Service Klimaanpassung: vier Jahre Deutsches Klimavorsorgeportal
Extreme Wetterereignisse nehmen spürbar zu, das Wissen um die Notwendigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, ebenfalls. Grund genug für die Bundesregierung, Know-how zu Anpassungsmaßnahmen zentral zu sammeln und zur Nachnutzung zu verbreiten. Das Deutsche Klimavorsorgeportal unterstützt seit 2018 beim Umgang mit Klimafolgen. Das Feedback zum Portal ist nach fast vier Jahren ein positives.
Das von der Bundesregierung bereitgestellte Deutsche Klimavorsorgeportal „KLiVO“ bündelt mittlerweile mehr als 100 qualitätsgeprüfte Klimavorsorgedienste. Es hat sich seit seinem Start im September 2018 zu einem echten Service im praktischen Umgang mit den Folgen des Klimawandels entwickelt. Mit Such- und Filterfunktionen werden Leitfäden, Karten oder Daten empfohlen. Klimaanpassungsdienste zeigen auf, wie Klimafolgen in Planungen berücksichtigt werden können. Darüber hinaus trägt es sowohl unter Dienste-Anbietenden wie auch Anwender*innen zur Vernetzung bei und fördert den Austausch zum Thema Klimavorsorge in Deutschland. Ergänzend hat das Umweltbundesamt bislang acht Netzwerktreffen zu unterschiedlichen Themen mit rund 450 Teilnehmenden veranstaltet, um Dienste besser bekannt zu machen und ihre Anwendung zu diskutieren Insgesamt stehen derzeit 141 Dienste in mehr als 16 Handlungsfeldern auf dem Portal zur Verfügung. Von durchweg positiven Erfahrungen bei der Anwendung ausgewählter Dienste berichten uns beispielhaft ganz unterschiedliche Akteur*innen.
Vorsorge-Tipps für den Katastrophenfall
Neben Hitze und Trockenheit zählen Hochwasser und Starkregen hierzulande zu den Klimawirkungen, die besonders hohe Risiken auslösen. Das belegen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 des Bundes. Auf dem KLiVO-Portal finden sich deshalb allein 84 Dienste zu Starkregen und Sturzfluten sowie mittlerweile 66 Dienste zu Binnenhoch- bzw. Niedrigwasser. Dr. Peer Rechenbach, früherer Leiter der Abteilung Katastrophen-, Brand- und Bevölkerungsschutz in der Behörde für Inneres und Sport in Hamburg, ist Experte für Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen und Katastrophenschutz. Er referierte auf einem der Netzwerktreffen über die Herausforderungen für Einsatzkräfte bei Überschwemmungen und Hochwasser und sagt über das KLiVO-Portal: „KLiVO ist ein wertvolles Instrument, das viel genutzt werden sollte – auch von der Bevölkerung. Denn die hat sich meiner Erfahrung nach noch nicht ausreichend auf das vorbereitet, was der Klimawandel verursachen kann.“ Hilfsmittel bietet KLiVO sowohl für Praxiserfahrene – Vertreter*innen von Schutzorganisationen wie dem Technischen Hilfswerk sowie zuständigen Behörden – aber auch für Bürger*innen.
So wird beispielsweise Feuerwehren ihre Einsatzplanung und -vorbereitung durch einen regelmäßigen Blick auf das länderübergreifende Hochwasserportal, aufgenommen ins Deutsche Klimavorsorgeportal, erleichtert. Dabei handelt es sich um eine interaktive Deutschlandkarte, auf der tagesaktuell zu erkennen ist, an welchen Flüssen es Hochwasser gibt. Hier werden die Wasserstände an über 1.300 Pegeln angezeigt und Warnungen ausgesprochen. Ebenso empfehlenswert findet Peer Rechenbach das auf dem KLiVO-Portal hinterlegte Handbuch „Klimawandel – Herausforderungen für den Bevölkerungsschutz“. „Es gibt Feuerwehrleute, die in ihrer Region noch nie ein Hochwasser hatten. Dennoch sollten sie einen Plan für den Ernstfall haben. Der Ratgeber zeigt auf, an was gedacht werden muss, was es zu prüfen und zu berücksichtigen gilt und welche Maßnahmen im Vorfeld zu treffen sind“, erklärt er weiter.
