Die Prüfung der Umweltwirkung von Human- und Tierarzneimitteln ist seit Jahren fester Bestandteil des Zulassungsverfahrens. Sie ist in Deutschland seit 1998 gesetzlich vorgeschrieben. Zuständig für die Umweltrisikobewertung ist das Umweltbundesamt.
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Ablauf einer Umweltrisikobewertung für Humanarzneimittel
Unternehmen, die Humanarzneimittel herstellen, müssen eine Umweltrisikobewertung vornehmen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung müssen sie auch ein sogenanntes ERA (Environmental Risk Assessment) vorlegen. Die Anforderungen an das ERA sind in einem Leitfaden der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA formuliert. Dieser wurde vom Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) im Juni 2006 verabschiedet und trat am 1. Dezember 2006 in Kraft. Der Leitfaden:
legt fest, welche Arzneimittel überhaupt einer Umweltrisikoprüfung unterzogen werden müssen: Pflanzliche Stoffe, Vitamine und Aminosäuren sind beispielsweise ausgenommen.
beschreibt die Prüfstrategie und den Prüfumfang.
gibt die konkreten Datenanforderungen für Umweltexposition, Verbleib und Verhalten des Wirkstoffes in der Umwelt sowie zu dessen Ökotoxizität vor.
Grundsätzlich wird die aktive Substanz, also der Wirkstoff, bewertet. Die Prüfung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Dieses ist in der Abbildung schematisch dargestellt.
Stufe eins: Grobe Expositionsbetrachtung und PBT-Assessment
Ziel der ersten Stufe ist es, zunächst die mengenmäßig relevanten Arzneimittel herauszufiltern und unproblematische Stoffe von einer vertieften Umweltbewertung auszuschließen. Dazu wird in einem "Worst-case-Szenario" die zu erwartende Konzentration des Arzneimittel-Wirkstoffs in der Umwelt, die PEC (Predicted Environmental Concentration), berechnet. In diese Berechnung gehen die maximale Tagesdosis, ein festgelegter Marktdurchdringungsfaktor von einem Prozent, der tägliche Wasserverbrauch einer Person sowie ein Faktor für die Verdünnung des Kläranlagenablaufs in das Oberflächengewässer ein. Eine Metabolisierung des Wirkstoffs im Menschen sowie der Abbau in der Kläranlage werden noch nicht berücksichtigt. Erst wenn nach Verwendung der oben beschriebenen Formel ein sogenannter "Triggerwert" von 0.01 Mikrogramm pro Liter überschritten wird, müssen in einer zweiten Stufe umfangreichere Daten eingereicht werden. Für Wirkstoffe, die schon im Niedrigdosisbereich wirken, wie hormonell wirksame Substanzen, gilt eine Ausnahmeregelung. Diese besagt, dass solche Stoffe unabhängig von ihrer Umweltexposition generell eine erweiterte Umweltbewertung durchlaufen müssen. Bei solchen Stoffen ist statt des Standardprüfprogramms nach Leitfaden ein maßgeschneidertes Prüfprogramm erforderlich. Bei Hormonen beinhaltet dies häufig eine Life-Cycle-Fischstudie.
Ein strengerer Maßstab wird bereits in Stufe 1 auch an hoch lipophile Wirkstoffe angelegt. Überschreitet der log Kow (Logarithmus des n-Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten) einen Wert von 4,5, muss der Antragsteller die Persistenz, das Bioakkumulationspotenzial und die Toxizität des Wirkstoffs prüfen. Dieses sogenannte PBT-Assessment ist in einem Technischen Leitfaden der Europäischen Chemikalienagentur ECHA geregelt. Substanzen, die über alle drei Eigenschaften verfügen, gelten allgemein als hoch umweltgefährlich.
Stufe zwei: Vertiefte Umweltprüfung
Ziel der zweiten Stufe ist es festzustellen, ob sich aus der Anwendung des beantragten Präparates ein Risiko für Gewässer und Böden ergibt. Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Daten und Studien wird die Abbaubarkeit des Wirkstoffes ermittelt. Sein Verlagerungsverhalten im Wasser/Sediment-System sowie seine Toxizität gegenüber Kläranlagenmikroorganismen und gegenüber aquatischen Stellvertreterorganismen werden bewertet. Diese Stellvertreterorganismen sind in der Regel Algen, Wasserflöhe und Fische, die in längerfristigen Studien getestet werden. Tests an terrestrischen Organismen sind nur vorzulegen, wenn der Wirkstoff die Neigung hat, stark an Klärschlamm zu binden und über Klärschlammausbringung auf landwirtschaftliche Böden gelangen könnte. Der in Stufe 1 sehr grob berechnete Eintrag in die Umwelt (PEC) wird in Stufe 2 auf Basis von Daten zu Metabolismus, Exkretion und Abbaubarkeit konkretisiert (PEC-refinement). Auch eine Abschätzung des Markterfolges kann in diese Verfeinerung eingehen. Diese nun realistischere Expositionsangabe wird mit der "Predicted No Effect Concentration" (PNEC) aus den Effekttests verglichen. Die PNEC leitet sich aus der niedrigsten experimentell ermittelten "No Observed Effect Concentration" (NOEC) ab – der Konzentration, bei der noch keine Effekte im getesteten Umweltorganismus auftraten. Ist der Quotient von PEC und PNEC größer 1, wird von einem Risiko für die Umwelt ausgegangen.
