Schöneberger WEG setzt auf Erdwärmepumpe für Gründerzeitbau

Eine Wohneigentümergemeinschaft (WEG) in Berlin-Schöneberg installiert in ihrem Gründerzeitbau mit 25 Wohnungen und zwei Büroeinheiten 2020 eine Erdwärmepumpe als Teil eines Hybridsystems.

  • Straßenansicht sowie Innenhof mit Bohrmaschine
    Straßenansicht sowie Innenhof mit Bohrmaschine
  • Innenhof nach Abschluss der Arbeiten
    Innenhof nach Abschluss der Arbeiten
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Angaben zum Projekt

Die Kyffhäuserstraße 16 in Berlin Schöneberg ist ein klassischer Berliner Altbau (Baujahr 1890, saniert 1987) mit Vorderhaus, Hinterhaus und Seitenflügel, die sich um einen kleinen Innenhof gruppieren. Das Gebäude hat 25 Wohneinheiten und gehört den Bewohner*innen selbst im Rahmen einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG). Nur ein kleiner Teil ist an Dritte vermietet.

Die beheizte Fläche beträgt rund 2.300 m². Die alte Energieversorgung bestand aus einem Gaskessel, der aus Altersgründen ersetzt werden musste. Das Haus wird heute über eine Wärmepumpe und eine Brennwert-Gaszentralheizung mit Standard-Heizkörpern beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral elektrisch mit Durchlauferhitzern.

2016 wurde das Energiekonzept erstellt, dann in den Gremien der WEG diskutiert und beschlossen und schließlich 2020 erfolgreich umgesetzt. Die Wärmepumpe war zunächst nur optionaler Bestandteil des Energiekonzepts. Im Rahmen eines Vollkostenvergleichs war die Hybridlösung jedoch die günstigste und erzielte darüber hinaus auch die größte CO2-Einsparung. Eine der Herausforderungen bestand darin, die Bohrungen (6 Sonden, Tiefe je 99 m) in dem beengten Innenhof durchzuführen. Nach Abschluss der Arbeiten wurde der Innenhof neugestaltet und ist nun ein deutlich schöner als zuvor.

Die Betriebsdaten der Heizungsanlage werden online erfasst, sodass die Effizienz und die Energiemengen valide nachvollziehbar sind. Die erreichte Arbeitszahl der Wärmepumpe beträgt 3,8.
Da die Planung von einem der Wohnungseigentümer übernommen wurde, beliefen sich die Gesamtkosten der Umrüstung (Bohrung, Wärmepumpe, Montage, Elektrik, Neugestaltung des Hofs) auf nur 97.400 €. Das Projekt erhielt vom BAFA außerdem eine Förderung in Höhe von 35 Prozent.

Der weitere Ausbau des Wärmepumpenanteils ist in Planung. Hier stehen Solarwärme oder Luftwärme für die Übergangszeiten zur Entscheidung.

Projekteinreichende*r Erhard Raabe, Miteigentümer und Anlagenplaner
Kooperationspartner Regelungshersteller: "Technische Alternative GmbH“, Österreich
Software: Ingenieurbüro „Schick Energietechnik“, Hamburg

Eckdaten Gebäude

PLZ Gebäudestandort 10781
Ort Gebäudestandort Berlin-Schöneberg
Gebäudeart Mehrfamilienhaus
Baujahr bis 1945
Sanierungsstand Altbau vollsaniert
Beheizte Fäche 2.300 m²

Wärmeversorgung vor Einbau Wärmepumpe

Heizungsart alt Gasheizung
Art Brauchwassererwärmung Dezentral, elektrisch
Art der Raumwärmeübergabe Heizkörper
Energieverbrauch 220.000 kWh pro Jahr
Vorlauftemperatur (vorher) 61-70 °C
Leistung Wärmeerzeuger 120 kW
Spezifischer Heizenergieverbrauch 96 kWh/m²a

Herausforderungen

Ziel des Projektes war es, den Gasverbrauch des Mehrfamilienhauses im ersten Schritt zu halbieren. Die Initiative hierzu kam aus dem Kreise der Wohneigentümer*innen. Im Jahr 2016 wurde hierzu ein Energiekonzept erstellt mit den Varianten Kesseltausch, Sanierung der Südfassade sowie als Option die Nutzung von Erdwärme. Das Konzept wurde in den Folgejahren in den WEG-Gremien diskutiert und schließlich 2020 umgesetzt. Bei diesen Diskussionen war die Wirtschaftlichkeit der Umsetzungsvariante mit Erdwärmepumpe eine zentrale Herausforderung.
Für die Planung und Durchführung der Bohrung waren die beengten Platzverhältnisse im Innenhof zu berücksichtigen.

