Wärme- & Kälteversorgung eines Nichtwohn-Bestandsgebäudes auf Basis von Abwasserwärmenutzung
Im Haus der Statistik entsteht eines der bisher größten Energieprojekte der Berliner Stadtwerke. Auf Basis von Abwasserwärme wird das moderne Stadtquartier nachhaltig mit Wärme und Kälte versorgt.
Der Gebäudekomplex entstand von 1968 - 1970 und war Sitz der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR, der nach der deutschen Wiedervereinigung von verschiedenen bundesdeutschen Behörden genutzt wurde. Seit dem Jahr 2008 steht er leer.
Die Nichtwohngebäude werden aktuell durch das Land Berlin, vertreten durch die Berliner Immobilienmanagement GmbH, generalsaniert und zukünftig als Büro- und Gewerbestandort genutzt. Für die Wärme- und Kälteversorgung wurde durch die Berliner Stadtwerke ein nachhaltiges Energieversorgungskonzept auf Basis von Abwasserwärmenutzung entwickelt, geplant und umgesetzt. Es werden Wärmepumpen zur Wärme- und Kälteversorgung der Gebäude eingesetzt, die das Abwasser als Wärmequelle nutzen. Dafür wird im Abwasserkanal ein Wärmeübertragersystem installiert, welches dem Abwasser Wärme entziehen oder zuführen kann. Diese thermische Energie wird über ein ungedämmtes, multifunktionales Anergienetz (kaltes Nahwärmenetz) an drei Wärmepumpenzentralen im Bestandsgebäude geleitet.
Das Anergienetz ist ein Wärmeversorgungsnetz, das mit niedrigen Temperaturen arbeitet und gleichzeitig zur Wärme- und Kälteversorgung genutzt werden kann. In den drei Wärmepumpenzentralen wird die Temperatur aus dem Anergienetz mithilfe von Wärmepumpen auf ein geeignetes Temperaturniveau zum Heizen angehoben bzw. zur Kühlung abgesenkt. Im Winter nutzen die Wärmepumpen die Wärme des Abwassers aus dem Anergienetz, um die gewünschte Heiztemperatur von 45 °C bereitzustellen. Im Sommer entziehen die Wärmepumpen den Gebäuden Wärme und geben diese an das Anergienetz und weiterführend an das Abwasser ab. An besonders kalten Wintertagen unterstützen drei Elektroheizungen (130 kW, 170 kW, 210 kW) die Wärmeversorgung. Die Wärme- und Kältespeicher puffern die Wärmeenergie kurzzeitig, um Lastspitzen auszugleichen. Auf den Dächern werden Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung errichtet und runden den Aufbau einer klimafreundlichen Energieversorgung im Bestandsgebäude ab.
Kooperationspartner
Berliner Immobilien Management GmbH
UHRIG Energie GmbH Energieanlagen Nord GmbH
HOSCH Gebäudeautomation GmbH
Megawatt Ingenieurgesellschaft mbH
ECO.S Energieconsulting Stodtmeister
Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Die Förderung erfolgt im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI).
Eckdaten Gebäude
PLZ Gebäudestandort
10178
Ort Gebäudestandort
Berlin
Gebäudeart
Nichtwohngebäude
Baujahr
1946-1976
Sanierungsstand
Altbau vollsaniert
Beheizte Fäche
39.000 m²
Wärmeversorgung vor Einbau Wärmepumpe
Heizungsart alt
andere
Art Brauchwassererwärmung
Zentral
Art der Raumwärmeübergabe
Heizkörper
Energieverbrauch
6.000.000 kWh pro Jahr
Vorlauftemperatur (vorher)
61-70 °C
Spezifischer Heizenergieverbrauch
154 kWh/m²a
Herausforderungen
Eine Machbarkeitsstudie zeigte die Möglichkeiten einer umweltfreundlichen Wärme- und Kälteversorgung mit einem hohen Anteil Erneuerbarer Energien. Die Entscheidung fiel auf die Energieversorgung auf Basis von Abwasserwärme ergänzt durch Photovoltaikanlagen, realisiert durch die Berliner Stadtwerke. Leicht zugängliche Abwasserkanäle mit Abwasser aus Haushalten, Industrie und Gewerbe stellen Wärmequellen für Wärmepumpen dar. Je größer der Kanal, desto leichter der Einbau von Wärmeübertragern. Deren Anbindung und die Rohrverlegung im öffentlichen Raum stellten durch die zentrale Lage eine Herausforderung dar. Weitere Herausforderungen waren die Errichtung der Wärmepumpenzentralen aufgrund des begrenzten Platzes für die Heizungszentralen, Schallschutzanforderungen und die Auslegung der Verbraucherseite, um das optimale Temperaturniveau für den Wärmepumpenbetrieb sicherzustellen. Die gleichzeitige Bereitstellung von Wärme und Kälte erfordert eine komplexe Hydraulik und Regelung der Anlagen.
Lösungsansatz
Für die Abwasserwärmenutzung wurde eine einjährige Messung in den Abwasserkanälen am Standort durchgeführt. Der Einbau der Abwasserwärmenutzungsanlage im Kanal konnte aufgrund der Größe der Kanäle ohne große Schwierigkeiten erfolgen.
Im Heizfall wird die dem Abwasser entzogene Wärme über ein kaltes Nahwärmenetz (Anergienetz) im Quartier zu den einzelnen Energiezentralen verteilt. Im Kühlfall ist es weiterhin möglich, die überschüssige Wärme aus dem Quartier an das Abwasser abzugeben. Dadurch wird das Aufheizen der Umgebungsluft, wie es bei herkömmlichen Kälteanlagen geschieht, vermieden.
In Abstimmung mit dem Gebäudeeigentümer wurde der Platz für die zu errichtende Anlagentechnik geschaffen.
Die Schallschutzmaßnahmen am Gebäude und an der Anlagentechnik wurden in enger Abstimmung zwischen den Planern entwickelt.
Erfahrungen und Ausblick
Die Inbetriebnahme der Wärmpumpenanlagen steht noch aus und wird für Ende 2024 erwartet. Die Überprüfung der Effizienz im späteren Betrieb erfolgt kontinuierlich.
Tipps für Dritte
Für den Aufbau einer Energieversorgung auf Basis der Abwasserwärmenutzung ist eine Abwassermessung sinnvoll. Die Genehmigung der Rohrtrassenführung im öffentlichen Raum bedarf besonderer Voraussetzungen, die ggf. in den Bundesländern variieren können. Querungen und Überschneidungen mit bereits vorhandenen Erdleitungen können den Verlauf der Leitungsführung stark beeinflussen. Eine frühzeitige Berücksichtigung bei der Planung ist hilfreich.
Arbeiten im Bestand mit teilweise unbekannten Schadstoffvorkommen können zu erheblichen Bauzeitenverschiebungen führen. Je nach Belastbarkeit der Bausubstanz muss ggf. ein umfassendes Halterungskonzept für die Installation der Rohrleitungen in der Heizzentrale entwickelt werden.
Steckbrief Wärmepumpe
Datum Inbetriebnahme der Wärmepumpe
Dauer der Umsetzung
2020 - 2025
Wärmequelle
Abwasser
Thermische Leistung
1.390 kW
Elektrische Leistung
302 kW
Erläuterungen zum Heizsystem
Die dargestellte thermische Leistung von 1.390 kW verteilt sich auf folgende Einzelgeräte:
5 x 171 kWth + 2 x 270 kWth
Die dargestellte elektrische Leistung von 302 kW verteilt sich auf folgende Einzelgeräte:
5 x 36 kWel + 2 x 61 kWel
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