Das Problem der überhöhten Flächenausweisung und ineffizienten Flächennutzung können die Städte und Gemeinden nicht alleine lösen. Die Kommunen stecken in einem harten Standortwettbewerb und sind Teil eines föderalen Systems, welches sie nicht alleine verändern können. Die im Folgenden dargestellten Punkte zeigen auf, dass hinter den Fehlentwicklungen falsche Anreize stecken. Dagegen helfen nur grundlegende Reformen, die an zwei Stellen ansetzen müssen: an den ökonomischen Rahmenbedingungen und an der Transparenz und Aufteilung der Kosten neuer Ansiedlungen. Das Instrument des Flächenhandels setzt genau an diesen beiden Punkten an.
Die Kernprobleme der Flächennutzung – Warum wir handeln müssen ?
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Das Ausweisungsdilemma – Warum das Ausweisen von Flächen alternativlos erscheint
Versetzen Sie sich in die Lage einer Bürgermeisterin oder eines Bürgermeisters. Ihre Nachbargemeinde weist seit Jahren immer wieder attraktive neue Wohnquartiere aus, in denen sich neue Familien gerne niederlassen. Was werden Sie tun? Natürlich werden Sie dem Treiben nicht tatenlos zusehen und ebenfalls versuchen mit neuen Baugebieten neue Bewohner anzuziehen. Schließlich sichert das zusätzliche Steuereinnahmen. Womöglich trifft aber auch folgende Situation zu: Ihre Nachbargemeinde verhält sich auf dem Baulandmarkt überaus passiv und hat seit Jahren keine neuen Flächen für neue Häuser mehr geplant. Wie reagieren sie? Sie werden wahrscheinlich trotzdem Neubaugebiete ausweisen, um sich den Zuzug neuer Bewohner zu sichern.
Die Städte und Gemeinden stecken also in einem Dilemma ähnlich wie die Verbrecher im berühmten Gefangenendilemma, die verhaftet wurden und darüber entscheiden müssen, ob sie gestehen oder nicht. Die grundlegende Erkenntnis der aus diesem Fall abgeleiteten Theorie besagt, dass Teilnehmer in einem solchen Dilemma zwar für sich persönlich die beste Entscheidung treffen, die Entscheidungen in der Summe aber zu einem gesamtwirtschaftlich suboptimalen Ergebnis führt. Für alle Kommunen zusammengenommen wäre es insgesamt besser nicht auszuweisen. Allerdings ist es aus Sicht der einzelnen Kommunen sinnvoll ein neues Baugebiet auszuweisen unabhängig von der Entscheidung der anderen Städte und Gemeinden.
Das Dilemma stellt so lange kein Problem dar, wie die Wirtschaft in einer Region wächst und die Einwohnerzahl unterm Strich zunimmt. Das Streben, Einwohner und Unternehmen zu halten und weitere anzuziehen ist dann ein durchaus gesunder Wettbewerb. Kritisch wird die Situation, wenn die Bevölkerung schrumpft. Dann finden neu ausgewiesene Baugebiete keine Abnehmer, während gleichzeitig in den Ortskernen Gebäude leer stehen und Grundstücke brach liegen.
In schrumpfenden Regionen herrscht demgemäß vielerorts ein ruinöser Wettbewerb um Einwohner und Unternehmen. Die Kommunen sehen sich gezwungen attraktives Bauland anzubieten. Da die meisten auf die gleiche Strategie setzen, finden sich kaum Interessenten, so dass viele ihre Baulandpreise gegenüber ihren Mitbewerbern senken müssen. Die Folge: Überkapazitäten und Dumpingpreise. Die Städte und Gemeinden zahlen am Ende drauf, statt fiskalische Erträge zu erzielen.
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Das Baulandparadoxon – Warum trotz großer innerörtlicher Potentiale die Siedlungsfläche weiter zunimmt
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum in zahllosen Ortschaften innerorts viele Häuser leer stehen und Flächen ungenutzt brachliegen, während am Stadtrand neue Siedlungen und Gewerbegebiete entstehen? Es erscheint zunächst einmal verblüffend, aber trotz vieler durchaus interessanter Flächen im Bestand vermarkten sich neue Baugrundstücke in Neubaugebieten häufig deutlich schneller und besser. Dieses Phänomen beschrieb der Raumplanungsprofessor Benjamin Davy in den 1990iger Jahren als Baulandparadoxon. Es besagt, dass der Baulandbedarf zwar rein rechnerisch mit den Innenentwicklungspotentialen der Städte und Gemeinden gedeckt ist, aber trotzdem neue Baugebiete am Ortsrand ausgewiesen werden. Warum ist das so?
