Schadstoffkonzentrationen in Organismen der Nordsee
In die Küstengewässer über Flüsse oder die Luft eingetragene Schadstoffe reichern sich in Meeresorganismen an. Die umfangreichen Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen führten aber bisher nicht immer zur Abnahme der Belastung von Miesmuscheln, Aalmuttern und Silbermöweneiern mit organischen und anorganischen Schadstoffen.
Deutschland untersucht mit der Umweltprobenbank des Bundes (UPB) seit dem Jahr 1986 regelmäßig Schadstoffgehalte in Meerestieren und –pflanzen. Die Proben nehmen Fachleute in den Wattenmeer-Nationalparks. Dort liegen die Probenahme-Gebiete Sylt-Römö-Watt und Meldorfer Bucht in Schleswig-Holstein sowie das Gebiet Jadebusen in Niedersachsen (siehe Karte „Probenahmegebiet Nationalparke/Biosphärenreservate Schleswig-Holsteinisches und Niedersächsisches Wattenmeer“).
Die Umweltprobenbank
Unter der Leitung des Umweltbundesamtes sammeln Umweltexperten systematisch Proben für die Umweltprobenbank (UPB). Dazu werden Blasentang (Fucus vesiculosus), Miesmuscheln (Mytilus edulis) Aalmuttern (Zoarces viviparus) und Eier von Silbermöwen (Larus argentatus) gesammelt, charakterisiert, aufgearbeitet und bei minus 150 Grad Celsius (°C) gelagert. Regelmäßig werden dabei die Konzentrationen von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), chlorierten Kohlenwasserstoffen und teilweise auch Methylquecksilber bestimmt. Dazu kommen die Metalle Blei, Cadmium, Kupfer und Quecksilber sowie die beiden Elemente Arsen und Selen. Zu den chlorierten Kohlenwasserstoffen zählen DDT, Vertreter der Gruppe der polychlorierten Biphenyle (PCB) und Hexachlorcyclohexan (HCH).
Mit Hilfe der archivierten Proben lassen sich auch rückblickend Stoffe untersuchen, die zum Zeitpunkt der Probenahme noch unbekannt waren, nicht analytisch bestimmt werden konnten oder für ungefährlich gehalten wurden. Jedoch liegen nicht immer für alle Jahre Proben und Auswertungen vor.
Die Anrainerstaaten der Nordsee haben sich im Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt für den gesamten Nordost-Atlantik (OSPAR Übereinkommen) darauf geeinigt, die Umweltkonzentrationen von gefährlichen Stoffen zu verringern, also von Stoffen, die toxisch und in der Umwelt persistent sind und die dazu neigen, sich in Organismen anzureichern. Langfristig sollen die Konzentrationen von künstlich hergestellten gefährlichen Stoffen gegen Null gehen. Für natürlich vorkommende gefährliche Stoffe wie beispielsweise die Schwermetalle Quecksilber, Cadmium und Blei werden Konzentrationsbereiche angestrebt, die nahe den natürlichen Hintergrundkonzentrationen liegen.
Die natürlichen Hintergrundkonzentrationen pro Gramm (g) Miesmuschelfleisch (Trockengewicht) liegen demnach für Blei bei 800 – 1.300 Nanogramm (ng), für Quecksilber bei 50 – 90 ng und für Cadmium bei 600 – 960 ng.
Für einige Schadstoffe wurden auch eigene OSPAR Qualitätsnormen (Environmental Assessment Criteria EAC) festgelegt – etwa für die Gruppe der polychlorierte Biphenyle (PCB). Es sind die in marinen Organismen der Nordsee am häufigsten gefundenen Schadstoffe. Für sieben einzelne PCB haben die Anrainerstaaten eine gemeinsame OSPAR Qualitätsnorm festgelegt:
Kein Gramm Fisch sollte mehr als ein bis zehn Nanogramm (ng) von diesen sieben PCB enthalten, kein Gramm Muschelfleisch (Trockengewicht) mehr als 50 ng.
Auch die Europäische Union (EU) ist aktiv. Sie hat zum Schutz der menschlichen Gesundheit Höchstgehalte von Schwermetallen in Lebensmitteln in der „Verordnung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln“ von 2006 und 2008 festgelegt.
Ein Gramm frisches Muschelfleisch darf danach bis zu 0,5 Mikrogramm (µg) Quecksilber, 1,5 µg Blei und ein Mikrogramm (µg) Cadmium enthalten.
