Teilsaniertes Mehrfamilienhaus heizt mit Erdwärme und Außenluft

Das teilsanierte Mehrfamilienhaus nutzt ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem, wodurch die notwendige Anzahl an Erdwärmesonden halbiert werden konnte. Ein Gaskessel unterstützt beim Trinkwarmwasser.

  • Außenansicht des Mehrfamilienhauses
    Außenansicht des Mehrfamilienhauses
  • Heizungskeller mit Wärmepumpe
    Heizungskeller mit Wärmepumpe
  • Heizungskeller
    Heizungskeller
  • Monatsauswertung der Wärmemengen über ein Jahr
    Monatsauswertung der Wärmemengen und Arbeitszahl über ein Jahr
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Angaben zum Projekt

Das Mehrfamilienhaus steht in Karlsruhe und verfügt über 30 Wohneinheiten und 2.107 m² beheizte Wohnfläche. Es wurde 1963 erbaut und 1995 teilsaniert. Dazu gehörten der Austausch der Fenster sowie die Dämmung von Fassade, Kellerdecke und oberer Geschossdecke. Der spezifische Wärmebedarf für Raumheizung und Warmwasser liegt bei rund 84 kWh/(m².a). Vor der Erneuerung des Heizsystems wurde das Gebäude mit einem Gaskessel beheizt.

In dicht bebauter Stadtlage besteht für die Versorgung von Mehrfamilienhäusern mit Wärmepumpen die Herausforderung der Wärmequellenerschließung. Als Lösungsansatz wurde im Zuge des Forschungsprojektes „HEAVEN“ des Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem aus Erdwärmesonden und Außenluft-Wärmeübertrager entwickelt. Das Heizsystem kommt mit halb so vielen Erdwärmesonden aus wie eine klassische Erdwärmepumpe.

Das Wärmepumpensystem wurde im Jahr 2022 in Betrieb genommen, messtechnisch untersucht und optimiert.

Projekteinreichende*r Jakob Metz, Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme https://www.ise.fraunhofer.de/de/forschungsprojekte/heaven.html
Kooperationspartner Viessmann Werke Allendorf GmbH,
KES - Karlsruher Energieservice GmbH,
Volkswohnung GmbH,
IBS Ingenieurgesellschaft mbH

Eckdaten Gebäude

PLZ Gebäudestandort 76227
Ort Gebäudestandort Karlsruhe
Gebäudeart Mehrfamilienhaus
Baujahr 1946-1976
Sanierungsstand Altbau teilsaniert
Beheizte Fäche 2.107 m²

Wärmeversorgung vor Einbau Wärmepumpe

Heizungsart alt Gasheizung
Art Brauchwassererwärmung Zentral
Art der Raumwärmeübergabe Heizkörper
Energieverbrauch 176.800 kWh pro Jahr
Vorlauftemperatur (vorher) 80 °C und höher
Leistung Wärmeerzeuger 100 kW
Spezifischer Heizenergieverbrauch 84 kWh/m²a

Herausforderungen

Im dicht besiedelten Stadtgebiet können klassische Wärmepumpen im Geschosswohnungsbau an ihre Grenzen stoßen. Eine hohe Heizlast kombiniert mit wenig verfügbarer Freifläche und strengen Lärmvorschriften schränken die Nutzung von reinen Erd- oder Luftwärmepumpen ein. Insbesondere in bestehenden Mehrfamilienhäusern sind auch die Temperaturen der Wärmeabgabe eine Herausforderung. Es müssen mindestens 60 °C Vorlauftemperatur für die Trinkwarmwasserzirkulation bereitgestellt werden und die Heizkreistemperaturen liegen je nach Gebäudeeigenschaften unter Umständen noch höher.

Diese Herausforderungen wurden im Forschungsprojekt „HEAVEN“ untersucht und der entwickelte Lösungsansatz exemplarisch an dem vorgestellten Mehrfamilienhaus im Feldversuch demonstriert. Dieses weist zwar ausreichend Außenfläche auf, ist jedoch trotzdem für die technische Umsetzung gut geeignet.

Lösungsansatz

Erdwärmepumpen haben eine hohe Effizienz, in dicht besiedelten Gebieten mit begrenzter Freifläche stoßen sie jedoch an ihre Grenzen. Die benötigte Anzahl an Erdsondenbohrungen kann schnell den verfügbaren Platz überschreiten. Hier kommt die Wärmequelle Außenluft als Ergänzung ins Spiel. Luftwärmepumpen sind platzsparend und in der Anschaffung günstiger, allerdings liegt ihre Effizienz unter der von Erdwärmepumpen.

Auf Basis einer Simulationsstudie und Laborversuchen wurde ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem entwickelt, welches es ermöglicht, die Erdwärmesonden auf nur 50 % der Nennleistung einer klassischen Erdwärmepumpe auszulegen. Dass die Wärmepumpe die auch die Außenluft als Wärmequelle nutzt, kann vermeiden, dass das Erdreich zu sehr in Anspruch genommen wird. Darüber hinaus ermöglicht das System, Wärmezwischen den beiden Quellen auszutauschen: Im Sommer und der Übergangszeit kann die Außenluft das Erdreich regenerieren, also Wärme einlagern. Andersherum ist es möglich, den Luftwärmeübertrager mittels Erdwärme abzutauen.