Anforderungen an die Datenqualität
Auf eine hohe Qualität der Datenbasis für die Umweltrisikobewertung von Arzneimitteln wird von behördlicher Seite großer Wert gelegt. Um zu erreichen, dass nur valide und plausible Daten in die Bewertung eingehen, können nur Studien berücksichtigt werden, die in Übereinstimmung mit Standardtestmethoden nach OECD oder ISO durchgeführt wurden. Die einzureichenden Studien, wie sie der EMEA-Leitfaden fordert, müssen zudem vollständig und nach Guter Laborpraxis durchgeführt sein. Bei der Beantragung von generischen Produkten, deren Wirkstoffe bereits lange auf dem Markt sind, werden statt Studien oft auch Literaturdaten eingereicht. Diese müssen jedoch ein Mindestmaß an Qualität, Zuverlässigkeit und Informationsgehalt erfüllen. So können zum Beispiel reine Zitate von Endpunkten wie EC50-Werte nicht akzeptiert werden, da aus diesen Angaben nicht ersichtlich wird, unter welchen Bedingungen die Tests durchgeführt wurden und ob diese die geforderten Validitätskriterien erfüllen. Das UBA hat zu den regulatorischen Anforderungen an Literaturdaten ein Papier veröffentlicht, das den Antragstellern die Einschätzung der Qualität und Verwendbarkeit von Literaturdaten erleichtern soll.
Ergebnisse einer Risikobewertung und mögliche Minderungsmaßnahmen
Die Erfahrungen des Umweltbundesamtes haben gezeigt, dass bei der Umweltprüfung von Humanarzneimitteln weniger häufig ein Umweltrisiko festgestellt wird als bei Tierarzneimitteln. Die Wirkstoffe, bei denen in den letzten Jahren ein Risiko identifiziert wurde, gehören zum Beispiel zu den Hormonen und neuroendokrinen Substanzen. Um das identifizierte Umweltrisiko zu mindern, sollte der Eintrag dieser Wirkstoffe in die Umwelt auf das notwendige Maß reduziert werden. Die behördlichen Möglichkeiten für Auflagen sind begrenzt. Eine Umweltauflage ist beispielsweise ein deutlicher Entsorgungshinweis auf dem Beipackzettel des Arzneimittels, der über die Umweltgefährlichkeit des Präparates informiert. Ärzte, Patienten und Hersteller haben weitere Möglichkeiten, um Arzneimittelwirkstoffe in der Umwelt zu reduzieren. Dies sind zu allererst eine passgenaue Verschreibung durch den Arzt und kleinere Packungsgrößen, um unnötigen "Arzneimittelmüll" zu vermeiden. Auch die richtige Entsorgung spielt hier eine große Rolle. Arzneimittelreste gehören nicht in die Toilette oder Spüle. Sie können in den Restmüll gegeben werden. Aus Vorsorgesicht sollte eine Entsorgung bevorzugt über die Schadstoffsammelstellen oder die Apotheken erfolgen. Technische Verbesserungen bei Kläranlagen sind eine teure, aber oft wirkungsvolle und relativ kurzfristig umsetzbare Option, um die Einträge in die Umwelt zu mindern. Ein aus Umweltsicht besonders zukunftsfähiges Konzept ist es aber, nicht erst am Ende, sondern bereits am Beginn des Lebenszyklus eines Medikamentes anzusetzen. Unter dem Namen „Green Pharmacy″ werden verschiedene Ansätze verfolgt, um Umweltaspekte wie ein besseres Abbauverhalten schon in die Entwicklung eines Arzneimittels einzubeziehen. (Quelle: Ebert et al. 2010. Umweltrisikobewertung von Humanarzneimitteln. Pharmazeutische Industrie, Volume 72, Issue 9, 2010, Pages 1517-1520).
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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