Mit der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen (UQN) von 2013 hat die EU zudem eine verbindliche Höchstgrenze für Quecksilber in Fischen erlassen:
Danach darf ein Gramm Fischfleisch nicht mehr als 20 ng Quecksilber enthalten.
Tipps zum Weiterlesen: Agreement on CEMP Assessment Criteria for the QSR 2010 Agreement number: 2009-2
Schwermetalle in Miesmuscheln
Das für die Umweltprobenbank untersuchte Miesmuschelfleisch aus dem Jadebusen und dem Sylt-Römö-Watt enthielt in den Jahren 1988 bis 2018 stets deutlich weniger Blei, Cadmium und Quecksilber, als nach EU Vorgaben für Lebensmittel zulässig. Erfreulich ist zudem, dass die Schwermetallgehalte im gleichen Zeitraum meist langsam abnahmen.
Anfang der 1990er Jahre waren Miesmuscheln aus dem Jadebusen höher mit Blei, Cadmium und Quecksilber belastet als Miesmuscheln aus dem Sylt-Römö-Watt.
In den letzten zwanzig Jahren verringerten sich diese Unterschiede, da die Belastung der Muscheln aus dem Jadebusen stärker abnahm als die der Muscheln aus dem Sylt-Römö-Watt.
Die deutlichste Abnahme war für Blei festzustellen: Von 1985 bis 2018 sank der Bleigehalt in Miesmuscheln des Jadebusen um mehr als 30 %.
Für Quecksilber zeigt sich ein ähnliches Bild: im Miesmuschelfleisch aus dem Jadebusen sinkt die Belastung deutlich, im Sylt-Römö-Watt sind die Werte im selben Zeitraum nahezu konstant.
Die Cadmium- und Bleigehalte der Miesmuscheln von Eckwarderhörne liegen oftmals oberhalb, die von Königshafen weitgehend innerhalb des Hintergrundbereiches. Die Quecksilbergehalte in Miesmuscheln der beiden Probenahmeflächen haben sich seit den 1990er Jahren vermindert, liegen aber immer noch deutlich oberhalb der Hintergrundkonzentrationen (siehe Abb. „Blei in Miesmuscheln“, Abb. „Cadmium in Miesmuscheln“ und Abb. „Quecksilber in Miesmuscheln“).
Die Quecksilbergehalte im Muskelfleisch von Aalmuttern aus dem Jadebusen und der Meldorfer Bucht überschreiten die EU-Umweltqualitätsnorm (UQN) für Fische im gesamten Beobachtungszeitraum deutlich (siehe Abb. „Quecksilber in Aalmuttermuskulatur“).
Für Vogeleier hat die EU zwar keine UQN festgelegt. Wie hoch Silbermöweneier mit Quecksilber belastet sind, ist dennoch interessant: Diese Belastung spiegelt die lokale Schadstoffkontamination wider, da das Schwermetall während der Eibildung über die Nahrung aufgenommen wird.
Silbermöweneier auf der Insel Trischen im schleswig-holsteinischen Wattenmeer waren seit 1988 etwa zwanzig Jahre lang oftmals mehr als doppelt so stark mit Quecksilber belastet wie Eier von der Insel Mellum im niedersächsischen Wattenmeer (siehe Abb. „Quecksilber in Silbermöweneiern“).
Eine Erklärung könnte sein, dass die Elbe früher mehr Quecksilber in die Nordsee eingetragen hat als Jade und Weser. Demnach haben sich die Quecksilbergehalte in Möweneiern von Trischen zwischen den späten 1980er Jahren und der Jahrtausendwende deutlich verringert, weil die Belastung der Elbe durch Betriebsschließungen nach 1989 in Ostdeutschland abgenommen hat. In den letzten Jahren haben sich die Quecksilberwerte der Möweneier von Trischen weitgehend stabilisiert. Dagegen hat sich die Belastung der Möwen von Mellum zwischen 1986 und 2019 nicht wesentlich verändert. Die Quecksilbergehalte schwanken zwar zwischen den Jahren, es ist aber kein eindeutiger Trend zu erkennen.
Eier von Silbermöwen von der Insel Trischen waren bis Mitte der 1990er Jahre etwas stärker mit Arsen belastet als Möweneier von Mellum. Ein Grund könnten Einträge über die Elbe sein, die arsenkontaminierte Sedimente aus der Bergbauregion Erzgebirge und Belastungen aus den Industriebetrieben um den Hamburger Hafen mit sich trägt. Nach der Jahrtausendwende scheinen sich die Arsenkonzentrationen in Möweneiern beider Standorte anzugleichen. Auf Trischen schwanken die Konzentrationen zwischen den Jahren und sind besonders hoch in Jahren nach den Elbehochwassern (2002, 2006, 2013), wenn die Elbe viel kontaminiertes Sediment transportiert. Auf Mellum zeichnet sich dagegen eine Zunahme der Arsenbelastung ab: Allein zwischen 2005 und 2019 verdoppelten sich die Arsengehalte in Silbermöweneiern (siehe Abb. „Arsen in Silbermöweneiern“).