Das Heizsystem besteht aus einer Wärmepumpenkaskade aus zwei Geräten mit 28,7 kW und 42,3 kW nominaler Heizleistung und wird bivalent-teilparallel durch ein Gasbrennwertgerät unterstützt. Dies ist insbesondere für die Trinkwarmwasser-Temperaturen erforderlich. Das Trinkwarmwasser wird durch eine zentrale Frischwasserstation bereitgestellt. Die Heizkreis-Vorlauftemperatur konnte durch den Tausch von 7 % der Heizkörper um 15 Kelvin auf etwa 60 °C abgesenkt werden. Es sind zwei Trinkwarmwasserspeicher sowie ein Heizungspufferspeicher vorhanden. Die Wärmepumpen haben eine Primärleistung von 56,6 kW. Das Erdwärmesondenfeld wurde auf 30 kW (53 %) und der Luft/Sole-Wärmeübertrager auf 40 kW (71 %) Kälteleistung ausgelegt. Das Wärmepumpensystem ist mit umfangreicher Messtechnik ausgestattet, um Wärmeströme, Volumenströme und Temperaturen zu überwachen.

Erfahrungen und Ausblick

Nach der Inbetriebnahme wurde das Wärmepumpensystem engmaschig überwacht und sowohl die Regelung der Wärmeabgabe und der Wärmeerzeuger als auch die entwickelte Wärmequellenregelung angepasst und optimiert. Hierdurch konnte der Anteil des Gasbrennwertgeräts an der Wärmeversorgung um etwa zwei Drittel reduziert werden.

Ebenso konnten die Vorlauftemperaturen der Wärmepumpen reduziert und damit deren Effizienz verbessert werden. Die gemessene Jahresarbeitszahl liegt geringfügig unterhalb der Prognosen aus den Systemsimulationen. Dies liegt insbesondere an höheren Hilfsenergiebedarfen sowie Unterschieden in der zugrunde gelegten Heizkurve.

Tipps für Dritte

Die Kombination der Wärmequellen Erdreich und Außenluft kann bei beengter Freifläche eine gute Lösung sein, um eine effiziente Erdwärmepumpe zu betreiben. Ebenso hat das Mehrquellen-Wärmepumpensystem Potential, die Wärmegestehungskosten gegenüber einer reinen Erdwärmepumpe zu senken.

Der bivalente Betrieb mit einem Gasbrennwertgerät kann ein einfacher Weg sein, um trotz hoher Temperaturanforderungen ohne weitere Maßnahmen am Gebäude eine Wärmepumpe zu betreiben. Die Wärmeerzeugerregelung ist jedoch sensibel und sollte bei der Inbetriebnahme gut eingestellt und überprüft werden, um den Anteil der fossilen Heizung zu minimieren. Besteht die Möglichkeit, die Vorlauftemperaturen beispielsweise durch energetische Modernisierung, Heizkörpertausch und dezentrale Frischwasserstationen im Mehrfamilienhaus auf 55 °C oder weniger abzusenken, sollte ein monoenergetisches Wärmepumpensystem vorgezogen werden.

Steckbrief Wärmepumpe

Datum Inbetriebnahme der Wärmepumpe
Wärmequelle
  • Außenluft
  • Erdreich
  • Spitzenlastkessel
Thermische Leistung 71 kW
Elektrische Leistung 15 kW
JAZ laut Planung 3,5
Saisonale Leistungszahl SCOP 4,03
Maßnahmen Heizsystem
  • Hydraulischer Abgleich
  • Heizkörpertausch
  • Pufferspeicher
  • Frischwasserstation
  • Sonstiges (siehe Erläuterungen)
Erläuterungen zum Heizsystem Sonstige Maßnahmen am Heizsystem: Wärmequellenhydraulik zur Nutzung von Außenluft und Erdwärme
Bauliche Maßnahmen
  • Sonstiges (siehe Erläuterungen)
Erläuterungen bauliche Maßnahmen Teilsaniert 1995: Fenstertausch, Fassadendämmung 6 cm, Dämmung Kellerdecke 10 cm, Dämmung oberste Geschossdecke 12 cm.

Betriebsdaten Wärmepumpe

Vorlauftemperatur (neu) 60 °C
Stromverbrauch Wärmepumpe 37.400 kWh pro Jahr
JAZ Wärmepumpe 3,25
Erläuterungen Die JAZ wurde berechnet und beinhaltet die Stromaufnahme der Wärmepumpe selbst, der Wärmequellen und des Heizstabs.

Kontaktdaten

Jakob Metz
ifeu Institut für Energie- und Umweltforschung
Deutschland
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