„Gewässerschutz ist Klimaschutz“, sagt Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes. „Die an Flüsse angrenzenden Auen wirken wie ein Schwamm. Bei Hochwasser speichern sie das Wasser und bei Dürre geben sie es langsam wieder ab. Zudem wirkt sich das gespeicherte Wasser bei extremer Hitze kühlend auf seine Umgebung aus. Die Ausweitung der Fläche von Flüssen und Bächen ist somit kein Selbstzweck. Ein Mehr an Gewässern bedeutet immer auch ein Mehr an Schutz vor Klimaextremen.“
Unsere Gewässer heute
Deutschland wird von einem dichten Netz von Bächen und Flüssen durchzogen. Die gesamte Länge aller Fließgewässer beträgt etwa 590.000 Kilometer. Dieses Gewässernetz wird intensiv genutzt und wurde zu Gunsten von Siedlungen, Landwirtschaft, Verkehr und Energiegewinnung weitreichend umgestaltet. Flüsse wurden begradigt, von ihren Auen durch Deiche getrennt, Ufervegetation entfernt, Gewässerbetten tiefer gelegt und mit Steinen oder Beton befestigt. Am Ende dieser Entwicklung steht ein Flächenverlust für die Ausbreitung von Bächen und Flüssen von etwa 80 Prozent.
Die Europäische Union hat sich beim Gewässerschutz das Ziel gesetzt, einen guten ökologischen Zustand der Fließgewässer herzustellen. Dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht. Noch im Jahr 2022 erreichten 90 Prozent der Bäche und Flüsse keinen guten ökologischen Zustand.
Unsere Gewässer morgen
Wenn wir Bächen und Flüssen ihre verlorenen Flächen soweit wie möglich zurückgeben, können sie ihre typischen Strukturen wieder ausbilden und bilden so den Lebensraum für zahlreiche Organismen. Zu diesen Strukturen zählen beispielsweise Sand- und Kiesbänke, Inseln oder umgestürzte Bäume.
Mehr Fläche für Gewässer schafft aber nicht nur die nötigen Bedingungen für einen nachhaltigen Gewässerschutz. Naturnahe Fluss- und Auenlandschaften können nachweislich über 40 verschiedene Funktionen erfüllen. Sie stellen beispielsweise Trinkwasser und Nahrung bereit, speichern Kohlenstoff für den Klimaschutz und sind attraktive Räume für Freizeit und Erholung.
Flächen zurückgeben und Wasser zurückhalten
Der Klimawandel verstärkt die Extreme. Starkregen- und Hochwasserereignisse können katastrophale Folgen haben. Dürreperioden führen zu Wassermangel in den Flüssen und Bächen. Auch hier hilft es, mehr Fläche zur Verfügung zu stellen. Eine längere Fließstrecke verlangsamt den Abfluss des Wassers. Es verweilt dadurch länger in der Landschaft. Hochwasser, das sich in angrenzenden Auen ausbreiten kann, wird dort wie in einem Schwamm zwischengespeichert. Bei trockener Witterung wird das Wasser langsam wieder abgegeben, was die Umgebung kühlt und Dürren vorbeugt. Hier ist ein Paradigmenwechsel gefragt: Statt Wasser möglichst schnell aus der Landschaft abzuleiten, muss künftig das Ziel sein, es länger vor Ort zu halten. So können Böden, Vegetation und Grundwasserreserven besser profitieren – ein wichtiger Schritt für Klimaresilienz und nachhaltiges Wassermanagement.
Zwei Prozent – eine ambitionierte, aber machbare Vision
Die Rückgewinnung von zwei Prozent der Landesfläche für naturnahe Gewässerentwicklung ist eine große Herausforderung – besonders in einem dicht besiedelten Land wie Deutschland. Seit Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000 wurden mehr als 4.500 Quadratkilometer für Siedlungs- und Verkehrszwecke neu in Anspruch genommen. Demgegenüber stehen lediglich 71 Quadratkilometer wiederhergestellte Überschwemmungsflächen seit 1983. Diese Diskrepanz zeigt: Trotz einzelner Erfolge klaffen Anspruch und Wirklichkeit im Gewässerschutz noch weit auseinander.
Doch Renaturierung ist kein isoliertes Ziel. Sie steht im Einklang mit vielen anderen flächenbezogenen Umwelt-, Natur- und Klimaschutzmaßnahmen. Ein Flächenziel für die Gewässerentwicklung ist hier ein wichtiger Bestandteil.
Weiterführende Informationen
Die Methode der Berechnung, weitere Ergebnisse zu typischen Gewässerentwicklungsbreiten sowie die Untersuchungsergebnisse zu den Ökosystemleistungen finden sich unter den folgenden Links.