Nationaler Dialog: Gemeinsam sind wir klimaresilient

Blick ins Forum des Umweltbundesamt auf den Anmeldetisch. Personen befinden sich hinter und vor dem Anmeldebereich. Im Vordergrund steht ein Roll up beschriftet mit den Umweltrisiken und Chancen.zum Vergrößern anklicken
Nationaler Dialog: Gemeinsam sind wir klimaresilient–Wie Beteiligung in Städten und Regionen gelingt
Quelle: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)

Was sind Erfolgsfaktoren in Beteiligungsverfahren zur Klimaanpassung? Wie können Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen, Unternehmen und die Bevölkerung aktiviert werden, um Städte und Regionen klimaresilient zu gestalten? Welche Unterstützung benötigen lokale Akteure vom Bund? Dies wurde auf dem Dialog „Gemeinsam sind wir klimaresilient – Wie Beteiligung in Städten und Regionen gelingt" diskutiert.

Was sind Erfolgsfaktoren in Beteiligungsverfahren zur Klimawandelanpassung? Wie können Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen, Unternehmen und die Bevölkerung aktiviert werden, um Städte und Regionen klimaresilient zu gestalten? Welche Unterstützung benötigen Kommunen und die Zivilgesellschaft vom Bund, um Beteiligung und klimaresilientes Handeln zu stärken? Wie kann der Beteiligungsprozess zur Deutschen ⁠Anpassungsstrategie⁠ weiterentwickelt werden? Diese und weitere Fragen diskutierte das Kompetenzzentrum ⁠Klimafolgen⁠ und Anpassung (⁠KomPass⁠) im Nationalen Dialog „Gemeinsam sind wir klimaresilient – Wie Beteiligung in Städten und Regionen gelingt“ am 27. und 28. Juni 2017 in Dessau-Roßlau mit 90 Teilnehmenden aus Verwaltungen des Bundes, der Länder und Kommunen, der Wissenschaft, Beratung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

 

Klimaresilienz: ein Mix aus Robustheit und Lernfähigkeit
Klimaresilienz hat eine doppelte Bedeutung: Städte und Regionen sind robust gegenüber Klimafolgen, wie ⁠Starkregen⁠ und Hitzeperioden und sie sind lernfähig, um sich an ändernde Bedingungen anzupassen. Die Fähigkeit sich zu verändern ist an handelnde Akteure geknüpft, an ihren Willen über Klimafolgen zu lernen, ihre Flexibilität, ihre Bereitschaft bei der Klimaanpassung zu kooperieren und vieles mehr. Hier setzen Beteiligungsprozesse an. Sie können das lokale historische und kulturelle Wissen nutzbar machen, um Anpassungsmaßnahmen direkt vor Ort zu erdenken, sich über gesellschaftliche Ziele auszutauschen oder Konflikte aufzudecken und zur Lösung beizutragen. Gerade Beteiligungsprozesse bieten die Gelegenheit, gemeinsam auch über tiefgreifende Änderungen nachzudenken, die gegebenenfalls notwendig werden, wenn Klimaänderungen stärker ausfallen als bisher angenommen. Damit können Beteiligungsprozesse zur Transformation beitragen, denn sie bringen Menschen mit unterschiedlichen Werten, Erfahrungen und Interessen zusammen. Im Dialog wurden Beispiele vorgestellt, in denen durch eine solche Beteiligung gänzlich neue Ideen auf den Tisch kamen, die an bisherigen Werten und Normen rütteln und soziale oder Umweltbedingungen stark modifizieren können.

Der Dialog startete mit einer Interviewrunde, die betonte, dass zwischen ⁠Stakeholder⁠- und Bürgerbeteiligung unterschieden werden sollte. Der Bund beispielsweise beteiligte bei der Entwicklung der Deutschen Anpassungsstrategie vor allem Stakeholder. Beteiligung müsse als Kulturprozess verstanden werden, der meist in der Verwaltung anfange. Repräsentativität in Beteiligungsprozessen zu erreichen sei immer eine Herausforderung. Weil Klimafolgen und Klimaresilienz auf die Lebensqualität wirke, sei es jedoch grundsätzlich im Interesse aller. Durch stete Sensibilisierung könnten Akteure so auch zur Eigenvorsorge, etwa gegenüber Starkregen, motiviert werden.
Mit wissenschaftlichen Vorträgen reagierten Dr. Carolin Schröder (TU Berlin) und Dr. Torsten Grothmann (Universität Oldenburg) auf die Perspektiven der Praktikerinnen und Praktiker. Schröder berichtete über partizipative Verfahren für die gesellschaftliche Transformation. Beteiligung solle nicht nur dazu dienen, andere zu informieren oder Akzeptanz zu schaffen. Ziele von Beteiligung würden sich häufig an vier Demokratieverständnissen orientieren:

  • dem neoliberalen, in dem repräsentative Entscheidungen angestrebt werden
  • dem funktionalistischen, um Expertenrat einzuholen
  • dem deliberativen, um im Dialog insbesondere zu lernen
  • dem emanzipatorischen, um spezifische Gruppen zu befähigen.

Gute Partizipation setze an der Lebenswelt der Zielgruppen an, definiere Akteursstruktur, Entscheidungsspielraum und andere Rahmenbedingungen. Zur Wirkung von Beteiligungsprozessen gebe es allerdings keine systematische Evaluierung, so Schröder. Grothmann präsentierte Ergebnisse aus einer Studie, in der er 22 Beteiligungsprozesse zur Klimaanpassung in Deutschland untersuchte. Diese Beteiligung setzte vorrangig auf die - in beginnenden Prozessen wichtige - Wissensintegration, um Anpassungslösungen zu finden, und kaum auf die Aushandlung unterschiedlicher Interessen. Leider ziele die Partizipation bisher sehr selten auf die Entwicklung positiver Zukunftsvisionen für eine klimaresiliente Region sondern eher auf eine – negativ konnotierte – Risikominderung von Klimafolgen. Beteiligungslücken bestünden bei der Einbindung von kleinen und mittelständischen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie der Bevölkerung, die eher durch aufsuchende Formate erreicht werden könnten. Grothmanns Studie hat weiterhin gezeigt, dass die Beteiligungsmethoden bislang nicht systematisch evaluiert wurden und dass es auch keine Erkenntnisse darüber gibt, inwieweit sie in der Praxis zu Anpassungsaktivitäten motiviert haben.

Wie gelingt Beteiligung?
In vier Workshops wurde guten Praxisbeispielen einer gelingenden Beteiligung mit Blick auf unterschiedliche Zielstellungen nachgegangen: 1) Anpassungsstrategien zu entwickeln und abzustimmen, 2) Bürgerinnen und Bürger zu aktivieren, 3) lokale Initiativen und Eigenvorsorge zu stärken sowie 4) Konflikte durch Beteiligung zu lösen. Die Teilnehmenden erarbeiteten jeweils Herausforderungen, Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen. Hierbei zeigte sich, dass die Zielstellungen von Beteiligung immer wieder ineinander greifend diskutiert wurden und in der Beteiligungspraxis weniger individuell interpretiert werden. Schlussendlich kann Beteiligung dann gelingen,

  • wenn Ziele, Methoden und Teilnehmende bewusst, konsistent und frühzeitig ausgewählt werden,
  • wenn Vertrauen in Organisatoren und Moderation besteht,
  • wenn Prozessverlauf, Einflussmöglichkeiten und Mehrwert von Beginn an für Teilnehmende klar sind,
  • wenn Klimawissen in einfacher Sprache kommuniziert wird,
  • wenn Anliegen der Teilnehmenden offen aufgenommen werden und sich auch im Ergebnis widerspiegeln,
  • wenn ausreichend Ressourcen verfügbar sind und
  • wenn der Beteiligungsprozess sowie seine Ergebnisse transparent dokumentiert werden.

Die Ausstellung der Workshopergebnisse durch die Teilnehmenden wurde durch ein Expertenteam ganz bewusst nicht nur rapportiert, sondern vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen reflektiert. Diese neue Methode setzte deren „beobachtende Teilnahme“ an den Workshops voraus. Die Reflexionen empfahl eine Beteiligungskultur auszuprägen, die Mindeststandards für Partizipationsverfahren definiert, das Verwaltungshandeln und Gestaltungsspielräume für Akteure allgemein verständlich kommuniziert sowie lokalen Initiativen eigene Verantwortlichkeiten und Ressourcen einräumt und deren Arbeit wertschätzt. 

