch darf danach bis zu 0,5 µg Quecksilber, 1,5 µg Blei und 1 µg Cadmium enthalten.
Die EU hat zudem im Jahr 2013 mit der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN) auch eine verbindliche Höchstgrenze für Quecksilber in Fischen erlassen: Danach darf ein Gramm (g) Fischfleisch nicht mehr als 20 Nanogramm (ng) Quecksilber enthalten.
Schwermetalle in Miesmuscheln und Aalmuttern
Die Schwermetallbelastung von Fischen und Muscheln aus der Ostsee vor Darßer Ort hat im Beobachtungszeitraum abgenommen. Teilweise liegen die Konzentrationen aber noch über den Grenzwerten. Einige Beispiele:
Miesmuscheln von der Ostseeküste vor Darßer Ort haben auch 2018 noch Cadmiumgehalte, die leicht über dem HELCOM Grenzwert von 0,96 Mikrogramm pro Gramm (µg/g) Trockenmasse liegen. Seit 1992 ist die Belastung aber um mehr als 60 % gesunken (siehe Abb. „Cadmium in Miesmuscheln“).
Die Bleigehalte von Miesmuschel von Darßer Ort haben seit 1992 um die Hälfte abgenommen (siehe Abb. „Blei in Miesmuscheln“) und gelten heute als unbedenklich für den menschlichen Verzehr.
Auch für Quecksilber scheint sich eine leichte Verbesserung abzuzeichnen. Seit Anfang der 1990er Jahre hat die Quecksilberkonzentration in Muscheln um mehr als 30 % abgenommen. Bei Fischen sind die Quecksilbergehalte dagegen nicht zurückgegangen.
Im gesamten Beobachtungszeitraum 1994 bis 2019 lagen die Quecksilberkonzentrationen in der Muskulatur von Aalmuttern über der Europäische Union – Umweltqualitätsnorm (EU-UQN) von 20 Nanogramm (ng/g) (siehe Abb. „Quecksilber in Aalmuttermuskulatur“).
Die Quecksilbergehalte in Silbermöweneiern von der Ostseeinsel Heuwiese im Kubitzer Bodden sind deutlich höher als die von Aalmuttern und Miesmuscheln. Das liegt daran, dass sich Quecksilber in der Nahrungskette anreichert. Raubfische oder fischfressende Vögel sind daher stärker mit Quecksilber belastet. Die Quecksilbergehalte in Eiern von Silbermöwen aus dem Kubitzer Bodden zeigen im Untersuchungszeitraum starke Schwankungen. Zwischen 2001-2013 sind die Konzentrationen um mehr als 60 % gestiegen, während sich seitdem eine Abnahme verzeichnet (siehe Abb. „Quecksilber in Silbermöweneiern“).
Auch die Arsenbelastung der Möweneier ist im Zeitraum zwischen 2001-2013 gestiegen (+39 %) und zeigt seitdem ähnlich zu Quecksilber eine Abnahme im Untersuchungsgebiet (siehe Abb. „Arsen in Silbermöweneiern“). Im Gegensatz dazu zeigen Arsengehalte in Miesmuscheln seit der Jahrtausendwende eine kontinuierliche Zunahme um mehr als 70 % und in Aalmuttern um mehr als 30 %.
Im deutschen Ostseegebiet prägen vor allem diffuse Einträge aus der Landwirtschaft und punktförmige Einträge aus Altlastenquellen die Belastung durch organische Schadstoffe. Einige Beispiele:
Aalmuttern aus dem Probenahmegebiet bei Darßer Ort waren lange hoch mit dem Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und dessen Abbauprodukten kontaminiert. Auffällig war, dass neben den Abbauprodukten DDD und DDE auch vergleichsweise hohe Anteile der Ausgangsverbindung DDT nachgewiesen werden konnten (siehe Abb. „DDT und Metabolite in Aalmuttermuskulatur“). Das lässt vermuten, dass dieses Insektizid trotz Stoffverbot im Einzugsgebiet der Ostsee noch verwendet wurde. Die Belastungen sind seit Anfang der 1990er Jahre um mehr als 90 % zurückgegangen.
Auch die Konzentrationen des Insektizids Lindan (γ-HCH) und seiner Nebenprodukte α- und β-HCH in Aalmuttern sind seit Anfang der 1990er Jahre stark gesunken. Die hohen Anteile an α- und β-HCH deuten auf Reste einer produktionsbedingten Kontamination oder auf Altlasten hin, zum Beispiel aus der Region Bitterfeld, wo früher ein bedeutender Produktionsstandort von Lindan war. Lindan wird in der BRD seit 1984 und in der ehemaligen DDR seit 1989 nicht mehr hergestellt. Die landwirtschaftliche Anwendung ist seit 2002 europaweit verboten. Entsprechend ist die Umweltbelastung zurückgegangen: Die Gehalte an α und γ-HCH sanken in den Aalmutter-Proben der Ostsee zwischen 1994 und 2017 um mehr als 100 %, die β-HCH-Gehalte um mehr als 90 % (siehe Abb. „Hexachlorcyclohexan (HCH) in Aalmuttermuskulatur“).
Diese Ergebnisse zeigen anschaulich die frühere Bedeutung der Agrarchemikalien DDT und Lindan im Bereich der ehemaligen DDR und Polens.