Lösungsansatz

Der entscheidende Schritt, in den Gremien auch die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Umsetzungsvariante mit Wärmepumpe darzulegen, war ein Vergleich der Varianten auf Vollkostenbasis. Das heißt, dass neben den Kapitalkosten für die Investition auch die Wartungs- und Betriebskosten über die Nutzungsdauer der Anlage mit betrachtet werden. Hierbei schnitt die Variante mit Wärmepumpe am besten ab. Zwar waren die Kapitalkosten aufgrund der aufwändigen Bohrung deutlich größer, doch die niedrigen Verbrauchskosten glichen dies mehr als aus. Und der finanzielle Vorteil hat sich zwischenzeitlich aufgrund des Gaspreisanstiegs noch vergrößert.

Erfahrungen und Ausblick

Regenerative Energien (Erdwärme, Solar, Luft) können auch im Altbau zur Beheizung genutzt werden. Hierbei sind auch Wärmepumpen mit Erdsonden in Kombination mit Heizkörpern wirkungsvoll einsetzbar. Ohne Warmwasserbereitung sind 60 Prozent und mit Warmwasser 75 Prozent der Wärme wirtschaftlich durch regenerative Energieträger zu decken.
Erdwärme hat Betriebskosten von 6 ct/kWh, die fossile Wärme über Erdgas kostet 14 ct/kWh (Stand Ende 2021). Damit lassen sich auch große Investitionen in die Wärmequelle amortisieren.
In Ballungsräumen sind Solarenergie, Luft- und Erdwärme nutzbar.
Die Anlagentechnik ist ein wichtiger Hebel, um die Emissionen im Bestand schnell und deutlich zu senken.
Fernwärme als Alternative zu dezentralen Lösungen muss sich erst noch beweisen.

Tipps für Dritte

1. Ein gutes Konzept findet in einer Wohneigentümergemeinschaft auch Zustimmung. Es braucht Vertrauen in die Ergebnisse und die Machbarkeit.
2. Eine Umsetzung mit einfachen und verfügbaren Mitteln sowie eine geringe Anlagen-Komplexität (Einbindung und Regelung) ist vorteilhaft
3. Nutzen und Kosten sollten auch mit Bezug auf die CO2-Emissionen betrachtet werden
4. Die Wirtschaftlichkeit ist unter Betrachtung der Vollkosten zu bewerten
5. Keine Angst vor Bohrungen auf engem Raum: Moderne Bohrgeräte können auch in kleinen Innenhöfen sicher arbeiten

Steckbrief Wärmepumpe

Datum Inbetriebnahme der Wärmepumpe
Dauer der Umsetzung 4 Jahre
Wärmequelle
  • Erdreich
Thermische Leistung 35 kW
Elektrische Leistung 15 kW
JAZ laut Planung 4,0
Saisonale Leistungszahl SCOP 4,0 (Datenblatt: COP B0/W55 bei 2-Verdichter-Betrieb)
Maßnahmen Heizsystem
  • Hydraulischer Abgleich
  • Pufferspeicher

Betriebsdaten Wärmepumpe

Vorlauftemperatur (neu) 70 °C
Stromverbrauch Wärmepumpe 26.000 kWh pro Jahr
JAZ Wärmepumpe 3,8
Die JAZ wurde am Gerät abgelesen und beinhaltet keine Hilfsenergien oder Speicherverluste

Kosten

Gesamtkosten (inkl. begleitender Maßnahmen):
97.000 €

Kontaktdaten

Erhard Raabe
Deutschland
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