Offenkundig passen Angebot und Nachfrage summarisch betrachtet nicht immer zusammen. Bauland ist nicht gleich Bauland: Die Lage ist entscheidend. Ein ruhiger Bauplatz am Ortsrand verspricht eine andere Wohnqualität als eine innerstädtische Lage. Größe und Zuschnitt eines untergenutzten Gewerbeareals in städtebaulich schwieriger Lage passen sicher nicht zu den Anforderungen mancher Unternehmen. Gegen einen innerörtlichen Standort sprechen häufig reale Hemmnisse wie ungeklärte rechtliche Fragen oder Altlastenrisiken. Vielfach fußen die Standortpräferenzen von Haushalten und Unternehmen aber auch auf falschen Annahmen und tradierten Verhaltensmustern. So wird einem eigenen großen Garten im Vergleich zum Zeitaufwand für das berufliche Pendeln häufig eine größere Bedeutung beigemessen. Vielfach werden auch wichtige Aspekte komplett übersehen und in die Abwägung nicht miteinbezogen. Die Folge sind dann vermeintlich falsche Entscheidungen, die erst bei Veränderung der Rahmenbedingungen in unterschiedlichen Lebens- und Unternehmensphasen deutlich werden. Die Mobilisierung und bessere Nutzung innerörtlicher Baulandpotentiale sollte daher auch aus Sicht der Nachfrager stärker bei ihren Standortentscheidungen beachtet werden. Nicht nur um die zunehmende Versiegelung der Landschaft einzudämmen und den Verlust wertvoller Freiflächen für Flora und Fauna entgegenzuwirken, sondern auch um die eigene Lebens- und Standortqualität zu sichern und reale Kosten zu senken.
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Die Kostenfalle – Warum der Nutzen neuer Baugebiete überschätzt und die Kosten systematisch unterbewertet werden
Aus Sicht der Kommunen hat eine Ausweisung neuen Baulands große Ähnlichkeit zu einer langfristigen unternehmerischen Investition, bei der sich die Kommunen durch die Ansiedlung neuer Einwohner und Unternehmen fiskalische Erträge erhoffen, die durch Ausgaben zur Standorterschließung vorfinanziert werden müssen. Wenn Kommunen durch den Kauf und Wiederverkauf der Bauflächen hohe Planungsgewinne machen, muss man jedoch eher von einer langfristigen Kreditaufnahme sprechen, denn das „schnelle Geld“ aus dem zunächst lukrativ erscheinende Geschäft muss leider in Zukunft mit Zins- und Zinseszinsen für die Infrastruktur zurückbezahlt werden. Wir stecken in einer Kostenfalle.
Die Kostenfalle schnappt zu, da wir die laufenden Ausgaben für die Unterhaltung und Instandhaltung der technischen Infrastruktureinrichtungen systematisch unterschätzen. In der Regel werden von den Kommunen nur die sofortigen und leicht einem Projekt zuzuordnenden Kosten ermittelt, wie zum Beispiel Ausgaben für Gutachten und Erschließungsanlagen. Wenn gerechnet wird, dann meist jedoch auch nur mit pauschalen Durchschnittswerten. Kostenvoranschläge und ein intensiver Austausch zwischen Kämmerei und Planungsamt sind eher die Ausnahme. So bleibt vieles anfangs außen vor, was später teuer wird.
Wenn man sich die hohen Kosten vor Augen führt, die wir bereits heute für die Wartung und Erneuerung unserer Straßen und Versorgungsleitungen zahlen, leben wir bereits heute auf großem Fuß. Durch die Ausweisung neuer Flächen wird unser Fußabdruck immer größer. Bei rückläufigen Bevölkerungszahlen steigen unweigerlich die Infrastrukturkosten pro Kopf. Das belastet die kommunalen Kassen und die Beitragssätze für Abwasser und Co.