Von guter Praxis profitieren
Die Stadt Worms nutzte die Angebote des KLiVO-Portals bereits mehrfach: Seit einigen Jahren ist die Stadt in Rheinhessen besonders von extremen Starkregenereignissen betroffen. Grund genug für Reinhold Lieser und Selma Mergner aus der Abteilung Umweltschutz und Landwirtschaft der Stadtverwaltung Worms, einen durch das Umweltbundesamt geförderten Beteiligungsprozess anzustoßen und zusammen mit den Bürger*innen ein kommunales Konzept zur Starkregenvorsorge zu entwickeln. Gemeinsam mit dem kommunalen Abwasserentsorger führte die Stadt über mehrere Jahre eine Vielzahl von Veranstaltungen, Workshops und Bürgerberatungen sowie bauliche Maßnahmen durch. Neben begleitender Beratung durch Fachbüros diente das KLiVO-Portal als wichtige Informationsquelle: „Worms verfügt bereits seit 2016 über eine lokale Strategie zur Anpassung an den Klimawandel. Doch es gibt immer wieder neue Entwicklungen und praktische Lösungsansätze. Wissen anderer, von dem wir profitieren können“, berichtet Reinhold Lieser von seinen Erfahrungen mit KLiVO.
Mit der Absicht, auch ihre Erkenntnisse in naher Zukunft auf dem KLiVO-Portal bereitstellen und teilen zu können, forscht derzeit Dr. Susanne Böll, Diplom-Biologin bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Sie ist Leiterin im Projekt „Stadtgrün 2021“ und prüft gemeinsam mit ihrem Team, welche ausgewählten Versuchsbaumarten den derzeitigen klimatischen Verhältnissen in den bayerischen Städten Kempten, Hof/Münchberg und Würzburg erfolgreich trotzen. „Ziel ist es, dass unsere Ergebnisse und die anderer Forschungsgruppen Eingang in das Deutsche Klimavorsorgeportal finden. Auch wenn sie immer nur auf einzelne Regionen hierzulande übertragbar sind: Je mehr Daten dazu gesammelt und öffentlich zugänglich gemacht werden, desto erfolgreicher und nachhaltiger kann zukünftige Stadtbegrünung sein“, betont Susanne Böll.
Dienste erfolgreich angewendet
Als eine Hilfestellung bei der Suche nach Stadtbäumen der Zukunft gibt es bereits den Dienst „citree – Gehölze für urbane Räume“ auf dem KLiVO-Portal: Dabei handelt es sich um eine Datenbank, die jenen, die Gehölze pflanzen möchten, die Auswahl von standort- und klimaangepasstem Grün erleichtert. Sie umfasst Informationen von mehr als 360 Baum- und Straucharten und schlägt für eine Vielzahl von Standorten in Deutschland mehrere passende Gehölze vor. Dienste wie diese sind laut Dr. Susanne Böll ein Gewinn für Kommunen.