Fischsuppe mit einem Schuss Weißwein
In der abschließenden Fishbowl-Diskussion konnten die Teilnehmenden ihre Positionen erneut einbringen, so dass ein intensiver, spannender Dialog entstand. Kontrovers diskutiert wurde, ob und inwieweit der Bund bei der Fortschreibung der Deutschen Anpassungsstrategie (⁠DAS⁠) und des Aktionsplans Anpassung (⁠APA⁠) Bürgerinnen und Bürger umfassend beteiligen oder weiterhin eher auf Stakeholderbeteiligung fokussieren sollte. Für Ersteres spräche, dass Bürgerinnen und Bürger z.B. über IT-gestützte Methoden der E-Partizipation gut erreichbar wären, für Zweites der geringere Ressourcenaufwand im Vergleich zur Bürgerbeteiligung. Zudem erscheine es schwierig, eine vorab nicht überschaubare potenzielle Anzahl von Bürgerbeiträgen transparent einzuarbeiten, weil DAS und APA ohnehin in einem komplexen verwaltungsinternen Verfahren ressortübergreifend entwickelt und abgestimmt werden. Überlegenswert erscheinen Vorschläge, zum einen ausgewählte Teilthemen der Klimaanpassung auf der Bundesebene mit geeigneten Methoden für die Bürgerbeteiligung zu öffnen und zum anderen kommunale Klimaschutzmanager und Klimaanpassungsbeauftragte systematisch einzubeziehen, um DAS und APA fortzuschreiben.

Aus Sicht der Beteiligungspraxis wurde angemerkt, dass der wissenschaftlich artikulierte hohe Anspruch an Demokratieverständnis und Partizipation nicht vollumfänglich mit den Kapazitäten und Qualifikationen des Verwaltungspersonals bedient werden könne. Man solle nicht wegen dieses Anspruchs zurückschrecken, sondern auch ausprobieren und gegebenenfalls Frustration aushalten. Unstrittig sei dennoch, Beteiligungsprozesse transparent, mit Gestaltungsspielraum und angebunden an politische Prozesse aufzusetzen. Bund und Länder könnten Kommunen und die Zivilgesellschaft mit Informationsdiensten, Leitfäden und Tools - wie Klimalotse und Tatenbank - darin unterstützen, für die Folgen des Klimawandels zu sensibilisieren und Anpassungsoptionen aufzuzeigen. Eine Sammlung vorbildlicher Beispiele von Beteiligungsprozessen zur Klimaanpassung würde diese Angebote gut ergänzen; die Website des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement könne Orientierung liefern. Hilfreich sei zudem eine flexible Förderung und Verzahnung von Förderinstrumenten, damit Experimentierräume für Partizipation ermöglicht und anschließend auch die Umsetzung der Beteiligungsergebnisse finanziell unterstützt werden könne. Um Beteiligungsformate durchzuführen und insbesondere aufkommende Konflikte zu lösen, würden Akteure der lokalen Ebene gern zeitnah auf geschulte Moderatoren zurückgreifen. Einige Länder hätten bereits Moderatorenpools eingerichtet, andere Länder und der Bund sollten entsprechende Angebote ausbauen.
Wiederholt appellierten Teilnehmende an Verwaltungen auch loszulassen, Macht zu teilen und Teilhabe anderer Akteure zuzulassen. Sich Klimafolgen zu stellen und Lebensqualität zu erhalten, habe ein hohes Mobilisierungspotenzial, weshalb soziale Netzwerke noch stärker adressiert werden sollten. Engagement der Zivilgesellschaft hänge häufig nur von der Bereitstellung lediglich geringer Ressourcen, wie eines Raumes, ab.

Fazit
Die Diskussion über Beteiligung brachte diverse Meinungen zusammen, zeigte vielschichtige Sichten und schuf eine kreative ⁠Atmosphäre⁠, die durch das innovative Format des Dialogs unterstützt wurde. Die Teilnehmenden bestätigten die These, dass klimaresiliente Städte und Regionen nicht ohne die Aktivierung, Beteiligung und das Engagement von Verbänden, Vereinen, Bürgerinitiativen, Unternehmen und der Bevölkerung geschaffen werden können. Gleichzeitig gilt es weiterzudenken, wie strategische und operative Klimaanpassung besser zu verknüpfen sind. Akteure der lokalen und regionalen Ebene agieren hierbei aus der klaren Überzeugung, dass Klimaresilienz und Transformation die zukünftige Entwicklung und Lebensqualität bestimmen werden.

Weitere Information zum Nationalen Dialog finden Sie hier. Eine umfangreiche Dokumentation folgt.

Autoren: Sebastian Ebert, Petra Mahrenholz (⁠UBA⁠, KomPass)