Mit der Pilotstudie „Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) – Pilotstudie zur Ermittlung der Belastung von Kleingewässern in der Agrarlandschaft mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen“ (Kleingewässermonitoring) hat das Umweltbundesamt gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in ganz Deutschland jeweils im Frühjahr 2018 und 2019 Bäche in unmittelbarer Nachbarschaft zu landwirtschaftlich genutzten Flächen nach Regenereignissen untersucht. Die Funde belegen, dass Rückstände von PSM regelmäßig in bedenklichen Mengen in die angrenzenden Gewässer gespült werden.
In jeder zweiten Wasserprobe wurden Stoffe in zu hohen Konzentrationen gefunden, das heißt, die im Zulassungsverfahren von PSM abgeleiteten maximal tolerierbaren Konzentrationen waren überschritten. Dabei waren 20 Wirkstoffe besonders auffällig und für über 90 Prozent der Überschreitungen verantwortlich. Anhand biologischer Untersuchung von beispielsweise Libellen, Köcherfliegen und anderen im Gewässer lebenden Insekten wurde außerdem gezeigt, dass sich auch die Lebensgemeinschaft im Wasser in vier von fünf untersuchten Bächen in einem nur mäßigen bis schlechten Zustand befindet.
Dieser Realitätscheck macht deutlich, dass das mit der Zulassung von PSM angestrebte hohe Schutzniveau für kleine Gewässer verfehlt wird. Die meisten PSM sind nicht nur hoch giftig für die zu bekämpfenden Schädlinge, sondern auch für andere Tier- und Pflanzenarten. Somit ist die Anwendung zugelassener PSM grundsätzlich mit Risiken für die Umwelt verbunden.
Zulassungssystem für PSM unter Kritik
Im europäischem Pflanzenschutzrecht ist festgelegt, dass PSM „keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt“ haben dürfen (Verordnung EG 1107/2009). Daher werden in einem aufwändigen Zulassungsverfahren die Risiken der Ausbringungen von PSM für die Umwelt vorab geprüft. Auch ein vermeintlich strenges Zulassungsverfahren kann Einträge in und Auswirkungen auf Gewässer nicht immer verhindern. Vor allem die für den Naturhaushalt besonders bedeutsamen kleinen Gewässer im Einflussbereich landwirtschaftlich genutzter Flächen sind PSM-Einträgen durch Abfluss nach Regenereignissen oft stoßweise ausgesetzt.
Aber die Funde aus dem Kleingewässermonitoring belegen, dass Rückstände von PSM regelmäßig in bedenklichen Mengen von landwirtschaftlich genutzten Flächen in die angrenzenden Gewässer gespült werden, die so in der Risikobewertung im Rahmen der Zulassung nicht vorhergesehen wurden und nicht hingenommen werden können. Außerdem waren unter den Funden auch solche Wirkstoffe aus PSM, für deren Verwendung schon verpflichtende Schutzmaßnahmen wie Mindestabstände zu Gewässern oder das Anlegen von Gewässerrandstreifen festgeschrieben sind, die genau solche Einträge verringern sollten. Dies zeigt, dass die bisher festgelegten Maßnahmen zum Schutz kleiner Fließgewässer nicht ausreichen.
Wie weiter?
PSM, die besonders häufig gefundene Wirkstoffe enthalten, werden vom Umweltbundesamt nun dahingehend außerplanmäßig geprüft. Festgestellt werden soll, ob die bestehenden Altzulassungen auch vor dem Hintergrund aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wirkstoff weiterhin die Zulassungskriterien erfüllen oder ob gegebenenfalls Anpassungen der bei der Anwendung zu befolgenden Risikominderungsmaßnahmen erforderlich sind. Neue Erkenntnisse sollten sich auch auf bestehende Altzulassungen auswirken und dafür erforderliche Risikominderungsmaßnahmen sollten dann auch zeitnah festgesetzt werden, um den in der Pilotstudie erkannten Belastungen gezielt entgegenzuwirken.
Verzögerungen bei der turnusmäßigen Überprüfung von Wirkstoffgenehmigungen und Produktzulassungen müssen unbedingt vermieden werden, um die Kleingewässer vor offenkundigen negativen Auswirkungen zu schützen. Auch die Aktualisierung europäischer Bewertungsmethoden müsste zügig durch die EU angegangen werden. Zudem sollte die Effektivität von Maßnahmen zum Schutz der Gewässer von den Mitgliedstaaten überprüft werden.
Ein verbessertes Zulassungsverfahren allein ist nicht ausreichend
Um den Einsatz von Pestiziden reduzieren zu können, braucht es Anwendungsdaten zur Art und Menge der PSM, die in den verschiedenen Zweigen der Landwirtschaft tatsächlich eingesetzt werden. Der Zugang zu realen PSM-Anwendungsdaten sollte für die Wissenschaft und Behörden im Rahmen einer Transparenzinitiative ermöglicht werden, denkbar wäre beispielsweise ein Bundesprogramm „Digitale Spritztagebücher“. Denn ohne konkrete Informationen, welche PSM im Umfeld der Messtellen angewendet worden sind, ist es kaum möglich zu überprüfen, ob die bei der Anwendung des Produktes einzuhaltenden Maßnahmen zur Minderung des Eintrages in Gewässer tatsächlich wirksam sind.
Die in der Studie ermittelte systematische Belastung der Bäche in Deutschland zeigt außerdem, dass der Einsatz von PSM in der konventionellen Landwirtschaft insgesamt sinken muss. Die „Farm-to-fork-Strategie“ der Europäischen Kommission mit dem Ziel, den Einsatz von Pestiziden und deren Umweltrisiken bis 2030 in der europäischen Landwirtschaft um 50 Prozent zu reduzieren, bedarf daher eines ambitionierten Maßnahmenpaketes.