Die Kleinstadt Syke bei Bremen nutzte den Dienst bereits erfolgreich. Stadtbiologin Angelika Hanel schätzt zum Beispiel die citree-Kennzahlen zur Feinstaubabsorption, zu Frostempfindlichkeit, Astbruch- und Sonnenbrandgefahr oder zur Streusalztoleranz: „Eine für die eigene Region geeignete Art zu finden, die dann auch den Bedingungen vor Ort gerecht wird – also nicht zu hoch oder zu breit wächst, wenn wenig Platz vorhanden ist – gestaltet sich durchaus schwierig. Auch weil man das Ergebnis einer Anpflanzung erst nach vielen Jahren sieht. Und Bäume sind enorm wichtig, um die Klimakrise aufzuhalten. Sie binden CO2 und filtern Staub sowie Schadstoffe. Außerdem kühlen sie die Luft, indem sie Grundwasser über ihre Blätter verdunsten. Ein Straßenbaum versorgt durchschnittlich zehn Menschen pro Tag mit Sauerstoff.“
Hilfestellung für Kommunen und Unternehmen
Zum Themenfeld Hitzeperioden und Trockenheit finden sich mittlerweile 89 Dienste auf dem Portal. Denn zunehmend heiße Sommer und lange Trockenperioden bedeuten nicht nur für die Natur eine große Herausforderung. Gerade in verdichteten Städten bergen sie gesundheitliche Risiken für kleine Kinder, kranke und ältere Menschen, und gehen mit einer starken körperlichen Belastung für alle Arbeitnehmer*innen einher. Kommunen, Unternehmen, Gesundheitsdienstleister*innen und Privatpersonen müssen deshalb vermehrt Gesundheitsvorsorge betreiben.
Heme Mensen, Geschäftsführer von Der Pflegedienst Lilienthal GmbH in Niedersachsen, ist dank des KLiVO-Portals auf die Hitzewarn-App des Deutschen Wetterdienstes aufmerksam geworden. „Heiße Sommertage an sich sind ja nicht neu, aber wochenlange Hitzeperioden verlangen unseren Pflegekräften eine erhöhte Aufmerksamkeit ab und bedeuten zudem mehr Aufwand in der Pflege selbst. Bislang war in der Pflegebranche der Umgang mit den Folgen des Klimawandels noch kein großes Thema. Doch wir müssen umdenken und Arbeitsprozesse vor diesem Hintergrund optimieren und bestenfalls standardisieren.“ Einmal installiert meldet die Hitzewarn-App sich, wenn mit einer erhöhten Belastung aufgrund aufgeheizter Innenräume zu rechnen ist. So kann der Pflegedienstleiter diese Information rechtzeitig bei der Planung von Arbeitsabläufen berücksichtigen und sein Team darauf vorbereiten.
Hilfreiche Impulse und Weiterentwicklung
Das KLiVO-Portal wird vom Umweltbundesamt gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst im Auftrag der Bundesregierung betrieben. Während das Umweltbundesamt Dienste beisteuert, die im Umgang mit den Folgen des Klimawandels unterstützen, stellt der Deutsche Wetterdienst die nötigen Klimainformationen, d.h. klimatologische und klimaabhängige Daten, bereit. Besucher*innen des Portals finden so mit wenigen Klicks wichtige Informationen, die die Klimavorsorge in Bereichen wie z. B. Stadtplanung, Landwirtschaft, Gesundheit, Wasserwirtschaft oder Bevölkerungsschutz unterstützen. Die Netzwerke „KlimAdapt“ (angesiedelt beim UBA) und „Deutscher Klimadienst“ (angesiedelt beim DWD) unterstützen die Weiterentwicklung des Portals und die Anwendung der Dienste. Hilfreiche Impulse für den Ausbau des Portals zieht das Umweltbundesamt aus den regelmäßigen Netzwerktreffen, bei denen neue Dienste vorgestellt und Themen rund um Klimaanpassung sowie beispielsweise Fragestellungen zur rechtlichen Lage oder Risiko-Kommunikation von den Akteur*innen aus Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden, Verbänden und Wissenschaft erörtert werden.
Autorinnen: Regan Mundhenke und Sandra Wagner, ecolo – Agentur für Ökologie und Kommunikation; Hanna Platte, Umweltbundesamt
Dieser Artikel wurde als Schwerpunktartikel im Newsletter Klimafolgen und Anpassung Nr. 73 veröffentlicht. Hier können Sie den Newsletter abonnieren.“
„Für Mensch und Umwelt“ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
Umweltbundesamt
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