Organische Schadstoffe in Aalmuttern
Mit der Umweltprobenbank wird auch die räumliche und zeitliche Verteilung organischer Schadstoffe untersucht. Einige Ergebnisse aus der Untersuchung von Aalmuttern:
Der Gehalt an fünf polychlorierten Biphenylen (PCB) in Aalmuttern aus dem Jadebusen schwankte im Beobachtungszeitraum 1994 bis 2017, nimmt aber tendenziell ab. Die Abnahme zeigt sich stärker in der Meldorfer Bucht, in der mit Ausnahme von PCB153 eine mindestens 50%ige Abnahme zu beobachten war (siehe Abb. „PCB in Aalmuttermuskulatur“).
Aalmuttern aus der Meldorfer Bucht sind deutlich stärker mit dem Insektizid Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und seinen Abbauprodukten DDE und DDD belastet als Fische aus dem Jadebusen (siehe Abb. „DDT und Metabolite in Aalmuttermuskulatur“). Die Meldorfer Bucht liegt im Einflussbereich der Elbe, die noch Altlasten aus der ehemaligen DDR mit sich trägt. Denn während DDT in der BRD bereits 1972 verboten wurde, wurde es in der DDR bis 1984 intensiv genutzt. Seit Anfang der 1990er Jahre hat die DDD Belastung von Fischen an beiden Nordsee-Standorten um mehr als 60 % abgenommen.
Auch das Insektizid Lindan (γ-HCH) wurde in der DDR länger verwendet: erst 1990 wurde es verboten, in der BRD dagegen schon 1977. Dies und die Produktion von Lindan in Bitterfeld nahe der Elbe haben ihre Spuren hinterlassen. Noch heute sind Aalmuttern aus der Meldorfer Bucht stärker belastet als Fische aus dem Jadebusen. Besonders die Konzentrationen der Lindan-Nebenprodukte α- und β-HCH sind um ein Vielfaches höher. An beiden Standorten hat die Belastung seit Anfang der 1990er Jahre um mehr als 95 % abgenommen (siehe Abb. “Hexachlorcyclohexan (HCH) in Aalmuttermuskulatur“).
Organische Zinnverbindungen beeinträchtigen die Fortpflanzungsfähigkeit von Schnecken und Austern. Seit 1989 ist Tributylzinn (TBT) daher in Deutschland in Antifouling-Anstrichen von Schiffen unter einer Länge von 25 m verboten. 1990 folgte das europaweite Verbot, das 2003 auf Organozinnverbindungen in Antifouling-Anstrichen für alle Schiffstypen ausgedehnt wurde.
Mit Hilfe archivierter Aalmutter- und Miesmuschelproben aus der Umweltprobenbank konnte gezeigt werden, dass die TBT Belastung zwischen Mitte der 1980er und Ende der 1990er Jahre relativ konstant waren. Da in Meeresregionen hauptsächlich große Schiffe verkehren, zeigten die seit 1989/1990 geltenden Verbote von TBT für kleinere Schiffe offenbar keine Wirkung. Erst nachdem 2003 das generelle Verbot von Organozinnverbindungen in Kraft trat, nahmen die TBT-Gehalte in Miesmuscheln und Aalmuttern deutlich ab (siehe Abb. „Tributylzinn in Miesmuscheln“).
Die OSPAR Kommission hat eine Qualitätsnorm für TBT in Miesmuscheln von zwölf Mikrogramm pro Kilogramm Trockengewicht (µg/kg TG) festgelegt. Zwischen 1986 und 2006 überstiegen die TBT-Gehalte in Miesmuscheln beider Probenahmeflächen diesen Indikatorwert um ein Vielfaches. Seitdem ist die Belastung der Muscheln stark gesunken und liegt seit 2008/2009 unterhalb der Qualitätsnorm.