Seit Anfang der 1980er Jahre ist bekannt, dass organische Zinnverbindungen die Fortpflanzungsfähigkeit von Schnecken und Austern beeinträchtigen. Seit 1989 ist Tributylzinn (TBT) daher in Deutschland in Antifoulinganstrichen von Schiffen unter einer Länge von 25 m verboten. 1990 folgte das entsprechende europaweite Verbot, das 2003 auf Organozinnverbindungen in Antifouling-Anstrichen für alle Schiffstypen ausgedehnt wurde.
In den 1990er Jahre war allerdings noch keine ausreichend empfindliche analytische Methode verfügbar, um TBT in Organismen zu bestimmen.
Mit Hilfe von archivierten Miesmuschelproben aus der Umweltprobenbank konnte gezeigt werden, dass die TBT -Konzentrationen in Miesmuscheln von Darßer Ort bis zur Jahrtausendwende weit oberhalb des Grenzwertes von zwölf Nanogramm pro Gramm Trockengewicht lagen, den die HELCOM für TBT empfiehlt. Da in Meeresregionen hauptsächlich große Schiffe verkehren, zeigten die seit 1989/1990 geltenden Verbote von TBT für kleinere Schiffe offenbar keine Wirkung. Erst nachdem 2003 das generelle Verbot von Organozinnverbindungen in Kraft trat, nahmen die TBT-Gehalte in Miesmuscheln deutlich ab und liegen seit 2011 unterhalb des Grenzwertes (siehe Abb. „Tributylzinn in Miesmuscheln“).
Prioritäre gefährliche Stoffe in Aalmuttern
Prioritäre gefährliche Stoffe stellen ein erhebliches Risiko für die aquatische Umwelt darstellen. Für neun dieser Stoffe, die sich stark in Organismen anreichern, hat die Europäische Union Umweltqualitätsnormen (UQN) für Fische abgeleitet (EU Richtlinie 2013/39/EU), die nicht überschritten werden sollen um fischfressende Räuber und den Menschen nicht zu gefährden. Dazu gehören Dioxine und dioxinähnliche Stoffe, Quecksilber, die bromierten Flammschutzmittel PBDE und HBCDD, die Pflanzenschutzmittel Dicofol, HCB, HCBD und Heptachlor und Heptachlorepoxid und das perfluorierte Tensid PFOS, das unter anderem im Gewebeschutz eingesetzt wird.
Aalmuttern von der Ostsee vor Darßer Ort sind meist nur gering mit den prioritären gefährlichen Stoffen belastet. Im Jahr 2017 lagen die Muskelkonzentrationen der meisten Stoffe unterhalb der jeweiligen UQN (siehe Abb. „Dioxine und dioxinähnliche Stoffe in Aalmuttermuskulatur, Abb. „Perfluoroctansulfonat (PFOS) in Aalmuttermuskulatur“ und Abb. „Hexabromcyclododecane (HBCDD) in Aalmuttermuskulatur“). Bei Heptachlor und seinem Abbauprodukt Heptachlorepoxid reicht allerdings die Genauigkeit der chemischen Analytik noch nicht aus, um eine Überschreitung der UQN nachzuweisen.
Nur für Quecksilber und PBDE sieht es anders aus. PBDE wurden bis in die 1990er Jahre in Flammschutzmitteln eingesetzt. Seit 2004 sind sie europaweit verboten. Obwohl die Belastung seitdem stark abgenommen hat, waren die Konzentrationen von Quecksilber in Aalmuttern aus der Ostsee auch im Jahr 2019 noch etwa 1,5 Mal höher als die UQN, während die Konzentrationen von PBDE 2017 noch etwa 3,5 Mal höher als die UQN lagen (siehe Abb. „Polybromierte Diphenylether (PBDE) in Aalmuttermuskulatur“).
Silbermöweneier von der Ostsee-Insel Heuwiese weisen hohe Gehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen Stoffen auf und überschritten den für Hühnereier geltenden Lebensmittelhöchstwert von sechs Piktogramm pro Gramm Fett um das 14 - 73-fache. Seit Anfang der 1990er Jahre ist die Belastung aber um mehr als 40 % gesunken. Ein Grund könnten Betriebsschließungen in der ehemaligen DDR nach 1989 sein (siehe Abb. „Dioxine und dioxinähnliche Stoffe in Silbermöweneiern“).
Auch die Konzentrationen von polybromierten Diphenylethern (PBDE) in Silbermöweneiern sind stark gesunken: seit 1994 um etwa 85 %. Das zeigt die Wirksamkeit von Regulierungsmaßnahmen: Seit den 1990er Jahren werden diese Flammschutzmittel in Deutschland nicht mehr produziert, seit 2003 gilt ein europaweites Verbot (siehe Abb. „Polybromierte Diphenylether (PBDE) in Silbermöweneiern“).
Dagegen sind die Konzentrationen von Perfluoroctansulfonat (PFOS) in Silbermöweneiern von Heuwiese bis Anfang des Jahrtausends zunächst gestiegen. Erst nachdem 2008 die europaweite Anwendungsbeschränkung für PFOS in Kraft getreten ist, hat die Ei-Belastung nachhaltig abgenommen (siehe Abb. „Perfluoroctansulfonat (PFOS) in Silbermöweneiern“).
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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