Eine Hauptursache für diese Entwicklung ist, dass die Präferenzen fast aller Menschen gegenwartsverzerrt sind, was nichts anderes heißt, als das wir extrem ungeduldig sind und Dinge in der fernen Zukunft kaum in unsere Entscheidung miteinbeziehen. Dieses Phänomen betrifft uns alle immer dann, wenn die Kosten und Nutzen für ein Produkt, eine Dienstleistung oder eben ein Baugebiet zeitlich auseinander fallen. So werden die Planungsgewinne (zu Beginn) systematisch überschätzt und Infrastrukturfolgekosten (in ferner Zukunft) systematisch unterschätzt.Die Rolle des Kommunalen Finanzausgleichs:
In Deutschland wird die Finanzierung der Kommunen neben den originären Einnahmen aus Steuern und Gebühren zusätzlich durch finanzielle Zuweisungen aus den kommunalen Finanzausgleichssystemen der Bundesländer gesichert. Der Finanzausgleich beruht auf dem allgemeinen Grundsatz, dass jeder Träger öffentlicher Aufgaben auch mit den zur Deckung der entstehenden Ausgaben erforderlichen Deckungsmitteln ausgestattet sein muss. Zusätzlich zu dieser fiskalischen Funktion (Aufstockung der Finanzmasse) erfüllt der Kommunale Finanzausgleich (KFA) außerdem eine umverteilende Funktion zur Verringerung der Einnahmedifferenzen und eine zentralörtliche bzw. raumordnerische Funktion.
Weisen Kommunen neues Bauland aus, dann führt der Zuzug neuer Einwohner und die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe zu einem potentiell höheren Grund-, Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteueraufkommen. Gleichzeitig besteht die Chance auf eine Verbesserung der gesamten Wohn- und Arbeitsmarktsituation, was wiederum die Haushalte der Kommunen direkt und/oder indirekt positiv beeinflussen kann. Darüber hinaus führt der Zuzug neuer Bevölkerung und Steuermehreinnahmen zu veränderten Schlüsselzuweisungen und Umlagen im Rahmen des KFA. Mehr Bevölkerung führt zu mehr Bedarf und damit zu mehr Schlüsselzuweisungen. Mehr Steuereinnahmen führen zu einer stärkeren Finanzkraft und damit zu weniger Zuweisungen. Im Ergebnis verlieren die erwarteten zusätzlichen Steuereinnahmen erheblich an Bedeutung und werden teilweise sogar überkompensiert.
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Der Bruch des Verursacherprinzips – Warum Alteingesessene rebellieren sollten
Generell sind an der Ausweisung neuer Baugebiete sehr viele Akteure beteiligt. Neben den Kommunen und Flächeneigentümern als Anbieter und den Haushalten und Unternehmen als Nachfrager, treten Projektentwickler und Baufinanzierer als Mittler auf. Alle beteiligten Gruppen nehmen Einfluss auf den Entscheidungsprozess neuer Baugebiete, die letztendlich von den Gemeinde- oder Stadträten beschlossen werden. Das Problem ist hierbei nicht die hohe Anzahl beteiligter Akteure. Das Problem ist, dass die Entscheidungsträger nicht alle Kosten ihrer Entscheidung zu tragen haben, sondern diese auf andere Akteure oder die Allgemeinheit übertragen können.
Für die meisten Kosten muss – wie so oft – die Allgemeinheit gerade stehen. Nehmen wir zum Beispiel die Kosten für die Verkehrserschließung, also Straßen, Wege, Plätze und deren Beleuchtung. Hier übernehmen zwar die Kommunen (wenn keine Erschließungsträger beteiligt sind) nur 10 Prozent der Kosten für die erstmalige Erstellung. Dies gilt aber nur für die Anlagen innerhalb des neuen Baugebietes und die Kosten der so genannten „inneren Erschließung“. Alle Kosten der „äußeren“ Erschließung müssen die Kommunen und damit die Steuerzahler in voller Höhe alleine tragen. Weit bedeutender sind jedoch die laufenden Kosten für den zukünftigen Betrieb und Erhalt der Straßen- und Wegenetze. Diese zahlt ebenfalls die Kommune alleine.
Darüber hinaus tragen auch die undifferenzierten Beitragssätze für Versorgungs- und Abwasserleitungen zu falschen Entscheidungen bei. Die heutigen Nutzungspreise spiegeln die bei der Leistungserstellung entstehenden Kosten nicht wider. Sie sind räumlich nicht entsprechend differenziert. Alle Kosten, die weder über die Baukostenzuschüsse bzw. die Anschlussbeiträge nach der jeweiligen Abgabensatzung durch die Grundstückseigentümer noch durch gesetzliche Kommunalanteile gedeckt sind, finden sich undifferenziert in den Kalkulationen der Preise und Tarife für Gas, Wasser, Strom und Abwasser wider. Der Anteil dieser Kosten liegt in der Regel bei rund 30 Prozent. Die Allgemeinheit der Netznutzer ist somit in erheblichem Maße an der Finanzierung der Erschließung von neuen Bauflächen beteiligt. In Schrumpfungsregionen sollten daher Alteingesessene neuen Baugebieten eher mit Skepsis begegnen und sich auf steigende Beitragssätze einstellen.