Prioritäre gefährliche Stoffe in Aalmuttern
Prioritäre gefährliche Stoffe stellen ein erhebliches Risiko für die aquatische Umwelt dar. Für neun dieser Stoffe, die sich stark in Organismen anreichern, hat die Europäische Union Umweltqualitätsnormen (UQN) für Fische abgeleitet (EU Richtlinie 2013/39/EU), die nicht überschritten werden sollen um fischfressende Räuber und den Menschen nicht zu gefährden. Dazu gehören Dioxine und dioxinähnliche Stoffe, Quecksilber, die bromierten Flammschutzmittel Polybromierte Diphenylether (PBDE) und Hexabromcyclododekane (HBCDD), die Pflanzenschutzmittel Dicofol, Hexachlorbenzol (HCB), Hexachlorbutadiol (HCBD) und Heptachlor und Heptachlorepoxid und das perfluorierte Tensid Perfluoroktansulfat (PFOS), das unter anderem im Gewebeschutz eingesetzt wird.
Aalmuttern von beiden Nordsee Probenahmeflächen sind meist nur gering mit diesen Stoffen belasten. Im Jahr 2015 lagen die Muskelkonzentrationen der meisten Stoffe unterhalb der jeweiligen UQN (siehe Abb. „Dioxine und dioxinähnliche Stoffe in Aalmuttermuskulatur“, Abb. „Perfluoroctansulfonat (PFOS) in Aalmuttermuskulatur“ und Abb. „Hexabromcyclododecane (HBCDD) in Aalmuttermuskulatur“). Bei Heptachlor und seinem Abbauprodukt Heptachlorepoxid reicht allerdings die Genauigkeit der chemischen Analytik noch nicht aus, um eine Überschreitung der UQN nachzuweisen.
Nur für Quecksilber und PBDE sieht es anders aus. PBDE wurden bis in die 1990er Jahre als Flammschutzmittel eingesetzt. Seit 2004 sind sie europaweit verboten. Obwohl die Konzentrationen in Fischen seitdem stark abgenommen haben, waren die Konzentrationen in Aalmuttermuskulatur im Jahr 2017 an beiden Nordsee-Standorten noch deutlich höher als die UQN (siehe Abb. „Polybromierte Diphenylether (PBDE) in Aalmuttermuskulatur“).
Silbermöweneier von der Nordsee weisen hohe Gehalte an Dioxinen und dioxinähnlichen Stoffen auf und überschritten den für Hühnereier geltenden Lebensmittelhöchstwert von sechs Piktogramm pro Gramm Fett um das 5 bis 130-fache. Eier von der schleswig-holsteinischen Insel Trischen waren bis Anfang des Jahrtausends deutlich stärker belastet als Eier von der niedersächsischen Insel Mellum. Grund hierfür könnten Einträge aus der Elbe sein, sowohl von den Industrien der ehemaligen DDR als auch aus dem Hamburger Raum. Der starke Belastungsrückgang zwischen den späten 1980erJahren und der Jahrtausendwende könnte demnach mit Betriebsschließungen nach 1989 in Ostdeutschland zusammenhängen (siehe Abb. „Dioxine und dioxinähnliche Stoffe in Silbermöweneiern“).
Auch die Konzentrationen von polybromierten Diphenylethern in Silbermöweneiern sind in den letzten Jahren stark gesunken: seit 1995 um knapp 80 % auf Mellum und haben sich auf Trischen mehr als halbiert (siehe Abb. „Polybromierte Diphenylether (PBDE) in Silbermöweneiern“). Das zeigt die Wirksamkeit von Regulierungsmaßnahmen: Seit den 1990er Jahren werden diese Flammschutzmittel in Deutschland nicht mehr produziert, seit 2003 gilt ein europaweites Verbot.
Die Belastung von Silbermöweneiern beider Nordsee-Standorte mit Perfluoroctansulfonat (PFOS), das unter anderem für Imprägnierungen entwickelt wurde, hat seit Anfang des Jahrtausends stark abgenommen (siehe Abb. „Perfluoroctansulfonat (PFOS) in Silbermöweneiern“). Grund hierfür dürften der freiwillige Verzicht auf PFOS im Jahr 2001 und die seit 2006 geltende europaweite Anwendungsbeschränkung sein, der zufolge PFOS nur noch in wenigen industrielle Anwendungen erlaubt ist (beispielsweise in photographischen Beschichtungen, Metallbeschichtungen und Löschschäumen, die bereits auf dem Markt sind). Allerdings steigt die Belastung der Möweneier mit Ersatzstoffen wie der ebenfalls kritisch diskutierten Perfluordecansäure (PFDA) stark an: Seit Ende der 1980 Jahre um mehr als 450 % auf Mellum und mehr als 200 % auf Trischen (siehe Abb. „Perfluordecansäure (PFDA) in Silbermöweneiern in Silbermöweneiern“).
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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